Ingolstadt
Ingolstadt: Alt-OB Lehmann zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt

Bestechungsprozess

22.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:48 Uhr
Der Ingolstädter Alt-OB Alfred Lehmann. −Foto: DK-Archiv

Ingolstadt (DK) Alfred Lehmann nahm das Urteil fast ungerührt zur Kenntnis. Nur seine zitternden Hände, die er seit dem Betreten des Gerichtssaals nicht stillhalten will oder kann, weisen auf seine Nervosität hin. Im Bestechungsprozess gegen den Ingolstädter Alt-OB Lehmann (CSU) ist am Dienstag das Urteil gefallen. Die Große Strafkammer des Landgerichts Ingolstadt verurteilte Lehmann zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Zudem muss Lehmann 383.000 Euro zahlen und die Kosten des Prozesses zahlen.

Sobald das Urteil rechtskräftig wird, verliert Lehmann seine Pensionsansprüche. Er könnte noch in Revision gehen.

“Wir sind am Ende einer Hauptverhandlung, die über ein halbes Jahr gedauert hat“, sagt Richter Jochen Bösl. “Der Prozess der Wahrheitsfindung war äußerst mühsam.“ Seit der Urteilsbegründung wirkt der Alt-OB abwesend. Er starrt auf den Boden oder seine Hände. Doch die Verhandlung habe sich gelohnt, so Richter Bösl weiter, denn der Sachverhalt sei in wesentlichen Teilen aufgeklärt worden. 

Staatsanwaltschaft forderte dreijährige Haftstrafe

Seit Anfang März musste sich Alfred Lehmann wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Ingolstadt verantworten. Staatsanwalt Gerhard Reicherl hatte wegen zwei besonders schwerer Fälle von Bestechlichkeit eine Gefängnisstrafe von insgesamt drei Jahren gefordert. Außerdem plädierte er dafür,  dass Lehmann den mutmaßlich von ihm erzielten Vorteil von 600.000 Euro zurückzahlen müsse. Lehmanns Verteidiger hatten auf eine Bewährungsstrafe von unter einem Jahr plädiert. 

In dem Prozess ging es um zwei Immobiliengeschäfte in Sanierungsprojekten, bei denen Lehmann kraft Amtes als OB am Verkauf der jeweiligen Objekte beteiligt war. Im "Tatkomplex Hildegard-Knef-Straße", wo Lehmann in einem ehemaligen Kasernengebäude, das die Stadttochter IFG verkauft hat, zusammen mit seinem Vater eine ganze Etage an Wohnungen erworben hat, ging die Staatsanwaltschaft von Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall aus. 650.000 Euro sind für die insgesamt 16 Appartements (Sanierung mitgerechnet) bezahlt worden. Der eigentliche Wert der Wohnungen liegt laut Staatsanwaltschaft bei 1,1 Millionen Euro. 

Richter: "Korruption ist ein wenig wie Mundgeruch"

In der Urteilsbegründung führt Richter Bösl ein Zitat von Papst Franziskus an: „Der Korrupte nimmt seine Korruption nicht wahr, es ist ein wenig wie mit Mundgeruch. Man merkt es nicht, man muss es ihnen sagen.“ Das tue das Gericht nun mit der Urteilsbegründung. Je länger diese dauert, desto aufmerksamer wirkt der Alt-OB. Er sieht den Richter an und nickt von Zeit zu Zeit.

Der Andrang vor dem Landgericht Ingolstadt war am Dienstagmorgen groß. Nicht nur zahlreiche Journalisten, sondern auch viele Zuschauer sind vor Ort. Vor der Sicherheitskontrolle bildeten sich Schlangen, im Sitzungssaal wurden zum Beispiel Stühle für Zeugenvernehmungen in den Zuschauerraum geschafft, damit alle einen Sitzplatz bekommen.

Die Stadt Ingolstadt gibt nach dem Richterspruch in einer Pressemitteilung bekannt, dass Stadtverwaltung und Tochtergesellschaften prüfen werden, ob sie ihrerseits zivilrechtliche Forderungen gegen Lehmann erheben wollen, sobald das Urteil schriftlich vorliege.

Zudem habe Lehmann inzwischen schriftlich erklärt, er werde auf den Ehrentitel "Alt-Oberbürgermeister" dauerhaft verzichten. Die erste politische Reaktion kam vom SPD OB-Kandidaten Christian Scharpf. Es sei Zeit für einen politischen Neuanfang. „Die heutige strafrechtliche Verurteilung eines ehemaligen Oberbürgermeisters stellt einen Tiefpunkt in der Ingolstädter Kommunalpolitik dar.

 

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