stadtgeflüster
Was ich nicht weiß, macht mich heiß

18.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:39 Uhr

(rh) Die Informationsgesellschaft ist in einem radikalen Wandel begriffen.

Das haben selbst Leute mitbekommen, die menschliches Leben ganz ohne Smartphone nach wie vor prinzipiell für denkbar halten. Jede Tageszeitung, die auf sich hält, hat inzwischen neben ihrer bewährten Druckversion auch einen Online-Auftritt. Facebook-Freunde schütten einander in einem immerwährenden Kommunikationsfluss ihr Herz aus. Fußballklubs und Faschingsgesellschaften, Staatstheater und Gewerkschaften halten ihre Klientel per Newsletter auf dem Laufenden sowie bei der Stange.

Man kann aber auch Präsident der Vereinigten Staaten werden, indem man sich in einem Akt der Autonomie ganz bewusst entscheidet, auf jede Aufnahme von seriösen Informationen zu verzichten, weil es zum einen so langweilig ist, zusammenhängende Texte mit mehr als zehn Sätzen zu lesen, und weil es andererseits viel mehr Spaß macht, das laufende Footballspiel im TV anzuschauen. Zwischendurch wird noch schnell über das Stammelmedium Twitter der nächste militärische Vergeltungsschlag gegen Syrien oder den Iran oder - ist ja auch egal wen - angedroht. So weiß sich der mächtigste Staatsmann der Erde halt immer zu helfen. Fakten verwirren ihn nur, vor allem solche, die er nicht selbst erfunden hat.

Unsere braven Schanzer Heimatpolitiker könnten sich von dieser kognitiven Gelassenheit manche Scheibe abschneiden. Aber nein, die wollen immer alles ganz genau wissen. Besonders gefürchtet sind diesbezüglich die Damen und Herren der Stadtratsopposition. Kaum haben sie im August aus dem DK erfahren, was sie im Mai selbst beschlossen hatten - einen Trainingsplatz für die FC-Jugendfußballer im Landschaftsschutzgebiet -, schon beklagen sie sich, dass ihnen vorher keiner was gesagt hat. In der CSU-Führung bewahrt man nach solchem Gezeter von SPD und Grünen, BGI und ÖDP einen kühlen Kopf und kontert mit einer Presseerklärung wie Fraktionschefin Patricia Klein. "Für jedes Mitglied des Stadtrates", ließ sie die oppositionellen Ignoranten auflaufen, "das sich mit dieser nichtöffentlichen Sitzungsvorlage beschäftigt hat, waren alle notwendigen Informationen gegeben. " Aus den Unterlagen sei ganz klar hervorgegangen, "dass für den Bau des Trainingsplatzes auch ein kleiner Teil des Auwaldes gerodet werden muss".

Hoffentlich kriegt der fleißige Sitzungsdienst des Hauptamtes jetzt keinen Ärger, weil er dem OB die besagte Stadtratsvorlage unterschlagen hat. "Es hat keiner gewusst", verblüffte Christian Lösel vergangene Woche im DK-Sommerinterview die Leserschaft, "dass das geplante Feld in einem Landschaftsschutzgebiet liegt. " Zweitligaprofis des FC Ingolstadt, die sich im Umgang mit Pleiten auskennen, hätten dazu jederzeit den passenden Kommentar bereit: "Es gelingt dem Kader des Stadtrates trotz seiner hohen Qualität leider viel zu selten, sein politisches Potenzial abzurufen. "