Ingolstadt
Weihnachten im Zirkus-Wagen: "Wir freuen uns auf Zeit mit der Familie"

Mit kleinen Geschenken, feinem Fisch und einem großen Herz

26.12.2021 | Stand 30.12.2021, 3:34 Uhr
Weihnachtlicher Zirkuswagen: Jacqueline Köllner (2. von rechts) schmückt mit ihrer Nichte Samira (rechts) und ihren Söhnen Leroy (links) und Dominik den Christbaum. −Foto: Eberl

Ingolstadt - Weihnachten - das Fest der Liebe, der Freude, des Friedens und vor allem das Fest der Familie. Jeder freut sich auf Weihnachten, auf die vielleicht schönste Zeit des Jahres. Mit gutem Essen und Geschenken, mit Besuch bei Oma und Opa, mit ein paar Ferien- oder Urlaubstagen. "Seit Corona habe ich keine Lust mehr auf Weihnachten", sagt Jacqueline Köllner, Direktorin vom Circus Mulan. Sie war am Tag vor Heiligabend noch nicht in Feststimmung. "Weihnachten ist Stress pur."

Ihr Zirkus gastiert bis Mitte Januar an der Hans-Stuck-Straße, direkt neben dem Seniorenheim, in Blickweite das Landesgartenschau-Gelände. Jeden Tag gibt es Vorführungen. An Heiligabend trat die große Zirkus-Familie natürlich auch auf. An Silvester gibt es in der Manege ebenfalls eine bunte Show - für Groß und Klein. Da bleibt nicht viel Zeit für Weihnachten. Wobei: In einem der Wagen, in dem gekocht, gegessen und auch geschlafen wird, steht ein kleiner künstlicher Christbaum. "Ein Größerer passt nicht rein", sagt Köllner. Ein Holzschneemann und ein Holzweihnachtsmann schmücken den Tisch. Dazu kommt ein weihnachtliches Riesenrad. Kupferfarbene Kugeln und silberne Ketten liegen am Tag vor Heiligabend bereit. Der Baum darf nämlich noch geschmückt werden. Spaß daran haben auch Samira (9), Dominik (10) und Leroy (14). Eines stand aber schon vor Heiligabend fest: "Gesungen wird bei uns nicht, das klingt nicht gut."

Das aus der Sicht des Besuchers normale Weihnachtsfest vermissen die drei Kinder nicht. "Wir können uns nicht vorstellen, wie ihr Weihnachten feiert." Köllner verdeutlicht: "Wir können uns schon gar nicht vorstellen, in einem Haus zu wohnen." Ihr ganzes Leben ziehen sie durchs Land und leben in den Wagen.

Was wünschen sich Samira (das Schlangenmädchen), Leroy (der Artist) und Dominik (der Clown)? "Wir freuen uns darauf, Zeit mit der Familie zu verbringen", sagt Samira und beschämt den Zuhörer mit dieser ehrlichen und lieben Antwort ein wenig. Sie hatte aber auch einen anderen Wunsch: Samira, die Tochter von Köllners Schwester, wollte ihren Playmobil-Zirkus erweitern.

Viele Geschenke gibt es beim Circus Mulan nie, teure gar nicht. Köllner: "Die Kinder freuen sich über Socken und Hosen. Auch wenn sie nie viel geschenkt bekommen, sind sie zufrieden." Und die Mama der beiden Buben bestätigt: "Sie haben wirklich bescheidene Wünsche, wir müssen aber auch aufs Geld schauen." Wenn Leroy und Dominik sich doch einmal etwas Teures wünschen, bleiben es Träume. "Natürlich versuchen wir, ihre Wünsche zu erfüllen", lächelt Köllner. Während des Gesprächs überrascht die Chefin: "Wenn wir ein wenig Geld übrighaben, spenden wir gerne. Zum Beispiel bei einem Spendenmarathon im Fernsehen. Denn es gibt viele Kinder, die es weniger gut haben als wir, die sich gar nichts leisten können." Jeder hat ein großes Herz in dieser Zirkus-Familie.

Nach der Vorstellung wird sich umgezogen, abgeschminkt, das Zelt fertiggemacht, die Tiere werden versorgt. Um 19 Uhr gab es das Abendessen. Danach waren die Kinder mit dem Abwasch beschäftigt, ehe die Bescherung folgte. "Heuer gab es nur eine Kleinigkeit", sagt Köllner. "Um 22 oder 23 Uhr geht es dann ins Bett." Als Festessen gab es Fisch heuer aus dem Backofen. "Es gibt jedes Jahr etwas anderes", sagt Köllner. Zeit für aufwendigeres Kochen bleibt einfach nicht. Gegessen wird in Schichten, weil alle 15 Zirkusmitglieder nicht gleichzeitig am Tisch Platz haben. Den Kamelen und Zwergziegen ist die Jahreszeit und daher auch Weihnachten total egal. Sie freuen sich über jede Abwechslung, auch eine außergewöhnliche Mahlzeit zwischendurch: Als Köllner für ein Foto einen Tannenbaum mitbringt, sind vor allem die Ziegen aus dem Häuschen. Auch das Kamel orientiert sich in seinem Zelt um: Tanne? Ja, die mag ich. Eine der Ziegen setzt ihre kleinen Hörner ein, um näher an den Baum zu kommen.

Weihnachten oder Silvester? Egal, die Tiere brauchen jeden Tag Pflege und Verpflegung. "Die Tiere verdienen Geld, die müssen gut behandelt werden", umschreibt es Köllner. So werden sie ab 7 Uhr versorgt - noch ehe die Zirkusfamilie frühstückt. Vor der 16-Uhr-Aufführung gibt es viel zu tun - auch für die Kinder. Leroy zum Beispiel ist verantwortlich dafür, dass die Tiere immer Wasser haben. Dominik kümmert sich um das Heu. An Weihnachten gab es neben dem ein oder anderen Tannenbaum auch eine Extra-Portion Heu.

Seit sechs Jahren ist der Circus Mulan nun in Bayern unterwegs: "Wir haben uns in Bayern verliebt", gibt Köllner zu. "Die Menschen haben eine gute Einstellung zum Zirkus, die Kinder sind hier offener." Daher gefällt es Samira in der Grundschule, die sie regelmäßig wechseln muss. Leroy und Dominik absolvieren Fernlern-Unterricht - mit regelmäßigem Telefonkontakt zur Lehrerin.

Das Tollste auch an Weihnachten war der Applaus der Zuschauer: "Etwas Schöneres gibt es nicht", sagt Köllner. Samira, Leroy und Dominik nicken.

Zirkus sucht Platz zum Überwintern

Ingolstadt - Zirkusdirektorin Jacqueline Köllner sucht noch einen Platz, auf dem der Circus Mulan mit all seinen Wagen und Tieren das Winterlager aufschlagen kann, wenn er am 17. Januar in Ingolstadt seine letzte Vorstellung absolviert hat. "Wir wollen vier bis sechs Wochen Pause machen. Ohne Vorstellungen", sagt Köllner. Für diese nachträgliche Weihnachtspause wünscht sich Köllner ein Gelände in Ingolstadt oder in der näheren Umgebung. Köllner ist telefonisch unter der Nummer (0163) 4507086 zu erreichen.

Der Familien-Zirkus lädt noch bis zum 17. Januar jeden Tag zur Vorstellung ein. Manege frei heißt es immer ab 16 Uhr. Es gilt die 2G-plus-Regel, mitgebrachte Schnelltests können auch direkt kurz vor dem Zirkusbesuch vorgenommen werden.

DK