Ingolstadt
Stolz trotz Niederlage

WM-Finale: Kroaten in Ingolstadt fiebern mit - im Café und in einer Garage in Etting

15.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:53 Uhr
Autokorso am Schliffelmarkt: Die kroatischen Fußballfans nahmen das Ergebnis sportlich und freuten sich auch über den Vizeweltmeistertitel. Hupend und Fahnen schwenkend fuhren sie durch die Innenstadt. −Foto: Foto: Stark

Ingolstadt/Etting (DK) Im Herzen zeigten sie sich unbezwingbar, die Fans der kroatischen Fußballnationalmannschaft in Ingolstadt. Trotz der letztendlich deutlichen Niederlage mit 4:2 gegen Frankreich gestern beim Finale der Fußballweltmeisterschaft in Russland feierten sie den zuvor nicht für möglich gehaltenen Triumph.

Den Einzug ins Endspiel in Moskau. Was für viele zählte, war der Moment, und der wurde nach dem Schlusspfiff mit reichlich südeuropäischem Temperament ausgekostet. Mit Viel Applaus, endlosen lauten Gesängen, rhythmischen Trommelklängen, vor Freude erhobenen Händen und dem einen oder anderen Bier. Prost dem Vizeweltmeister! Sogar der Versuch eines Autokorsos bahnte sich in der Innenstadt an. Sehr viel mehr als ein Minikonvoi aus vier, fünf Wagen sprang dabei allerdings kurz nach Ende der Partie nicht heraus - die darunter befindlichen französischen Fans in ihren Autos schon mit eingerechnet.

Trotz aller Jubelarien, die durch die Innenstadt klangen - "ein bisschen Wehmut ist schon dabei", räumte Mama Darija vom Café Delizia in der Ludwigstraße ein. Dort hatten sich viele Kroaten nach dem Regen auf der Terrasse versammelt, um vor dem Fernseher gemeinsam mitzufiebern. Bei ihr - wie bei vielen anderen - geht der Blick jedoch nach vorne. "In zwei Jahren ist Europameisterschaft", sagt sie und ballt voller Vorfreude die Becker-Faust.

"Die Kroaten waren für uns das bessere Team, objektiv gesehen haben die Franzosen aber zurecht gewonnen", finden Daniel aus Geisenfeld und Dennis aus Ingolstadt, die sich - die Nationalflagge lässig um die Schultern gebunden - als kroatische Fans zu erkennen geben. Den Erfolg wollen sie aber nicht schmälern. "Das ist traurig aber historisch", sagt Daniel. Dennis hingegen kritisiert die für ihn fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen der ersten Halbzeit. "Vor allem der Elfer war nicht gerecht. In so einem wichtigen Spiel kann man den nicht geben", meint er. "Ich war für die Kroaten, schon wegen ihrer Außenseiterrolle", sagt Matthias aus Ingolstadt. Und Frank schwärmt ohnehin schon für das beliebte Balkanland. Er kam erst vor wenigen Wochen von der Haussuche zurück, weil er dorthin auswandern möchte, wie er verriet.

Garagen-Beben in Etting, gut eine Stunde zuvor. Bei Zvonimir Barun (kleines Foto) haben sich Freunde und Mitglieder aus sieben Familien versammelt, um dass Spiel im Garten und in der Garage zu verfolgen. Dort hat der gebürtige Kroate, der auch Vorsitzender des Kroatischen Kulturvereins Ingolstadt ist, seinen Fernseher aufgebaut. Es gibt Lammbraten vom Spieß und scharfe Wurst. "Wir haben uns zu jedem Spiel hier getroffen. Der Finaleinzug war aber eine Überraschung", sagt der Hausherr.

Schon bei der Hymne wird kräftig mitgesungen. Unter den Besuchern ist auch ein prominenter Gewerkschafter - Jörg Schlagbauer. "Ich bin ganz klar für Kroatien. Nach dem Ausscheiden der Deutschen war das für mich keine Frage mehr", sagt er voller Hoffnung auf ein gutes Ende.

Die wird in der 18. Minute, als Frankreich nach einem starken Start der Kroaten überraschend in Führung geht, erst einmal jäh gedämpft. Die Fans in Etting nehmen es aber gefasst auf. Bis dahin hatten sie jeden Angriff ihres Teams lautstark angefeuert. Boris spült den Schreck mit einem Schluck Bier hinunter. "Wir waren so oft in Rückstand in der K.-o.-Phase. Also jetzt erst recht", macht er sich anschließend sofort Mut. "Das Schöne ist, wenn wir verlieren sollten, werden wir trotzdem glücklich sein", ergänzt er, noch ohne zu ahnen, wie recht er eine Stunde später damit haben sollte.

Als in der 28. Minute der Ausgleich fällt, droht die Garage zu zerbersten, so laut bejubeln die Kroaten das Tor. Einige von ihnen stehen auf, fassen sich an den Schultern und tanzen auf engstem Raum laut singend im Kreis. Der Dämpfer lässt nicht lange auf sich warten. Elfmeter für Frankreich und die erneute Führung für die Équipe Tricolore. Das Wort Videobeweis wirkt plötzlich wie ein Fremdkörper im kroatischen Fan-Kosmos. "Es wäre schade, wenn der Elfer das Spiel entscheidet, denn keiner hat erwartet, dass wir das Spiel machen", kommentiert Timo aus Buxheim das Halbzeitergebnis und hofft auf den baldigen Ausgleich. "Die zweite Halbzeit gehört uns", gibt ein anderer die Parole für die folgenden 45 Minuten aus. Im Herzen mag es so gewesen sein.

Michael Brandl