Ingolstadt
Verschnaufpause für alle Mieter

Initiatoren eines Volksbegehrens wollen für sechs Jahre keine Erhöhungen

11.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:52 Uhr
Problemfall: Der Eigentümer dieses Wohnblocks an der Ettinger Straße hat öfter gewechselt. Die Mieter bekommen es zu spüren −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Bundesweites Spitzenniveau in der Wirtschaftskraft und bei den Einkommen - damit macht Ingolstadt regelmäßig Schlagzeilen, wenn neue Statistiken vorgestellt werden.

Die Kehrseite der Medaille zeigt sich bei den stark gestiegenen Mieten, die einem Teil der Bevölkerung Angst machen. "Die Miete ist das halbe Leben", sagt Christian De Lapuente, besonders bei den Mitarbeitern von Audi-Zulieferfirmen wachse derzeit die Sorge.

Der DGB-Organisationssekretär warb am Freitag als einer von mehreren Initiatoren für das Volksbegehren "Sechs Jahre Mietenstopp". Auf den Weg gebracht hat die Initiative der Mieterverein München. Zum Bündnis der Unterstützer gehören auch in Ingolstadt die SPD, die Linke, der DGB und der örtliche Mieterverein. Dessen Vorsitzende Inge Diehl-Karsten weiß aus eigener Erfahrung in ihren Beratungen, welches "Riesenproblem für Mieter" es gerade in den Metropolregionen ist, noch eine bezahlbare Bleibe zu finden. Das Wort sozial komme "eigentlich nicht mehr vor", die Wohnungsmiete unterliege "nur noch der Marktwirtschaft", kritisierte sie am Freitag. Dabei sei "Mietrecht ein Menschenrecht".

Gerade in Ingolstadt habe sich die Mietpreisbremse als "zahnloser Tiger" erwiesen. Ein Mietspiegel sei von der politischen Mehrheit immer abgelehnt worden. Diehl-Karsten: "Mich wundert immer wieder, wie der OB zu der Aussage kommt, dass die Mieten in Ingolstadt stagnieren. Diese Aussage ist nicht haltbar. " Zumal sich Rathauschef Christian Lösel stets nur auf die Daten der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft beziehe.

Da die Politik in Bayern, was den Mietwohnungsmarkt betrifft, "vieles verschlafen" habe, seien die Leute unzufrieden, stellte die Sprecherin des Mietervereins fest. Eva Bulling-Schröter (Die Linke) zitierte aus Artikel 106 der Bayerischen Verfassung: "Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung. " In Ingolstadt lebten nicht nur Gutverdiener, sondern auch Verkäuferinnen, Alleinerziehende, Beschäftigte bei Zulieferfirmen.

Von ähnlichen Schicksalen berichtete Karoline Schwärzli-Bühler (SPD), von allein erziehenden Müttern und von Leiharbeitern aus Zulieferfirmen, denen für Zimmer in einer Pension 600 bis 800 Euro abgeknöpft werden. "Das ist die reine Abzocke, die da läuft. "

Die gemeinsame Initiative, die jetzt gestartet ist, peilt ein Volksbegehren an. Ihre Ziele: In angespannten bayerischen Wohnungsmärkten sechs Jahre keine Mieterhöhung; Einfrieren der Staffel- und Indexmieten; sozial verantwortliche Vermieter dürfen erhöhen, wenn sie damit nicht über 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen; Neubauten ab 1. Januar 2017 sind ausgenommen (der öffentlich geförderte Wohnungsbau ohnehin), da Investitionen nicht gebremst werden sollen; bei Wiedervermietungen und nach Modernisierungen soll maximal noch die ortsübliche Vergleichsmiete verlangt werden dürfen.

"Mit unserem Volksbegehren wollen wir eine Verschnaufpause für die 162 Gemeinden in Bayern erreichen, die besonders hart von den immer weiter steigenden Mieten betroffen sind", lautet der Appell der Initiatoren. Unterstützer können sich ab sofort in die Listen in den Büros des Mietervereins (Mauthstraße 2), des DGB, der SPD und der Linken eintragen. Zudem ist ein gemeinsamer Infostand geplant. Gültig sind jeweils nur die Unterschriften der Bewohner aus den einzelnen Kommunen.

Eine große Chance sei in Ingolstadt, Volksbegehren hin oder her, erst kürzlich auf dem Rietergelände verpasst worden, bedauerte DGB-Sprecher De Lapuente, der früher selbst dort beschäftigt war. Wenn man den Mietmarkt hätte entlasten wollen, sei es von der Stadt "komplett das Falsche" gewesen, den Grundstückskauf der privaten Gerch-Gruppe zu überlassen.