Ingolstadt
Warnung vor digitaler Versklavung

Raiba-Landwirtschaftsforum: Referent ermuntert Bauern zu unternehmerischem Selbstbewusstsein

11.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:37 Uhr
Blick auf die Ursprünge der inzwischen drittgrößten Genossenschaftsbank in Bayern: Vorstandsvorsitzender Richard Riedmaier beim Landwirtschaftsforum vor einer Grafik, die die kleineren Institute zeigt, die in der heutigen Bank aufgegangen sind. −Foto: VR Bayern Mitte

Ingolstadt (DK) Großer Auftrieb der regionalen Landwirtschaft im Audi-Sportpark: Die erst jüngst mit der Hallertauer Volksbank fusionierte Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte konnte dort am Donnerstagabend zu ihrem Landwirtschaftsforum gut 300 Gäste begrüßen. Referent Dietrich Holler, Fachjournalist aus Berlin, lieferte aufschlussreiche Einblicke in den Wandel der Branche.

Die mittlerweile drittgrößte bayerische Genossenschaftsbank verbirgt nicht ihre Wurzeln, die eindeutig im ländlichen Raum und speziell in der Landwirtschaft liegen. Vorstandschef Richard Riedmaier, der bei seiner Begrüßung selbstredend auch nochmals auf den jüngsten Zusammenschluss einging, erinnerte an die Vorgeschichte seines Hauses, die sich auf gut 100 kleinere Institute aus der weiteren Region gründet. Riedmaier: "Wir sind seit 135 Jahren ein starker Partner der Landwirtschaft, und wir wollen es bleiben."

Das Landwirtschaftsforum ist eine gut eingeführte Veranstaltung der Hallertauer Volksbank; jetzt wird die Tradition von der Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte fortgeführt. Das große Treffen am Donnerstag war bereits das zehnte in dieser Reihe, allerdings das erste, das auch vom Zuschnitt her die Finessen des Kommunikationszeitalters genutzt hat: Mehrfach kam eine speziell für die Kundschaft aus der Landwirtschaft entwickelte neue App der Bank zum Einsatz, mit der sich während des Vortrags online über gewisse Thesen abstimmen ließ.

So war ganz nebenbei für jeden im Saal auf den Bildschirmen ein interessantes Stimmungsbild aus der großen Runde ablesbar. Moderator Günter Staud konnte den gelungenen Praxistest als Beweis dafür feiern, dass sich die Bank auch in Sachen Digitalisierung auf der Höhe der Zeit sehen kann: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht - wir lassen uns nicht abhängen."

Digitalisierung war auch eines der Themen, die Hauptreferent Dietrich Holler (kleines Foto) in seinem Vortrag aufgriff. Der Berliner Journalist und Kommunikationsfachmann mit den Schwerpunkten Agrar- und Lebensmittelwirtschaft (Büro vox viridis) riet seinem Publikum generell zu großer Achtsamkeit, was das Vordringen digitaler Technik in die Ställe und auf die Äcker angeht. Auch wenn die spontane Handy-Abstimmung im Sportpark den Eindruck vermittelte, dass eine Mehrheit der Anwesenden diesen Technologiesprung grundsätzlich begrüßt, riet der Referent zur Vorsicht: Die Digitalisierungswelle in der Landwirtschaft, so rief er in Erinnerung, sei vor allem vom Landmaschinenbau und vom Agrarhandel ausgegangen - nicht von den Landwirten.

Der einzelne Bauer laufe Gefahr, sich bei zu blauäugigem Einsatz der neuen Technik immer mehr zu einem fremdbestimmten Rädchen im großen Getriebe zu machen - was Konzernen, die ihren Einfluss auf die Landwirtschaft zu vergrößern trachteten, in die Hände spiele. Holler: "Sie müssen aufpassen, dass Sie nicht zum Digitalsklaven werden; Sie müssen Unternehmer bleiben!"

Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung müssen für den Fachjournalisten, der nach eigenen Worten seit über 20 Jahren im Metier zu Hause ist, auch in Zeiten vielfachen Wandels die Eckpfeiler landwirtschaftlicher Betriebsführung sein. Die Bauern würden nach seinem Eindruck in der EU und speziell in Deutschland seit Jahren immer mehr stigmatisiert, als "Umweltvergifter, Tierquäler und Subventionsempfänger" dargestellt und in der Öffentlichkeit beinahe schon als "Störfaktor" wahrgenommen, so die plakative Wortwahl des Referenten.

Dabei werde die Aufgabe der Landwirte, für die Ernährung breiter Massen zu sorgen, immer mehr unterschätzt. Dietrich Holler: "Landwirtschaft muss mehr sein als Landschaftspflege - es muss produziert werden." Er wolle einzelne Fehlentwicklungen nicht verharmlosen, so der Referent, doch überzogene Reglementierungen durch die Politik, vor allem durch die EU, und das häufige "Landwirtschafts-Bashing" müssten ein Ende haben. Holler wünschte sich in dieser Hinsicht auch eine fairere Behandlung der Branche durch die Medien, die sich nach seinem Dafürhalten in der öffentlichen Diskussion häufig zu schnell auf die Seite der Landwirtschaftskritiker ziehen lassen.

Die landwirtschaftlichen Strukturen in Bayern und speziell in der Region hält der Referent für vergleichsweise optimal: "Hier ist die Welt in Ordnung, hier passiert richtig was." Hollers Appell an seine Zuhörer im Sportpark, insbesondere an die jungen Landwirte: "Erhalten Sie sich das!"

Vorsicht sei aber auch hier wie in der gesamten Republik beim offenbar unausrottbaren Bestreben nach immer mehr Nutzfläche geboten. Die Preisspirale bleibe akut, solange immer neue Höchstgebote für Anpachtung oder Kauf frei werdende Äcker abgegeben würden, erklärte Holler. Es gebe hier eine regelrechte Spekulationsblase. Ein System, bei dem für den Boden immer mehr gezahlt werde, obgleich die auf ihm zu erzielenden Erträge eher stagnierten oder gar rückläufig seien, sei aber schlichtweg unvernünftig. Die spontane Handy-Abstimmung zeigte, dass diese Einschätzung zumindest im Saal mehrheitlich geteilt wurde.

Bernd Heimerl