Ingolstadt
Tankstellenraub als Existenzkampf

Albaner müssen sich wegen Überfällen im Februar verantworten - Auch Raub in Wohnhaus Teil der Anklage

14.10.2019 | Stand 23.09.2023, 8:59 Uhr
Die Jet-Tankstelle an der Schillerstraße war am 28. Februar das Ziel der Räuber. Sechs Tage später wurden die mutmaßlichen Täter festgenommen. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Eine Serie von Tankstellenüberfällen hat zu Jahresbeginn in Ingolstadt für einige Unruhe gesorgt.

Seit gestern müssen sich wegen zwei dieser Vorfälle und wegen eines Raubüberfalls auf zwei Frauen in einem Einfamilienhaus drei junge Albaner vor einer Jugendkammer des Landgerichts verantworten. Die Männer im Alter von 19, 20 und 24 Jahren sind weitgehend geständig und wollen aus wirtschaftlicher Not gehandelt haben. Für das auf drei Verhandlungstage angesetzte Verfahren sind 14 Zeugen geladen.

Tankstellenüberfälle sind wegen der in der Regel nur relativ geringen Kassenbestände und durchgehender Videoüberwachung in den Stationen ziemlich aus der Mode gekommen. Dass es im vergangenen Februar in Ingolstadt dennoch gleich eine ganze Reihe solcher Übergriffe gab, bei denen maskierte Täter wiederholt mit einem vorgehaltenen Messer Kassenpersonal bedroht und so Zugriff auf Bargeldbestände erlangt hatten, wurde in der Öffentlichkeit mit großer Sorge wahrgenommen. Vor dem Landgericht geht es jetzt um die Überfälle auf die Edeka-Station an der Lena-Christ-Straße am 19.Februar und auf die Jet-Station an der Schillerstraße am 28.Februar.

Als besonders dreist war auch ein vorausgegangener Überfall auf zwei Frauen in einem Wohnhaus an der Gerolfinger Straße empfunden worden. Sie waren am 11. Februar zur Mittagszeit, ebenfalls mit vorgehaltenem Messer, zur Herausgabe von Geld und Schmuck gezwungen worden.

Als mutmaßliche Täter waren nach wiederholter Öffentlichkeitsfahndung der Polizei (unter anderem mit Fotos im DK) und einem entscheidenden Zeugenhinweis am 6.März die jetzt angeklagten Männer an der Manchinger Straße nahe der Autobahnbrücke festgenommen worden. Sie hatten sich offenbar bereits eine ganze Weile ziemlich mittellos auf Arbeitssuche in Ingolstadt herumgetrieben.

Im Strafverfahren geht es jetzt auch darum, in welcher "Besetzung" die Albaner bei dem Wohnhausüberfall aufgetreten sind. Während die Staatsanwaltschaft bislang davon ausgeht, dass hier alle drei im Bunde waren, bestreitet der älteste Angeklagte jede Beteiligung. Auch die beiden jüngeren Männer gaben vor Gericht an, diese Aktion stark angetrunken alleine durchgezogen zu haben.

Die Täter hatten an der Gerolfinger Straße laut Anklageschrift Bargeld und Schmuck sowie eine wertvolle Armbanduhr im Gesamtwert von gut 4000 Euro erbeutet. Bei den Tankstellenüberfällen waren einmal gut 500 und einmal knapp 1000 Euro in Scheinen aus den Kassen gegriffen worden. In dem Wohnhaus hatten die mit Schal und Kapuze maskierten Männer, denen von der Tochter der Eigentümer nach Läuten arglos geöffnet worden war, den angetroffenen Frauen ihre Halsketten vom Körper gerissen. Besonders kurios: Beide Frauen sollen von den Tätern auf Wangen, Mund und Hals geküsst worden sein. Von der Polizei konnten entsprechende DNA-Spuren gesichert werden.

Die überfallenen Kassiererinnen der beiden Tankstellen schilderten dem Gericht gestern ihre damaligen Erlebnisse - eine angesichts der nachhaltigen dramatischen Eindrücke unter Tränen. "Du hast keine Ahnung, was du einem Menschen antust", sagte die Frau in Reaktion auf den Entschuldigungsversuch eines der Angeklagten. Sie war nach dem Vorfall sechs Wochen in einer Therapie gewesen und hat inzwischen den Job gewechselt. Die andere Frau sagte aus, dass sie in ihrer Station nach wie vor Angst verspürt, wenn junge Kunden mit Bärten und Kappen den Kassenraum betreten.

Über solche Folgen ihres Vorgehens hatten sich die Täter womöglich keine großen Gedanken gemacht. Alle drei Angeklagten geben an, wegen ihrer ausweglos erscheinenden finanziellen Lage kriminell geworden zu sein. Sie hätten in Ingolstadt nicht wirklich Fuß fassen können und seien schließlich aus purer Geldnot auf die Idee gekommen, sich durch Überfälle oder Einbrüche über Wasser zu halten. "Es war ein Kampf - es ging ums Überleben", sagte der 24-jährige Angeklagte, der auch die Idee zu den Tankstellenüberfällen gehabt haben will, recht theatralisch vor der Jugendkammer.

Dieser junge Mann, der sich angeblich bereits seit Ende 2017 in Ingolstadt aufgehalten hat, würde im Falle eines Schuldspruchs nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen sein. Die beiden jüngeren Angeklagten fallen als Heranwachsende noch unter das Jugendstrafrecht. Alle sind offenbar in ihrer Heimat in eher bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und hatten sich in Deutschland eine durchgreifende Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse erhofft. Den Männern drohen bei einer Verurteilung wegen schweren Raubes durchweg höhere Haftstrafen. Zudem dürfte nach einer Teilverbüßung beizeiten auch die Abschiebung nach Albanien anstehen. Das Verfahren soll am Freitag fortgesetzt werden.

Bernd Heimerl