Niederfeld
Maximal bürgerfreundlich?

Auseinandersetzung um Erschließungsbeiträge in Niederfeld gehen in die nächste Runde

19.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:01 Uhr
Erschließung oder Ausbau - das ist die Frage. Sie entscheidet, ob und wie viel die Bürger in Niederfeld für die Sanierung der Rothenturmer Straße zahlen müssen. Einer der "Vorkämpfer" ist der Anlieger Karl Sokoll (Foto unten). −Foto: Eberl/Stückle

Niederfeld (DK) Einen Teilerfolg haben die Niederfelder in ihrem Kampf gegen die Erschließungsbeiträge für die Sanierung der Rothenturmer Straße erzielt: Die Baukosten für die Fahrbahn selbst - immerhin rund 540.000 Euro - sollen nicht auf sie umgelegt werden.

Tatsächlich scheint es so, als nehme die Auseinandersetzung der "Sprachrohre" der Bürger Niederfelds und der Verwaltung erst richtig Fahrt auf. Rainald Räthke jedenfalls fährt in einer Mail an den Baureferenten Alexander Ring von Ende Juli, die unserer Zeitung vorliegt, harte Geschütze auf. Von "bewusster Irreführung des Stadtrates durch Verschweigen vorliegender Tatsachen", ist da die Rede. "Sie nehmen mit Ihrem Verhalten in Kauf, dass die Entscheidung des Stadtrates unter falschen Voraussetzungen und somit zum Nachteil der Petenten gefällt wird." Räthke kündigt sogar eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Baureferenten an.

Es geht um die Petition der Niederfelder gegen die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für den Ausbau und die Verlegung der Rothenturmer Straße. Dieser wurde mit dem Abriss der Brücke über die alten Eisenbahngleise in der Ortsmitte nötig. Die Bürger wären danach zu 90 Prozent an der insgesamt rund 1,1 Millionen Euro (einschließlich Westteil) teuren Maßnahme beteiligt worden. Beiträge, die für den Westteil der Straße, der 2009 saniert wurde, gezahlt wurden, werden bei der jetzigen Neuberechnung der Gesamtmaßnahme angerechnet. Soweit die Vorgeschichte im Allgemeinen.

Bei den Vorwürfen gegen Ring geht es im Speziellen um eine Bescheinigung aus dem Jahr 1972, die Karl Sokoll, einer der Anwohner, der ebenfalls in Sachen Erschließungsgebühren mit der Stadt in regem Austausch steht, im Frühjahr mehr oder weniger zufällig entdeckt hat. Das Schreiben, das seit April auch der Verwaltung vorliegt, bescheinigt Sokoll, dass sein Grundstück in der Rothenturmer Straße erschlossen sei. "Die Erschließungsanlage Rothenturmer Straße ist endgültig hergestellt", heißt es darin. Das Schreiben kündigt Erschließungsbeiträge an, die von der Stadt aber nie erhoben worden sind. Für Sokoll und Räthke ein deutlicher Hinweis, dass die Straße, die es seit 1960 gibt, erschlossen ist und somit jetzt keine Erschließungsgebühren, sondern Straßenausbaubeiträge fällig geworden wären. Jenes Schreiben lag den Stadträten in ihren Sitzungsvorlagen im Sommer nicht vor - was Räthke erzürnte und zu dem harschen Angriff gegen den Baureferenten veranlasst hat.

"Von bewusster Irreführung ist keine Rede", sagt Rechtsreferent Dirk Müller zu den Vorwürfen gegen Ring. Tatsächlich habe man die Bescheinigung erst den nicht-öffentlichen Unterlagen der Oktober-Sitzung beigelegt, weil man es im Sommer - ohne die ausdrückliche Zustimmung Sokolls - aus Datenschutzgründen nicht in die Unterlagen habe aufnehmen können. "Sonst hätte man tatsächlich eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen mich machen können", so Ring.

Aus Sicht der Stadtverwaltung und der Regierung von Oberbayern ist die Bescheinigung rechtlich nicht bindend. Sie habe "lediglich zur Vorlage für eine Finanzierung gedient", so Müller. "Der eigentliche Bescheid wurde nicht zugestellt."

Der Normalbürger kenne den juristischen Unterschied zwischen einer Bescheinigung und einem Bescheid nicht, entgegnet Sokoll. Seiner Meinung nach ist die Forderung nach Erschließungsbeiträgen verjährt. Sokoll sieht das Schreiben nach wie vor als "Dreh- und Angelpunkt" in der Erschließungsfrage. Auch der von den Bürgern eingeschaltete Münchener Rechtsanwalt sehe gute Chancen, damit im Falle einer juristischen Auseinandersetzung Recht zu bekommen.

Wie Müller, Ring und Tiefbauamtschef Walter Hoferer in einem Gespräch mit unserer Zeitung betonen, habe die Verwaltung gar keine andere Möglichkeit, als für die Teilmaßnahmen wie Geh- und Radwege, Parkflächen, Beleuchtung und dergleichen Erschließungsbeiträge einzufordern. Mit der Entscheidung, die Kosten für die Fahrbahn als Straßenausbaumaßnahme anzusehen, habe man die "maximal bürgerfreundlichste Lösung" gefunden, so Ring. Ob dieser Punkt allerdings einer gerichtlichen Prüfung standhalten würde, sei nicht vorhersehbar. "Wir wollen dem Bürger nichts Schlechtes, müssen aber rechtlich sauber arbeiten", ergänzt Hoferer. "Sonst kommen die Rechnungsprüfer."

Dass der Stadtrat im Oktober nicht über die Petition der Niederfelder entschieden hat, könnte nach Ansicht Sokolls durchaus im Sinne der Bürger sein. Denn nun soll sich der Petitionsausschuss des Landtags mit der Sache befassen. "Wir haben jetzt wieder Handlungsspielraum."
 

Ruth Stückle