Ingolstadt
Stunden der Ungewissheit im Klinikum

Faustschlag mit Todesfolge, vierter Verhandlungstag: Arzt sieht einen Zusammenhang von Hirnblutung und Krampfanfall

19.02.2019 | Stand 23.09.2023, 6:00 Uhr

Ingolstadt (DK) Nach einer Party in der Nacht zum 11. Juni 2016 in der Bar Touch Down soll ein Gast an den Folgen eines Faustschlags gestorben sein, als er sich nach drei Uhr mit einem Bekannten zum Prügeln vor der Tür verabredet hatte.

Am vierten Verhandlungstag vor dem Landgericht schilderten gestern zwei Ärzte als sachverständige Zeugen die Stunden nach der handgreiflichen Auseinandersetzung im Ingolstädter Klinikum.

Dabei kam eine überraschende Erklärung zur Sprache. Der operierende Neurochirurg dieser Nacht, der den Eingelieferten nicht retten konnte, erzählte: In der medizinischen Akte habe eine Schlägerei als Verletzungsursache gestanden, "aber meiner Meinung nach war es eine Blutung, die durch einen Krampfanfall verursacht wurde". Der verstorbene 27-Jährige habe eine medizinische Vorgeschichte: Bereits am 25. März 2015 sei dieser mit einem Krampfanfall im Klinikum eingeliefert worden. Der sei offenbar eine Folge des Mischkonsums von Alkohol (2,7 Promille wurden bei der Untersuchung festgestellt) und einer "Kräutermischung", einer Droge mit Cannabis, gewesen, so der Arzt. Einen erneuten Krampfanfall in der Nacht des Faustschlags schließt der Neurochirurg deshalb nicht aus. Einen halben Tag nach der Aufnahme ins Klinikum operierte er den Patienten, da die Blutung zugenommen hatte. Er konnte ihn nicht mehr retten. "Die Blutung konnte man nicht mehr entfernen", erklärte der Mediziner.

Wenige Stunden zuvor erschien die Lage noch nicht so brisant: Es sei in der Nacht eine "unklare Situation" gewesen, da er keine genauen Informationen vom Rettungsdienst erhalten habe, berichtet ein Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie der Strafkammer. Der 33-Jährige beruft sich in seiner Aussage auf den Bericht, den er auch als Zweiseiter den Richtern vorlegte. In Begleitung des Notarztes hätte das Rettungspersonal die Übernahme gemacht: Es hieß, man habe den Verletzten "am Boden liegend vorgefunden", er sei wohl zusammengeschlagen worden. Mehr Informationen habe er nicht bekommen. "Der Patient war stark alkoholisiert, aber erweckbar", erinnert sich der Facharzt. Das Opfer hätte ihm gesagt, ihm täte alles weh. Sonst habe sich der Verletzte nicht weiter über seine Beschwerden äußern können. Nur die Schulter schmerzte ihm, aber er könnte nicht sagen, welche. Der Patient hätte desorientiert gewirkt.

Die Diagnose des Mediziners: eine Schädelprellung, neben einer Platzwunde über der Augenbraue noch weitere Platzwunden, eine Prellung des Brustkorbs. Abgesehen von den äußeren Erscheinungen hätte es keine größeren Verletzungen gegeben, meint der Mediziner rückblickend. Die Untersuchung zeigte, dass der stark betrunkene Patient eine Hirnblutung hatte.

"Die massivste Verletzung war die intrakranielle Blutung, also die Hirnblutung", sagt der Arzt. Um 5 Uhr sei der Patient auf die Überwachungsstation gekommen. Er habe ihn "konservativ" behandelt, ohne operative Versorgung, so der sachverständige Zeuge. Aufgrund des alkoholisierten Zustands des Patienten hätte der Facharzt keine Medikamente geben wollen, lediglich Kochsalzlösung. Um 7.30 Uhr sei der Unfallchirurg schließlich abgelöst worden. "Haben Sie die Situation als lebensbedrohlich erachtet? ", fragt Richter Jochen Bösl den Zeugen. Dessen Antwort: "Möglich. " Noch während der OP starb der 27-jährige Verletzte an seiner Gehirnblutung.

Auf Nachfrage von Verteidiger Klaus Wittmann (Levelingstraße), ob der operierende Neurochirurg einen Zusammenhang mit der Schlägerei sehe, meint der Arzt: "Auslöser von Gehirnblutungen sind oft Schlafmangel und Stress. Es könnte sein, dass es ein Krampfanfall war", meint er. "Noch Fragen? " Der Angeklagte hebt den Finger, Wittmann schaltet sein eigenes Mikrofon aus, bespricht sich mit seinem Mandanten - keine Fragen mehr. Es wäre gestern das erste Mal gewesen, dass sich der Angeklagte in der Verhandlung zu Wort gemeldet hätte. Bisher schweigt er zu allen Vorwürfen. Der fünfte von insgesamt acht geplanten Verhandlungstagen beginnt morgen um 9.15 Uhr im Landgericht.

Anna Hausmann