Kösching
"Stille Nacht" für 300 Protestanten

Weihnachtslied steht im Mittelpunkt der ersten Christvesper in der neuen Dietrich-Bonhoeffer-Kirche

26.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:29 Uhr
Über ein volles Haus freute sich Pfarrer Christoph Schürmann an Heiligabend. In der neuen Dietrich-Bonhoeffer-Kirche in Kösching fand am Montag die erste Christvesper statt. −Foto: Eberl

Kösching (DK) Ihre allererste Christvesper haben die Protestanten aus Kösching, Lenting und Hepberg an Heiligabend in der neuen Dietrich-Bonhoeffer-Kirche in Kösching gefeiert. Mit fast 300 Gottesdienstbesuchern war diese so voll, dass nicht alle einen Platz fanden.

Schon beim Familiengottesdienst mit Krippenspiel am frühen Nachmittag war die Kirche "aus allen Nähten geplatzt", erzählten die Organisatoren um Pfarrer Christoph Schürmann. Der freute sich angesichts des erneut großen Interesses an der Vesper "überwältigt". Die 230 Stühle - einige wurden aus anderen Räumen herbeigetragen - waren rasch besetzt, sodass viele stehen oder auf die Empore ausweichen mussten. Dass so mancher Protestant den Gottesdienst an Heiligabend mit einem ersten Besuch der im Mai eingeweihten Kirche verband, trug sicher zum vollen Gotteshaus bei: Schon vor dem Glockenläuten war rundum viel Lob für das hell und schlicht gestaltete Gebäude zu hören - genau wie für den Christbaum, der mit einfachen Strohsternen dekoriert war.

Die große Besucherschar lenkte nicht vom Thema ab, das Pfarrer Schürmann in den Mittelpunkt seiner Predigt gestellt hatte: Nach der Lesung der Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium ging es insbesondere um das bekannte Lied "Stille Nacht", das 1818 in Oberndorf bei Salzburg uraufgeführt und heuer somit 200 Jahre alt wurde.

Schürmann schaffte eingangs sogar einen lokalen Bezug, indem er auf die Orgel verwies, die zuvor jahrzehntelang in der evangelischen Kirche in Lenting im Einsatz gewesen war. "Sie funktioniert zum Glück auch am ersten Heiligabend in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche sehr gut", freute sich der Geistliche. Ganz anders sei dies der Legende nach vor 200 Jahren in Oberndorf gewesen, wo das Instrument kurz vor Weihnachten ausgefallen sein soll. Hilfspfarrer Joseph Mohr (Text) und Organist Franz Xaver Gruber (Melodie) mussten für den Gottesdienst deshalb wohl schnell ein leichtes Lied verfassen, das auch mit der Gitarre begleitet werden kann, erzählte Schürmann. "Stille Nacht" kam dabei heraus. "Das Lied begeisterte die Gemeinde, und so begann sein Siegeszug."

Heute gibt es dem Pfarrer zufolge "kaum eine Sprache, in die es nicht übersetzt wurde". Wie zum Beweis war bereits vor dem Gottesdienst ein kleines Faltblatt verteilt worden, auf dem das Lied in sechs Sprachen - von Deutsch über Spanisch bis hin zu Chinesisch - zu lesen war. Jede Version weist laut Schürmann gewisse sprachliche Abwandlungen auf, doch stets drücke "Stille Nacht" eine "große Friedenssehnsucht" aus.

Dies vor allem von der dritten bis zur fünften Strophe, die im deutschsprachigen Raum kaum mehr gesungen werden. "Als Mohr den Text verfasste, hatten die Menschen gerade die Napoleonischen Kriege hinter sich und sehnten sich nach einer stillen Nacht", sagte Schürmann. "Das spiegelt sich in den Zeilen des jungen Pfarrers wider."

Strophe um Strophe sang die Gemeinde das Weihnachtslied zwischen Schürmanns Erläuterungen, um dessen Worte nachvollziehen zu können. Eine wichtige Botschaft interpretierte dieser indes in den fünften Abschnitt, in der es um "die alte Sintflutgeschichte aus dem Alten Testament" gehen soll. "Lange schon uns bedacht, als der Herr, vom Grimme befreit, in der Väter urgrauer Zeit, aller Welt Schonung verhieß", heißt es da. "Gott verspricht, dass es niemals wieder eine verheerende Flut geben wird, und er schenkt uns seinen Sohn, um die Menschen zu retten", machte der Pfarrer einen Bogen zur Weihnachtsbotschaft.

Warum ausgerechnet "Stille Nacht" zu den erfolgreichsten Liedern der Musikgeschichte gehört, begründete Schürmann mit der tiefen Freundschaft zwischen dem Dichter und dem Komponisten, die sich auf das Zusammenspiel von Worten und Tönen übertragen habe. Ob das Werk heute nun als kitschige Kaufhausmusik oder aber als Inbegriff der Weihnacht zu sehen ist, müsse jeder für sich selbst entscheiden. Schürmann hält sich an den Spruch "Verzicht bringt Genuss". Im passenden Rahmen sei das Lied etwas ganz Besonderes - wie in Oberndorf, wo das Lied "nur noch an Heiligabend" gespielt werde, merkte der Pfarrer an. So verhalte es sich auch mit der "uralten Botschaft", die die Herzen der Menschen am richtigen Ort im richtigen Moment erreichen soll: "Christ, der Retter ist da."
 

Tanja Stephan