stadtgeflüster
Warten auf die Lenin-Tribüne

17.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:23 Uhr

(peh) Dass wir das noch erleben dürfen!

Mit Tränen der Freude in den Augen erblickten wir in der gestrigen Ausgabe unserer wie immer qualitätsvollen Heimatzeitung doch tatsächlich ein Bild von Alfred Grob und darunter eine kleine Skizze. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Nicht Ingolstadts oberster Kriminaler mit Ambitionen auf das Maximilianeum hat uns das Pipi in die Augen getrieben. Sondern die kleine Zeichnung darunter. Eine Aussichtsplattform über der Donau! Da fehlen uns ja fast die Worte. Und wenn das passiert, gibt's nur eins: ein Stadtgeflüster.

Natürlich ist uns da sofort der Name Stefan Braunfels wieder ins müde Gedächtnis geschossen. Erinnern Sie sich noch? Jener bekannte Architekt, dessen spektakulärer Entwurf für den Neubau des Museums für Konkrete Kunst in Ingolstadt gleich zweimal gescheitert ist: einmal im Stadtrat und das zweite Mal, weil er seinen Entwurf zu spät abgegeben haben soll. Wolkenbügel wurde das Projekt genannt, das weit über die Donau hinausgeragt wäre und das Opernhaus in Sydney, die Elbphilharmonie und den Burj Khalifa locker in den Schatten gestellt hätte.

Doch jetzt die Aussichtsplattform! Vielleicht nicht ganz so gewaltig wie der Braunfels-Entwurf, eher ein bisschen hyggelig, wie man auf Neudeutsch statt griabig sagt. Aber immerhin könnten die Besucher des künftigen Donauparks auf einer Plattform die Wellen direkt von oben betrachten. Die Stadtsilhouette plus Grünzeug mit dazu. Und das Ganze ohne irgendwelche Konkrete oder sonstige Kunst!

Und der Grob-Alfred erst: Quasi bei seinem Abschied vom Bezirksausschuss Mitte hat er sich gleich schon sein eigenes Denkmal gesetzt. Respekt, muss man da ganz ohne Neid sagen: So was ist echt raffiniert. Das hätten wir ihm gar nicht zugetraut, ehrlich nicht. "A Hund is aa scho", möchte man da auf gut Bairisch als höchste Form des Lobes ausrufen. Haut da einen Aussichtsturm hin, noch bevor er im Landtag ist. Da sollen sich andere ein Beispiel nehmen.

Nur eine Winzigkeit wollten wir noch anmerken, ohne jetzt gleich wieder als Dipferlscheißer dazustehen. Der Braunfels hat sich bei seinem Entwurf - sagen wir mal vorsichtig - auch inspirieren lassen. Von El Lissitzky. Das war ein russischer Avantgardist und Revolutions-Architekt, der 1924 den ersten Wolkenbügel skizziert hat. Als Gegenentwurf gegen die Wolkenkratzer des imperialistischen Erbfeindes USA. So gesehen finden wir es schon bemerkenswert, dass ein CSU-Landtagskandidat auf eine Traditionslinie zurückgreift, die quasi in der großen sozialistischen Oktoberrevolution fußt. Wer hätte das gedacht! Umso freudiger blicken wir der Landtagswahl und den weiteren Projekten von Alfred Grob entgegen. Denn das erste große Werk von El Lissitzky war die Lenin-Tribüne für Volks-Agitatoren. Wäre doch was fürs Gießereigelände. Da is' eh scho wurscht. . .