300.000 Euro unterschlagen?
Verhandlung gegen 54-Jährigen in Ingolstadt - Prozess vor zwei Jahren platzte wegen Handy

04.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:12 Uhr
  −Foto: dpa

Ingolstadt - Mittlerweile zum dritten Mal beschäftigt sich ein Gericht mit einer möglichen Unterschlagung im großen Stil: Einem heute 54-Jährigen aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen wird vorgeworfen, zwischen 2012 und 2015 rund 300 000 Euro aus Tankautomaten in Aichach, Schrobenhausen und Reichertshofen entnommen und für sich behalten zu haben. Zwei der vorangegangenen Prozesse sind allerdings nie mit einem Urteil beendet worden.

 

Anklage erhoben worden war 2017  am Amtsgericht Neuburg: Die dortige Schöffenrichterin hatte eine Strafe von mehr als vier Jahren Gefängnis für den Angeklagten für möglich gehalten, wenn alle Vorwürfe zuträfen und die Sache deshalb ans Landgericht verwiesen. Dort lief der auf mehrere Verhandlungstage angesetzte Prozess im September 2018 an – und platzte am zweiten Tag: Ein Schöffe hatte während einer Inaugenscheinnahme von Akten aufs Handy geblickt und eine Nachricht gelesen. Seither dümpelte die Anklage vor sich hin, seit Mittwoch wird sie nun neuerlich verhandelt. Dieses Mal sind neun Prozesstage vor der 1. Strafkammer angesetzt, wobei Richter Konrad Kiegl bereits angekündigte, dass wohl sechs reichen müssten. 

Nicht aber, wenn es in dem Tempo wie am ersten Tag weiter geht, an dem aus Zeitgründen sogar mehrere Zeugen vom Vorsitzenden abgeladen wurden. Denn: Die Verteidiger des Beschuldigten, Florian Englert und Klaus Wittmann (Levelingstraße) versuchten mit den identischen Anträgen von 2018 das Verfahren auszubremsen. Noch vor der Verlesung der Anklageschrift forderte Englert, den Schriftsatz  durch die Staatsanwaltschaft nacharbeiten zu lassen. Der Schrobenhausener Rechtsanwalt bewertete die Anklage als zu unkonkret, zudem sei der Vorwurf zum  mutmaßlichen Modus operandi des  Mandanten nicht im Detail beschrieben. 

Die Strafkammer wies den Antrag nach längerer Beratung als unbegründet zurück – ebenso wie den von Co-Verteidiger Wittmann, die Strafkammer sei angesichts der Vorwürfe und des umfassenden Verfahrens mit zwei hauptamtlichen Richtern und zwei Schöffen zu gering besetzt.  Im Lauf des Verhandlungstages drehte Wittmann dann die Strategie um und rügte die Zuständigkeit: Seiner Ansicht nach sei die Sache am Amtsgericht angeklagt worden, damit dort auch zu verhandeln und der Prozess am Landgericht auszusetzen. Aber auch hier scheiterte er an Landgerichtsvize Kiegl. 

Eine gute Viertelstunde lang trug schließlich Staatsanwältin Eser die einzelnen Tatvorwürfe aus der Anklageschrift vor: 85-mal soll der 54-Jährige zwischen 2012 und 2015 die Tresorkassen von Tankautomaten in Schrobenhausen, Aichach und Reichertshofen geleert, das Geld aber nicht in der Firma abgeliefert, sondern für sich behalten haben. Der Mann war seit 2005 bei einer Tankstellenfirma im südlichen Landkreis Neuburg-Schrobenhausen angestellt. 

Die Firma hat sich über ein sogenanntes Adhäsionsverfahren an die Strafsache drangehängt und will auf diesem Wege ihre zivilrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Beschuldigten durchsetzen: den mutmaßlich unterschlagenen Geldbetrag von insgesamt 299 005 Euro zuzüglich Zinsen.  Der 54-Jährige schwieg gegenüber dem Gericht zu den Vorwürfen – wie er es bereits vor zwei Jahren beim ersten Prozess getan hatte. Gegenüber der Polizei hatte er zu einem früheren Zeitpunkt noch umfangreiche Angaben zu den Vorwürfen gemacht und diese zurückgewiesen. Am Nachmittag wurden Zeugen gehört: unter anderem der technische Leiter der Herstellungsfirma der Tankstellenautomaten. Er erläuterte deren Funktionsweise. Der Prozess soll am 18. November fortgesetzt werden.

Marco Schneider