Ingolstadt
Angeklagter fordert für sich die Höchststrafe

Plädoyers im Obdachlosenprozess

12.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:56 Uhr
Zehn Jahre Haft und stationären Alkoholentzug forderte die Staatsanwältin für den 49-jährigen Angeklagten. Dessen Verteidiger beantragten am Montag sechs Jahre Haft, die für die Entziehungskur ausgesetzt werden. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Im Landgerichtsprozess um den gewaltsamen Tod einer 34-Jährigen in der städtischen Obdachlosenunterkunft am Franziskanerwasser hielten die Staatsanwältin und die Verteidigung am Montagnachmittag ihre Plädoyers. Der Angeklagte überraschte mit emotionalen letzten Worten, in denen er für sich die Höchststrafe forderte. Würde es sie im deutschen Strafrecht geben, wäre aus seiner Sicht auch die Todesstrafe angemessen.

Mit einer Offenheit und wohlformulierten Worten, wie sie bei einem Alkoholkranken und Wohnungslosen wohl kaum zu erwarten wären, hat der 49-Jährige die Schlussanträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung überstrahlt. Er gebe alles zu, sagt der Mann, der seine Lebensgefährtin im September 2017 erschlagen haben soll. Sei starb an einer Gehirnblutung. "Es bestehen keine Zweifel, dass sie durch mich ihr Leben verloren hat." Er habe großes Leid über die Freundin, deren Familie und seine eigene Familie gebracht. "Ich würde allen sagen, wie leid es mir tut, aber es gibt keine Entschuldigung."

Mit einer sehr ungewöhnlichen Bitte trat er an die Schwurkammer heran: Sie möge sich die Bilder mit den Verletzungen der 34-Jährigen, die er über Monate mehrfach schon grün und blau geschlagen hatte, unbedingt vor der Urteilsfindung noch einmal ansehen und in die Entscheidung einfließen lassen. Das Strafgesetzbuch habe "leider nicht die Strafe drin, die ich für mich geben wünsche". Statt eben der Todesstrafe bat er darum, "mir die Höchststrafe zu geben".

Das würde nach dem Gesetzesrahmen lebenslange Haft sein. Doch das dürfte wohl kaum eintreten. Die Kernfrage - auch wenn es der Angeklagte nach eigenen Worten nicht versteht - dreht sich darum, ob beim gewaltsamen Tod der Frau eine Totschlagshandlung oder die deutlich geringer sanktionierte Körperverletzung mit Todesfolge verwirklicht ist. Heißt: Ob der Tod zumindest billigend in Kauf genommen wurde oder keinerlei Tötungsabsicht bestand. Während die Anklagevertreterin von einem Totschlag ausgeht, sehen die Verteidiger eine Körperverletzung mit Todesfolge verwirklicht. Ihre entsprechenden Anträge gehen deshalb auseinander: Die Staatsanwältin fordert zehn Jahre Gefängnis und eine stationäre Entziehungskur für den alkoholkranken Obdachlosen. Dessen Anwälte wollen eine Gefängnisstrafe von sechs Jahren, die aber für den Alkoholentzug ausgesetzt bleibt.

Die 1. Strafkammer des Landgerichts wird ihr Urteil am kommenden Freitag verkünden.

Christian Rehberger