Wettstetten
"Unglaublich reines Lebensmittel"

Brotsommelier Thomas Hackner spricht in Wettstetten über die Vorzüge der Backware und versucht sich an Abendmahl-Experiment

13.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr

Außergewöhnlich kombinierte Geschmacksaromen ließ Brotsommelier Thomas Hackner seine Gäste am Samstag testen. - Foto: Gülich

Wettstetten (DK) Wie viele Brotsorten gibt es in Deutschland? 300? Oder doch über Tausend? Der Wettstettener Bürgermeister Gerd Risch überließ beim Themenabend "Brot", der am Samstag im Rahmen der Kulturzeit im Bürgersaal stattfand, gerne einem Fachmann das Wort: "Brotschafter" Thomas Hackner, einer von weltweit 42 Brotsommeliers und damit ausgewiesener Brotexperte (und selbst Wettstettener), sprach von 3300 im "Deutschen Brotregister" aufgenommenen Sorten.

Im geschichtlichen Überblick wurde klar: Brot gibt es erst mit dem Sesshaftwerden der einstigen Nomadenvölker, durch Aussaat und Ernte von Getreide. Wurde anfangs einfach der Brei aus gemahlenen Körnern und Wasser gegessen und einige Jahrtausende später - zu Beginn wahrscheinlich eher durch Zufall - in dünnen Fladen gebacken, experimentierten die alten Ägypter als erste mit Gärungs- und Säuerungsverfahren. "Brot, Bier und Wein: Alle drei benötigen Gärung, das nahm in Ägypten seinen Anfang", stellte Referent Hackner Zusammenhänge her. Er erinnerte auch an die große Bedeutung des Brots im christlichen Kontext als Symbol für den Leib Christi - und das für sein Publikum höchst anschaulich: Nachdem er bei verschiedenen jüdischen Instituten nachgefragt hatte, wie wohl das Brot zu Jesu Zeiten beschaffen war, habe er eigens für den Abend das Nachback-Experiment eines "Letztes-Abendmahl-Brotes" gestartet. Heraus kam ein Korb voller flacher Gerstenfladen, die er unter den Zuhörern verteilte.

Der Bäckermeister erklärte, wie sich die deutsche Brotvielfalt - bei ähnlichen Grundzutaten - höchst vielfältig entwickeln konnte: Durch die seit dem Mittelalter "auf die Walz gehenden" Bäckergesellen, unterschiedliche Öfen (mit Temperatur und Luftfeuchtigkeit als Parameter) sowie verschiedene Formgebungs- und Backprozesse kamen sehr unterschiedliche Sorten zustande. Dazu bringen Reisende bis heute Rezepturen aus dem Ausland mit. Allerdings bestehen in Europa große regionale Unterschiede: Weil Weizen eher warme und trockene Böden mag, sind im Süden helle Weizenbrote viel verbreiteter als bei uns, Roggen ist dagegen weitgehend unbekannt. Überhaupt habe Brot in südlichen Ländern insgesamt viel weniger Bedeutung als in Deutschland, so Hackner.

Der Brotsommelier bezeichnete Brot als "unglaublich reines Lebensmittel": Bei nur vier oder fünf Zutaten entfalten sich - je nach Zubereitungsart und Backvorgang - bis zu 400 Aromastoffe. "Der Geruch des Brots ist der Duft aller Düfte", zitierte Hackner den tschechischen Literaturnobelpreisträger Jaroslav Seifert. Er erklärte, wie ein Brot in Wettbewerben getestet wird, wie man es am besten lagert ("Am geeignetsten ist ein Steinguttopf"), ging auf die Bestseller "Dumm wie Brot" und "Weizenwampe" ein ("Das ist vor allem Panikmache") und wies auf den entscheidenden Faktor "Zeit" beim handwerklichen Backen sowohl für bessere Verträglichkeit als auch für intensiveres Aroma hin.

Den letzten Teil des Abends widmete Hackner dem sogenannten "Food Pairing", einem Trend, Geschmacksaromen außergewöhnlich zu kombinieren. Er kredenzte seinen rund 50 Zuhörern ein speziell für den Abend kreiertes Brot aus Roggen- und Weizenmehl mit Walnüssen und getrockneten Pflaumen, dazu einen milden Gorgonzola und als Rotwein einen italienischen Primitivo und ließ sie die einzelnen Komponenten erst separat, dann zusammen schmecken.

Thekla Müller hätte sich - wie einige andere Teilnehmer auch - mehr Brotsorten in der Verkostung gewünscht. "Ich hatte mir vorgestellt, dass wir verschiedene Brotsorten probieren können und die Unterschiede in Zutaten und Verarbeitung erklärt bekommen", sagte die Wettstettenerin. "Trotzdem war es ein sehr interessanter Abend, und es ist toll, dass Wettstetten nun einen Brotsommelier hat."