Ingolstadt
"Die ganze Stadt für einen Euro am Tag"

Koalitionsvertrag sieht 365-Euro-Jahresticket für Busse in Ingolstadt vor

09.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:55 Uhr
Das Jahres-Busticket für 365 Euro? Laut Koalitionsvertrag der Staatsregierung soll das in Ingolstadt künftig möglich sein. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Für 365 Euro im Jahr Bus fahren so oft und wann man will? Nach dem Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern in Bayern soll dies in Ingolstadt künftig möglich sein. Wie in den anderen bayerischen Großstädten soll hier ein 365-Euro-Jahresticket für den Personennahverkehr eingeführt werden. Im Rathaus wird dieser Vorstoß im Grundsatz begrüßt. "Die ganze Stadt für einen Euro am Tag", schwärmt OB Christian Lösel (CSU). Er sieht darin einen "enormen Impuls für die Entlastung der Umwelt und der Straßen". Doch noch sind viele Fragen offen.

Seite 48 des 62 Seiten umfassenden Koalitionsvertrags der neuen bayerischen Staatsregierung sieht die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs als "Kernthema in einer mobilen Gesellschaft". Bayern, heißt es darin weiter, "soll ein Autoland bleiben und gleichzeitig einen erstklassigen und verlässlichen öffentlichen Nah- und Fernverkehr bieten". Im zweiten Absatz der Vereinbarung zum Thema "nachhaltige Mobilität" steht wörtlich: "Für die großen Städte München, Nürnberg/Fürth/Erlangen, Augsburg, Regensburg, Ingolstadt und Würzburg wollen wir auf Dauer ein 365-Euro-Jahresticket einführen. Auf dem Weg dorthin schaffen wir innerhalb der Verkehrsverbunde die Voraussetzungen für neue Tarifangebote für Jugendliche sowie Schülerinnen und Schüler."

Näheres über die Finanzierung, etwa, wie viel Geld der Freistaat dafür in die Hand nehmen wird, findet sich im Koalitionsvertrag nicht. Eine konkrete Zahl wird nur für die gleichzeitig geplante Stärkung des ÖPNV im ländlichen Raum genannt, wo die Zuweisungen von 75 Millionen Euro auf nahezu 100 Millionen Euro aufgestockt werden sollen. Deshalb legt Oberbürgermeister Christian Lösel, von unserer Zeitung nach der Position der Stadt zu der Koalitionsvereinbarung befragt, wert auf den Konjunktiv. Denn die Subventionierung des Tickets würde im ganzen Freistaat laut Lösel mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr kosten. Der OB geht davon aus, dass die Kosten vom Freistaat übernommen würden. Denn gerade kleinere Großstädte wie Fürth oder Erlangen, aber auch Ingolstadt, könnten eine solche Subventionierung nicht stemmen. "Wie sollten die Städte das leisten?", fragt Lösel. Im Bayerischen Städtetag wurde die Absichtserklärung bereits kritisch hinterfragt - weil das Versprechen bislang nicht finanziell hinterlegt ist (DK berichtete).

Bereits in der jüngeren Vergangenheit habe der Freistaat den Nahverkehr stark unterstützt, betont Lösel. Die Förderquoten für Anschaffungen seien gestiegen, aber auch Einzelprojekte seien großzügig bezuschusst worden. Lösel nennt diesbezüglich den Audi-Bahnhalt, für den mehrere Millionen Euro geflossen seien. Die Stadt sei dafür sehr dankbar. Die jetzige Koalitionsvereinbarung sei ein weiterer weit reichender Schritt. Würde das 365-Euro-Ticket kommen, wäre ein Tag Busfahren in etwa so teuer wie ein Liter Milch. "Das muss man sich mal vorstellen: Die ganze Stadt für einen Euro pro Tag." Gegenüber den bisherigen Kosten für ein Jahresticket von derzeit knapp 560 Euro wäre dies eine Einsparung um 40 Prozent. "Das wird Auswirkungen haben", so Lösel. Die Quote der Busnutzer würde ansteigen, und wenn die Nachfrage entsprechend groß und die Busse gefüllt seien, würde es auch mehr Angebot in Sachen Taktung und Verbindungen geben.

Eine Folge wäre möglicherweise auch, dass die Job-Tickets, deren Preis sich für die Nutzer bislang in ähnlicher Höhe wie die 365-Euro-Tickets bewegt, noch günstiger werden könnten. Der Rabatt beim Job-Ticket ergibt sich aus der Menge der verkauften Karten. Das Unternehmen nimmt der INVG zum genannten Job-Ticket-Preis soundsoviele Dauerkarten ab, stellt sie seinen Mitarbeitern zur Verfügung und diesen - unter Umständen noch einmal subventioniert - wiederum in Rechnung. Die Anzahl der verkauften Job-Tickets ist laut INVG-Geschäftsführer Robert Frank in den vergangenen acht Jahren um etwa ein Viertel auf mehrere Tausend gestiegen. Die Jahreskarte für aktuell genau 557,50 Euro im Stadtgebiet haben derzeit "etwa 200 bis 300 Ingolstädter".

Welche Auswirkungen das möglicherweise in einiger Zeit angebotene 365-Euro-Jahresticket auf den erst im September nach jahrzehntelanger Planung eingeführten Regionaltarif hat, ist - wie viele weiteren Dinge - noch unklar. Für die Umsetzung der Zielvereinbarung ist das Verkehrsministerium zuständig. Auch der städtische Umweltreferent Rupert Ebner sieht in dem 365-Euro-Ticket einen Schritt in die richtige Richtung. Doch damit allein sei es nicht getan. Ebner plädiert darüber hinaus für eine bessere Taktung und für die Aufstockung der Flotte durch E- statt Dieselbusse.

Weit weniger euphorisch, was das 365-Euro-Ticket anbelangt, ist Nahverkehrsexperte Ludwig Hörner vom Verkehrsclub Deutschland. Um den Nahverkehr zu stärken, sagt er, brauche es vor allem eine bessere Taktung und Linienführung. "Die Verkehrsprobleme in Ingolstadt entstehen durch die Einpendler von außen", so Hörner. Und für die gebe es das günstige Jahresticket wohl nicht. Denn dieses soll laut Koalitionsvertrag nur in den Großstädten angeboten werden.

Ruth Stückle