Ingolstadt
Alles voll

Der Regionalexpress von Ingolstadt nach München ist oft überfüllt - besonders, wenn das Oktoberfest läuft

30.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:31 Uhr
Drangvolle Enge herrscht regelmäßig im Regionalexpress über Ingolstadt, gerade in der Oktoberfestzeit - hier am Samstag. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Es hätte so ein wunderbares Oktoberfest sein können an diesem strahlend-schönen Samstag. Doch viele Ausflügler steigen am Ingolstädter Hauptbahnhof mit geballter Faust in der (Leder-)Hosentasche in den Regionalexpress von Nürnberg nach München. Fast alle Züge sind am Vormittag überfüllt. Und das ist oft so an Wochenenden. Auch die Bahn räumt ein, dass die beliebten Verbindungen mitunter überlastet seien. Sie kündigt Verbesserungen ab dem nächsten Jahr an.

Samstag, 10.03 Uhr, Gleis 3: Stefan Wagner steigt mit seiner Frau Claudia und weiteren rund 150 am Bahnsteig wartenden Trachtlern in den Regionalexpress (RE), der sie in nur 42 Minuten und mit lediglich zwei Stopps in die Landeshauptstadt bringt. Dutzende Reisende in den sieben stickigen Waggons stehen bereits. Jetzt werden es noch mehr. Wagner nimmt es mit Galgenhumor: "Da kann man wenigstens nicht mehr umfallen", ruft der 44-jährige Ingolstädter nach draußen. Er, seine Frau und ihr Bekannter Christian Lechermann aus Großmehring sind verärgert, dass die Bahn nicht mehr oder längere Züge einsetzt - gerade an Wochenenden und gerade zum Oktoberfest. "Voriges Jahr war der Regio so voll, dass ich gar nicht mehr einsteigen konnte", erzählt Lechermann, der wie die meisten anderen Wiesnbesucher das beliebte Bayern-Ticket gekauft hat.

Stefan Wagner hat festgestellt, dass der RE, der "flotter als die Regionalbahn unterwegs ist", auch an manch anderen Wochenenden überfüllt ist. So fuhr er am vergangenen Sonntag mit seinen Kindern zum Tierpark nach Nürnberg. Und der Zug sei "gerammelt voll" gewesen. Der Ingolstädter hält mit seiner Meinung über die Deutsche Bahn nicht hinterm Berg: "Früher war sie das größte Reiseunternehmen. Jetzt ist sie das Letzte!"

Um 10.05 Uhr rauscht auf Gleis 2 der nächste Regionalexpress heran. Auch der quillt bereits in Ingolstadt über mit feierwilligen Passagieren in Lederhose und Dirndl. Während der 16-tägigen Wiesn hat die Bahn an den Samstagen und Sonntagen jeweils vier zusätzliche RE- Züge über Ingolstadt im Angebot. "An den anderen Wochenenden fährt stündlich ein Regio - und zwar den ganzen Tag. Der wird wirklich gut genutzt", sagt am Samstagvormittag ein Bahnmitarbeiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Bereits seit 9.30 Uhr steht Justine Herrmann (33) mit ihren beiden Kindern in der prall gefüllten Wartehalle. Eine halbe Stunde später fährt sie mit dem Regionalexpress zum Oktoberfest. Dort besucht sie ihren Mann, der als Kellner tätig ist. "Ich will, dass mehr solcher Züge nach München fahren, oder dass moderne Doppelstockwagen eingesetzt werden", betont die Ingolstädterin. Früher hat sie in München gearbeitet und dabei fast täglich den RE genutzt. Da kam es ihren Worten zufolge häufig vor, dass "ich von Ingolstadt weg nur gestanden bin".

Harsche Kritik an der Bahn übt Matthias W. Der 40-Jährige, der täglich zur Arbeit nach München pendelt, wirft dem Unternehmen "Abzocke" vor. Er berichtet: "Es gibt am Morgen nur einen schnellen Regionalzug, der um 8.19 Uhr in Ingolstadt abfährt. Und der ist oft voll." Wenn also jemand morgens zügig in die Landeshauptstadt reisen wolle, sei er gezwungen, den ICE zu nehmen. "Und der ist natürlich viel teurer als der Regio."

