Ingolstadt
Telekolleg Physik

Informationsveranstaltung über 5G-Mobilfunk bietet viel Fachjargon und eine Botschaft: Technik unbedenklich

03.12.2020 | Stand 06.12.2020, 3:33 Uhr
Der neue Mobilfunkstandard 5G wird flächendeckend ausgebaut, hier Arbeiten an einem Funkmasten in der Nähe des Audi-Werks. Das Unbehagen gegenüber dieser Technik ist verbreitet. −Foto: Eberl

Ingolstadt - Im Frequenzbereich zwischen 400 Megahertz (MHz) und vier Gigahertz (GHz) gibt es viel Aufregendes zu entdecken.

Vor allem dann, wenn man nicht Physik studiert hat und das erste Mal von den Feinheiten der Leistungsflussdichte (W/m2) oder der mannigfachen Anwendungsvariabilität hochfrequenter elektromagnetischer Felder hört. Wir merken uns: Bei einem Fernseher (analog, digital) liegt die Frequenz zwischen 174 und 790 MHz, bei einem Mikrowellenkochgerät bei rund 2,4 GHz und bei der Mobilfunktechnik der neusten Generation (5G) ist die Frequenz "perspektivisch" größer als 20 GHz. Aber was das in der Praxis bedeutet, hängt von zig komplexen Faktoren ab.

In der Welt der Wellen

Ein abgeschlossenes Physikstudium hätte nicht geschadet, um die Online-Informationsveranstaltung des städtischen Unternehmens IFG zum Thema Mobilfunkstandard 5G vollständig zu verstehen. Die drei Experten - per Zoom zu einer Konferenz zusammengeschaltet - unternahmen phasenweise weite Exkurse in die Welt der Wellen und der Wärmelehre. Wie ein Telekolleg Physik, hätte man in der Zeit vor dem World Wide Web gesagt, als es für Distanzunterricht nur das Fernsehen gab. Aber als ernsthafte Wissenschaftler boten Georg Rosenfeld, Bernhard Brenner und Jens Kuhne auf dem komplexen Terrain des Mobilfunks und seiner Einwirkung auf den Körper des Menschen betont differenzierte Betrachtungen. Zentrale Erkenntnisse brachten sie ohne Fachlatein über das Netz: Die 5G-Technik sei nichts wirklich Neues, funktioniere aber anders. Und damit effektiver. Niemand müsse vor 5G Angst haben. "Es fallen deshalb keine Vögel tot vom Himmel. " Das Coronavirus werde auch nicht von 5G ausgelöst, wie man immer wieder lese, sagte Kuhne. Beim Insektensterben - noch so eine wilde, im Internet populäre Behauptung - "spielen Pestizide eine tragende Rolle", Handys könnten nichts dafür.

"Keine Werbung für 5G"

Kuhne ist wissenschaftlicher Referent im Bundesamt für Strahlenschutz. Brenner arbeitet im Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Rosenfeld, ebenfalls Physiker, ist Ingolstädter Wirtschaftsreferent und IFG-Vorstand. Es moderierte Franz Glatz, Geschäftsführer des digitalen Gründerzentrums brigk. Dass die Informationsveranstaltung an einem Werktag zwischen 15 und 17 Uhr stattfand, stieß auf Kritik (siehe Kasten).

Es sei nicht seine Aufgabe, "Werbung für 5G zu machen", betonte Kuhne. "Das überlasse ich der Industrie. " Grundsätzlich sei der Mobilfunkstandard "nicht so neu, wie es wahrgenommen wird". 5G schaffe zusätzliche Kapazitäten und könne "Strahlungsleistung zielgenauer abgeben".

Die gesundheitlichen Folgen des Mobilfunks seien gut untersucht, so Kuhne. Nach heutigem Kenntnisstand könne man feststellen: "Bei Einhaltung der Grenzwerte sind keine gesundheitsschädigenden Effekte zu erwarten. " Zusammenhänge zwischen Handystrahlung und der Entstehung von Tumoren seien schwer zu verifizieren. "Dann müsste man fragen: Wie oft haben Sie in den vergangenen 15 Jahren telefoniert? "

Strahlung, die Bäume grillt

Bernhard Brenner erläuterte den Zusehern das breite Spektrum der Feldstärken. Ein Handy in der Hand strahle demnach mehr als ein Sendemast auf dem Dach. "Der überwiegende Anteil der körpernahen Felder stammt von körpernahen Endgeräten wie Handys oder DECT-Geräten", also schnurlosen Telefonen. Die Strahlung nehme mit der Entfernung schnell ab. Deshalb verringere man die Strahlendosis signifikant, wenn man "das Tablet auf dem Schoß ein Stück weiter weghält. "

Bäume können indes nicht ausweichen. Liegen sie in direkter Nähe eines Funkmasten, "kann es sein, dass die Blätter von der Strahlung gegrillt werden und davon welk werden".

Mit dieser dramatischen Erzählung leitete Brenner auf ein heikles Thema über: die Einwirkung des 5G-Mobilfunks auf den Körper. Einen karzinogenen, also Krebs auslösenden Effekt der Strahlung, habe man "nicht verifizieren können". Es sei wahrscheinlich, "dass rotes Fleisch eine Stufe krebserregender ist als Handynutzung. " Diese Feststellung animierte eine Teilnehmerin des Zoom-Meetings später im Chat zu der Bemerkung: Rotes Fleisch könne man vermeiden, 5G-Mobilfunk jedoch nicht.

Man müsse vor dieser Technologie keine Angst haben, sagte Brenner. "Sie ist nichts wirklich Neues. 5G nutzt das gleiche Frequenzspektrum wie 4G und WLAN. " Bei 5G seien "die Feldstärken beim Senden variabler, nicht stärker". Eine krebserregende Wirkung von 5G sei ausgeschlossen. "Es geht hier nur um Wärmeentwicklung. " Beim Mobilfunk würden die Strahlen nur oberflächliche Hautschichten erfassen, "die Wellen können gar nicht tiefer eindringen, zum Beispiel in den Schädel".

Es gebe deshalb auch "keinen ursächlichen Zusammenhang" zwischen elektromagnetischen Feldern und körperlichen Beschwerden, Stichworte Elektrosmog und Sensitivität. Brenner: "Da ist nichts dran! Das ist eine falsche Ursachenzuschreibung bei körperlichen Beschwerden. Die beschriebenen Symptome sind unspezifisch, das sind alles Einzelfallberichte mit geringer Beweiskraft. " Wer in der Nähe eines Funkmasten wohne und sich in Elektrosmogangst "rein-steigert", leide wohl deshalb an Schlafstörungen; mit der Strahlung habe das nichts zu tun.

Nicht jeder Teilnehmer der Online-Konferenz schloss sich dieser Auffassung an. Im Chat wurden kritische Frage gestellt. Die Debatte um die 5G-Technologie wird fortdauern.

DK