Ingolstadt
Wegen Hetze im Netz zu Bewährungsstrafe verurteilt

Keine Strafen jedoch wegen Betreibens der rechten Facebook-Gruppe "Ingolstadt gegen Überfremdung"

03.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:11 Uhr
Aggressive Posts im sozialen Netzwerk Facebook beschäftigten jetzt das Ingolstädter Amtsgericht, −Foto: Tobias Hase/dpa/picture alliance

Ingolstadt - Ein Redakteur des DONAUKURIER hatte die Ermittlungen ins Rollen gebracht.

Am Montag nun mussten sich zwei Administratoren der Facebook-Gruppe "Ingolstadt gegen Überfremdung" wegen Volksverhetzung und Verwendung von Nazi-Symbolen beziehungsweise Beihilfe dazu vor dem Ingolstädter Amtsgericht verantworten - und wurden im wesentlichen Anklagepunkt freigesprochen.

In der Gruppe ist heftig gegen Asylbewerber gewettert worden. Von "fürchterlichen Minderlingen", die man in "Viehtransporter" stecken solle, war dort unter anderem die Rede. Oder davon, dass mit einer Uzi, einer Maschinenpistole, "1400 Asylanträge in einer Minute erledigt werden könnten".

Die Betreiber der Gruppe konnten schnell ermittelt werden: Ein 58-jähriger Mann aus Ingolstadt, der die Facebook-Gruppe gegründet und die Administration Ende 2017 an die mitangeklagte Frau, eine 64-jährige Manchingerin, abgegeben hat. Man habe das Problem der Überfremdung thematisieren wollen. Im Piusviertel etwa betrage der Anteil der "Blutdeutschen" nur noch fünf Prozent. Die Kritik an der Asylpolitik unterfalle der Meinungsfreiheit, ließen die Angeklagten durch ihre Verteidiger Frank Miksch und Jörg Gragert erklären. Die Verantwortung für die strafbaren Posts schoben sich die beiden gegenseitig zu. Der Mann gab an, sich auf sie verlassen zu haben; sie wiederum, so ihr Anwalt, sei die "Dumme und Naive" gewesen, die sich zur Übernahme der Administration habe überreden lassen.

Entscheidend war jedoch letztlich, dass es wegen einer Panne den Ermittlungsbehörden nicht gelungen war, direkten Zugriff auf die Gruppe zu erhalten und im Einzelnen nachzuweisen, dass die Angeklagten von konkreten strafbaren Posts wussten, ohne sie zu löschen. Das nämlich, erklärte Richter Peter Hufnagl, sei Voraussetzung für eine Strafbarkeit, ein allgemeines "Organisationsverschulden" reiche nicht aus. Unter diesen Umständen komme eine Verurteilung zu Beihilfe durch Unterlassen - wie von der Staatsanwaltschaft angeklagt - nicht in Betracht. Daraus, dass er mit der geltenden Rechtslage nicht glücklich ist, machte der Richter keinen Hehl. Er sagte: "Ich wende Strafvorschriften nur an. Ich kann keine erfinden. "

Dass die Manchingerin dennoch verurteilt wurde, hat damit zu tun, dass sie die Gruppe nicht nur administriert, sondern auch selbst fremdenfeindliche Kommentare gepostet hat. So hat sie etwa dazu aufgerufen, das "Negerpack in die Donau zu werfen". Auch von "Baumaffen ohne Kultur" und davon, dass sie das Bild eines Hundes mit SS-Schirmmütze, Hitlergruß und Hakenkreuz verbreitet hat, war die Rede. Wegen günstiger Sozialprognose und weil sie nicht vorbestraft ist, hielt Richter Hufnagl eine Bewährungsstrafe von neun Monaten für angemessen.

Sehr wohl vorbestraft war der 58-jährige Mitangeklagte, unter anderem wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften. Zudem berichtete ein Polizist davon, dass im Rahmen der Ermittlungen auf seinem Computer - ohne dass dies strafbar wäre - zuhauf pornografische Bilder gefunden worden seien, auf denen Frauen gequält, gefoltert und verstümmelt würden. Wäre der Hartz-IV-Empfänger verurteilt worden, hätte sich die Strafe wohl eher im Bereich der von Staatsanwalt Sebastian Hirschberger geforderten eineinhalb Jahre bewegt - ohne Bewährung.

DK

Andreas Müller