Pförring
Vom Kramerladen zum Gardinenspezialisten

Hans und Ursula Reithmeier schließen nach 50 Jahren ihr Geschäft an der Marktstraße in Pförring

29.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:14 Uhr
50 Jahre lang führten Hans und Ursula Reithmeier ihr Textil- und Gardinengeschäft in Pförring. Zum 31. Dezember sperren sie den Laden zu, für den ihr Vorfahre Lorenz Reithmeier 1861 eine Konzession (unten) als Krämerladen erworben hatte. −Foto: Kügel

Pförring (DK) 50 Jahre lang haben Hans und Ursula Reithmeier das gleichnamige Geschäft an der Marktsstraße in Pförring geführt. In dieser Zeit krempelten sie den Kramerladen mit Lagerhaus zum Gardinen-Fachgeschäft um. Zum Jahresende schließen die beiden nun ihren Laden.

"1966 hat mein Großonkel auf dem Sterbebett vor Pfarrer und Bürgermeister sein Testament gemacht und mich zum Nachfolger für sein Lagerhaus bestimmt", erzählt Hans Reithmeier. Für den Einzelhandelskaufmann, der acht Monate zuvor nach seiner Lehre bei der Baywa "zum Barras" eingezogen worden war, war der Wehrdienst als Sanitäter damit beendet. Er zog von Landsberg nach Pförring und führte das Lagerhaus weiter. "Bei uns gab's alles vom Kükenfutter bis zum Blaukorn", beschreibt Hans Reithmeier das Angebot.

Erich Schlagenhaufer habe ihm geholfen, ganze Waggons voller Zentnersäcke mit Kunstdünger auszuladen und mit dem Bulldog vom Bahnhof Münchsmünster ins Lagerhaus nach Pförring zu fahren. "Alles musste von Hand auf- und abgeladen werden, auch die Zweizentnersäcke mit Getreide, die ich bei den Bauern gekauft habe", schildert der heute 75-Jährige die schwere und umständliche Arbeit. Wenn im Lagerhaus Luft war, half er seiner Großmutter Maria Reifenscheid und deren Schwester Lina Reithmeier, die nach wie vor hinter dem Tresen des Kramerladens standen, dessen Angebot vom Bonbon bis zum Blautuch reichte. "Die beiden Damen haben 365 Tage im Jahr gearbeitet, denn am Sonntag nach der Messe haben die Auswärtigen eingekauft", so Reithmeier.

Er selbst habe sonntags Reißaus genommen und sei zur Verwandtschaft nach Landshut gefahren. Dort bandelte er mit seiner späteren Frau an, die er schon von Kindesbeinen an kannte. "Uns hat sogar dieselbe Hebamme zur Welt gebracht und derselbe Pfarrer getauft", sagt Ursula Reithmeier lachend. Denn sein Großvater hatte in dritter Ehe ihre Stiefgroßmutter geheiratet. Und so kam es, daas die beiden nach ihrer Hochzeit 1968 das Geschäft übernahmen, in dem sie in den Ferien schon als Kinder mit sechs weiteren Cousins und Cousinen zwischen Ladenregalen und Getreidesäcken gespielt hatten.

Die Dachsenbergerin, eine Hellseherin aus Landsberg, habe zu ihrem Schwiegervater gesagt: "Karl, brauchst dich net kümmern, da wird schon alles recht, aber es bleibt kein Stein auf dem anderen", erzählt Ursula Reithmeier. So sei es dann auch gekommen. "Wir haben alle paar Jahre umgebaut." 1972 kam nicht nur das undichte Legschieferdach runter - als vorletztes in Pförring -, sondern das ganze Haus wurde entkernt, so dass die Auto-Union-Arbeiter, die vor dem Gebäude auf den Schichtbus warteten, schon glaubten, es würde einstürzen. 1974 hat Hans Reithmeier eigenhändig zusammen mit Hans Eggert das Lagerhaus abgebrochen, das nach dem Neubau des Raiffeisenlagerhauses nicht mehr konkurrenzfähig war.

Seine Frau Ursula, die in Landshut eine Lehre in einem Textilhaus gemacht und ein Faible für Innenausstattung hatte, krempelte derweil das Geschäft um und spezialisierte sich allmählich auf Vorhänge. Das Steckenpferd von Hans Reithmeier blieben die Schulsachen. Dafür sperrte er jahrzehntelang den Laden vor Schulbeginn auf. Und zu jedem Schulbeginn wurden nicht nur der halbe Laden umgeräumt, sondern auch die Kinder zu Oma und Opa nach Landshut ausquartiert.

Aber erst ein Gardinen-Vertreter habe sie überreden müssen, auch Vorhangschienen zu verkaufen und zu montieren. "Und Recht hat er gehabt", sagen die Reithmeiers unisono, die sich nicht nur in und um Pförring einen Namen als Fachgeschäft für Gardinen machten. Viele Kunden haben sie in Ingolstadt über die Miba geworben. In und um Pförring freuten sich die Leonhardimarktbesucher 25 Jahre lang wie Kinder aufs Christkindl auf die Ausstellung "Wohnen & Schenken" im Pförringer Jugendheim, die Ursula Reithmeier zusammen mit Annemarie Wirths und Gabriele Halbritter über viele Jahre organisiert hat. "Schaffen kann man das nur mit guten Leuten", geben die Reithmeiers gerne zu. Renate Schmidt, ihre dienstälteste Mitarbeiterin, sei oft genug nicht nur Näherin und Verkäuferin, sondern auch vierzehnte Nothelferin gewesen.

Und die Nachbarin Anneliese Forstner habe auf Tochter Petra und Sohn Florian aufgepasst. "Die Kinder mussten immer zurückstehen, vielleicht ist auch das der Grund, dass sie sich das mit dem Geschäft nicht antun wollen", sinniert Ursula Reithmeier. Ihr selbst würde die Arbeit nach wie vor Spaß machen. Deshalb ist sie auch nicht böse, dass sie jetzt, wo sich herumgesprochen hat, dass sie zum Jahresende aufhören, noch viele Aufträge von Stammkunden hereinkommen. "Aber irgendwann muss halt Schluss sein." Denn auch wenn sie nebenher Skifahrten organisiert, eine Badminton- und Kinderturngruppe gegründet und vom Kindergartenfest bis zum Leonhardimarkt vieles mitangeschoben haben, was heute in Pförring nicht mehr wegzudenken ist - Hans und Ursula Reithmeier sind immer noch neugierig auf so viele Sachen, für die ihnen das Geschäft bisher keine Zeit gelassen hat.

Für den Laden, für den Urgroßvater Lorenz Reithmeier 1861 eine Konzession als Kramerladen bekommen hat, gibt's noch keine konkreten Pläne. "Aber die Jungen - gemeint sind Sohn Florian und seine Frau Martina - lieben das Haus und seine Geschichte", wissen Hans und Ursula Reithmeier. Deshalb sind sie überzeugt: "Denen fällt schon was ein!"

Sebastian Kügel