Böhmfeld
"Unerträgliche Arroganz der Macht"

Entspannte Atmosphäre, aber klare Worte gegen die CSU beim Wahlkampfauftakt der Landkreis-SPD

20.07.2018 | Stand 23.09.2023, 4:10 Uhr
Nutzten nach der Podiumsdiskussion noch die Gelegenheit für persönliche Gespräche im Innenhof des Kotterhofanwesens: Andrea Mickel (Bezirkstagskandidatin), Christian De Lapuente (Landtagskandidat), Moderatorin Josephine Harris (Juso-Vorsitzende) und Markus Rinderspacher (Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion). −Foto: Fotos: Straßer

Böhmfeld (DK) Genosse Norbert spielt Schlager, es gibt rote Fähnchen und Schnittchen für alle - beim Wahlkampfauftakt im Landkreis zeigt sich die SPD basisnah. Und kämpferisch: Ein Signal gegen Rechtspopulismus und antidemokratische Tendenzen will man setzen an diesem Donnerstagabend im Böhmfelder Kotterhof und zeigen, dass schlechte Umfragewerte noch keine verlorene Wahl sind.

Auch wenn man sich, wie der gastgebende Böhmfelder Bürgermeister Alfred Ostermeier eingangs sagt, "an den Kopf langen" müsse angesichts der 13 Prozent, die gerade der jüngste "BayernTrend zur Landtagswahl " für die bayerischen Sozialdemokraten ausgewiesen hatte. "Es muss ein Signal ausgehen von heute Abend! Und die Voraussetzungen sind nicht schlecht: Mit Andrea Mickel und Christian De Lapuente haben wir zwei sympathische Kandidaten mit Lebens- und Berufserfahrung, die beiden gehören in den Bezirkstag und den Landtag." Es gehe aber, so Ostermeier, bei der Landtagswahl im Oktober um mehr: "Wenn ich mir die rechtspopulistische Wahlkampfpropaganda der CSU anschaue, dann geht's auch drum, dass wir sagen: Bis hier hin und nicht weiter, wir stehen für die Werte der Aufklärung und Europas ein."

Zu Gast auf dem Podium ist neben Mickel und De Lapuente Markus Rinderspacher, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Er gibt sich optimistisch und kämpferisch: "Ja, die Umfragewerte für die SPD sind bescheiden, aber die waren noch nie gut. Und die CSU hat nur noch 38 Prozent. Wir müssen keine Zweidrittelmehrheit mehr bekämpfen, alles ist in Bewegung." Und das sei auch wichtig, denn "die Arroganz der Macht war in den letzten Jahren unerträglich", beschreibt er seine Erfahrungen mit der CSU im bayerischen Landtag: "Die beugen und dehnen das Recht, wie sie wollen. Die möchten aus Bayern ein autoritäres Land nach dem Vorbild von Victor Orban machen. Dieser Rechtsdrift ist nicht nur fürs Bierzelt. Das können sie aber nur, weil sie alleine regieren - wenn der CSU jetzt mal die Rote Karte gezeigt wird im Oktober, dann hat unser Land wirklich was davon." Wer denn eventuell mit der CSU regieren könnte? Eine Koalitionsaussage wolle er definitiv nicht machen, erklärt Rinderspacher, "aber auch keine Ausschließeritis betreiben, außer natürlich in Richtung der AfD".

Eine "lockere Talkrunde", wie es in der Einladung hieß, sollte die Podiumsdiskussion zum Wahlkampfauftakt im Böhmfelder Kotterhof sein. Tatsächlich gelingt es Moderatorin Josephine Harris, Vorsitzende der Jusos im Unterbezirk Eichstätt, mit den Kandidaten Mickel und De Lapuente sowie Gast Rinderspacher in ungezwungener Atmosphäre ein echtes, oft von Humor geprägtes Gespräch zu führen, dass bei den etwa 50 anwesenden Genossinnen und Genossen sehr gut ankommt.

Der Fokus liegt natürlich auf den politischen Zielen der Kandidaten. Auf die Frage nach ihrer Lieblingsstelle im Wahlprogramm setzen diese ganz individuelle Schwerpunkte: "Die Forderung nach einem Tariftreuegesetz in Bayern, das ist mir als Gewerkschaftler wichtig", sagt Christian De Lapuente. Es könne nicht angehen, dass auf bayerischen Baustellen "die Leute 14 Stunden am Stück arbeiten und ihr Geld nicht bekommen". Andrea Mickel liegt der soziale Wohnungsbau am Herzen: "Die Menschen brauchen Wohnraum, den sie sich leisten können. Da sollten die Gemeinden nicht mit alleingelassen werden. Außerdem fehlen Wohnungen für behinderte Erwachsene - im ganzen Landkreis Eichstätt gibt es für diese Menschen keine einzige Wohngruppe." De Lapuente stimmt zu: "Der angespannte Wohnungsmarkt ist längst nicht mehr ein reines Ingolstädter Problem. Es gibt Menschen im Landkreis, die ihr halbes Einkommen für die Miete ausgeben müssen, oder Rentner, die sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten können."

Söders groß angekündigtes "BayernHeim"-Projekt sei da nur ein Tropfen auf den heißen Stein - und, wenn man an der Verkauf der 33000 GBW-Wohnungen im Jahr 2013 denke, auch eine Farce, ist man sich einig. Der Untersuchungsausschuss des Landtages habe "glasklar nachgewiesen", dass es auch Alternativem zum Verkauf gegeben hätte, betont Markus Rinderspacher. Nur hätten sich weder der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer noch der damalige Finanzminister Markus Söder darum bemüht. "Bezahlbarer Wohnraum ist heute für die Bevölkerung ein sehr wichtiges Thema, wie Umfragen zeigen. Das ist auch eine Chance für die SPD als Mieterschutzpartei."

Zumindest, wenn die Partei es in den nächsten drei Monaten schaffe, ihre Erfolge und ihre Ideen besser darzustellen - darüber sind sich Andrea Mickel und Christian De Lapuente einig: Es müsse mehr mit den Menschen geredet werden, gerade im direkten Kontakt vor Ort, sagen beide. Dieser Donnerstagabend in Böhmfeld sei da schon mal ein guter Anfang. De Lapuente: "Wenn man dann in einem Jahr sieht, dass sich was bewegt im Land, wenn es keine Mehrheitspartei gibt, wenn wieder Kompromisse getroffen werden, wenn Entscheidungen auch wieder nach Sinnhaftigkeit und nicht nach Parteibuch getroffen werden im Landtag - das wäre für mich ein Erfolg."

Katrin Straßer