Ingolstadt
Visionen erwünscht

IG Metall-Vorsitzender Jörg Hofmann spricht in Ingolstadt über den industriellen Wandel und seine Folgen

17.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:02 Uhr
Der Erste Bevollmächtigte Bernhard Stiedl (links im Bild). −Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) Der IG Metall geht es so blendend wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren.

Die Mitgliederzahl in Ingolstadt hat mit über 50.000 eine weiterhin stabil bleibende Marke erreicht, wie Bernhard Stiedl, Erster Bevollmächtigter der Geschäftsstelle Ingolstadt, jetzt auf der jüngsten Delegiertenversammlung erklärte.

Doch das Feld, das die Gewerkschaft derzeit noch so üppig für ihr Klientel bestellt, steht vor einem weitreichenden Umbau. Gemeint ist der industrielle Wandel, die Transformation eines gesamten Wirtschaftssektors, in deren Zuge auch eine neue digitale Arbeitswelt entsteht. Das Thema zieht sich seit Jahren durch die Reden auf Versammlungen und Kundgebungen der Metaller - nicht nur in der Region. Zu recht, wie führende Gewerkschafter sicher bestätigen werden. Denn sie wollen unter allen Umständen vermeiden, dass ihre Leute - die Arbeitnehmer in den Betrieben - beim Umbruch auf der Strecke bleiben.

Zeit zum Schulterklopfen, weil doch alles auf Grün stehe, die wollen sich die Metaller - auch vor dem Hintergrund des Gewerkschaftstages im Oktober - demnach nicht gönnen. Vielmehr liege ihr Fokus auf der Zeitenwende, auf dem Umbruch nach den Erfolgen und nach neun Jahren Hochkonjunktur, wie Gastredner Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, vor den Delegierten im Gewerkschaftshaus sagte. Hofmann gab einen Überblick über die derzeitige Situation bei der IG Metall. Eine seiner großen Sorgen für die Zukunft: Die befürchteten massiven Umbrüche in den Wertschöpfungsketten. Seine Forderung: Eine gerechte Transformation für alle Arbeitnehmer über die Stammbelegschaft hinaus. Man brauche Visionen, sowohl sozial, ökonomisch und den Klimaschutz betreffend. Die Elektromobilität müsse gangbar sein, um eine Abhängigkeit von Ländern wie China zu vermeiden. Als Beispiel nannte Hofmann den Ausbau des Netzes mit ausreichend elektrischen Ladesäulen. "Ohne grünen Strom keine grüne Mobilität", sagte er. Hofmann sprach sich in seiner Rede außerdem für eine Verlängerung des Bezugs von Arbeitslosengeld I und ein Transformationskurzarbeitergeld aus. Die Kurzarbeit habe sich schon 2009 in der Wirtschaftskrise bewährt.

Bereits zuvor ging Stiedl auf die bevorstehenden großen Strukturveränderungen in der Automobilindustrie ein. Ingolstadt als Automobilstandort sei davon besonders betroffen, die Herausforderungen seien enorm, sagte er und nannte als Beispiel die auf europäischer Ebene beschlossene CO2- Senkung der Flottenwerte bis 2030 um 37,5 Prozent. Dies erzwinge eine massive Elektrifizierung, so Stiedl. "Wir gehen davon aus, dass dann in Deutschland bis zu 50 Prozent der Neuzulassungen über einen elektrischen Antrieb verfügen müssen, um Strafzahlungen zu vermeiden. Im Moment bewegen wir uns bei einem Marktanteil von unter zwei Prozent", sagte er angesichts des kurzen Zeitraums von elf Jahren bis dahin. Er warf der Politik aber auch den Unternehmen vor, die Transformation verschlafen zu haben. Es müssten nun neue Mobilitätskonzepte und die Infrastruktur für eine ökologische Verkehrswende geliefert werden.

Die Automobilindustrie forderte er auf, Geld, das jetzt verdient werde, in den Strukturwandel fließen zu lassen, um betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen.

Michael Brandl