Dieser Express-Zug aus Nürnberg, der aus ehemaligen Intercity-Wagen mit bequemen Sitzen besteht, sei "total beliebt", sagt ein Sprecher der Deutschen Bahn AG auf Nachfrage unserer Zeitung. "Er ist mit Tempo 200 nicht allzu langsam und kommt vor allem bei Ausflüglern gut an. Deshalb gibt es viel Verkehr hin und her." Ein "super Angebot" sei in diesem Zusammenhang das Bayern-Ticket, das am Wochenende bereits ab 0 Uhr gültig ist, so der Sprecher.

Die Bahn ist nicht dafür nicht zuständig, mehr oder längere Züge einzusetzen. "Den Schienenpersonennahverkehr organisiert das jeweilige Bundesland", erklärt der Bahn-Sprecher und fügt an: "Im Freistaat organisiert und bestellt die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) diese Zugleistungen. Dabei werden auch Fahrpläne, Fahrzeugkapazitäten und Ausstattungen per Verkehrsvertrag vorgegeben." Die Tochtergesellschaft der Bahn, die DB Regio, habe diese vorgegebenen Rahmenbedingungen zu erfüllen und könne weder Takte noch Wagenmaterial eigenständig ändern.

Natürlich ist es bei der Bahn dem Sprecher zufolge bekannt, dass der 2006 auf der Strecke zwischen Nürnberg und München in Betrieb genommene Regionalexpress häufig ausgelastet sei. "Wir geben unserem Besteller, der BEG, in solchen Fällen Rückmeldung, dass etwas nicht mehr passt", sagt er und verspricht: "Dann ändern wir was. Und auf dieser Linie wird sich etwas tun."

Konkret meint er damit die geplante Einführung einer neuen Fahrzeuggeneration, nämlich Doppelstockwagen des Herstellers Skoda. "Die neuen Fahrzeuge bieten mehr Kapazität und werden insbesondere mit stufenfreien Multifunktionsabteilen den Bedürfnissen moderner Mobilität gerecht", sagt der Bahn-Sprecher. Dass die Einführung dieser neuen Doppelstockwagen allerdings bereits seit fast genau zwei Jahren im Verzug ist (siehe eigener Bericht), heißt für viele Bahnreisende wieder einmal eines: sich in Geduld üben.

Aber die wird bei manchen an diesem sonnigen Samstag am Hauptbahnhof überstrapaziert. "Es wäre cooler, wenn gerade zum Oktoberfest mehr Regionalzüge fahren würden. Dann müssten wir nicht so lange stehen", sagen Claudia Keser (23) und Natalie Hilgers (23) am Bahnsteig 3 unisono.
 
"Lieferverzögerungen" bei Waggons
 Neben den vor zwei Jahren in Betrieb genommenen Doppelstockwagen des Herstellers Bombardier für die Regionalbahn zwischen Nürnberg und München über Treuchtlingen sollen neue Züge auch auf der Neubaustrecke zwischen Ingolstadt und Nürnberg fahren. Das allerdings eigentlich ebenfalls bereits seit 2016.

Nach mehrfachen Verzögerungen - zwischendurch hieß es, Ende 2018 sei es so weit - gibt es nun einen neuen Starttermin: Ab Frühjahr 2019 sollen die Doppelstockwagen des tschechischen Herstellers Skoda der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) zufolge mit modernen Hochgeschwindigkeitsloks mit fast 200 Kilometern pro Stunde eingesetzt werden.

Aufgrund von "Lieferverzögerungen" bei den verkehrsvertraglich vereinbarten neuen Fahrzeugen startete die DB Regio laut dem BEG-Pressesprecher im Dezember 2016 zunächst mit einem Ersatzkonzept auf Basis gebrauchter Doppelstockzüge (konventioneller Regionalzugverkehr) beziehungsweise mit den bisher eingesetzten so genannten hochgeschwindigkeitstauglichen Fahrzeugen des München-Nürnberg-Expresses.

"Aufgrund sehr hoher technischer Anforderungen an den Betrieb auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke verzögert sich beim München-Nürnberg-Express weiterhin die Auslieferung und Zulassung der neuen sechsteiligen, druckdichten Doppelstockzüge", merkt der BEG-Sprecher auf DK-Anfrage an.
 

Karlheinz Heimisch