Ingolstadt
"Wir hatten nicht vor, den OB abzusägen"

UDI-Chef Gerd Werding zu den Motiven seiner Fraktion und den Pannen bei der FC-Sportplatzsuche

06.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:43 Uhr
"Wenn's darum geht, Bäume zu fällen, könnte ich nicht mitmachen": UDI-Fraktionschef Gerd Werding über mögliche Eingriffe in ein Landschaftsschutzgebiet nahe dem Audi-Sportpark. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Die Stiftl-Alm neben dem Audi-Sportpark ist sonst wohl eher der passende Rahmen für Fußball- und Fanreportagen. In diesem Fall taugt sie aber besonders gut als Treffpunkt für ein politisches Sommerinterview mit dem Fraktionschef der Unabhängigen Demokraten Ingolstadts (UDI), Gerd Werding.

Denn er gehört zu den Stadträten, die lieber auf asphaltierte Parkplätze verzichten und die Stiftl-Hütte versetzen würden, als mit einem geplanten Trainingsfeld ins benachbarte Landschaftsschutzgebiet einzugreifen.

Herr Werding, bei der Suche nach einem FC-Trainingsplatz als Ersatz für das Gelände in Ringsee ist einiges schiefgelaufen im Stadtrat und der Verwaltung, das kann man wohl ohne Übertreibung sagen. Was ist aus Ihrer Sicht der entscheidende Punkt?

Gerd Werding: Für mich ist entscheidend, dass der Informationsfluss nicht ausreichend war. Ich hab' von dieser ganzen Problematik eigentlich erst aus dem DONAUKURIER erfahren, obwohl ich im Planungsausschuss bin. Auch in den Sportgremien ist es nicht besprochen worden. Es war mal andeutungsweise davon die Rede, als wir diese Waldbegehung gemacht haben und hier in die Nähe kamen. Da kam wohl von irgendjemandem die Andeutung, passt auf, da ist was geplant. Ich konnte das damals überhaupt nicht einordnen. Es ist mir erst klar geworden, was gemeint war, als ich die Veröffentlichung im DONAUKURIER gelesen habe.

Ihre erste Reaktion?

Werding: Daraufhin habe ich gleich nachgefragt in meiner Fraktion, weiß jemand was? Es kam die Sprache drauf, dass beim Bauplatz für die neue Schule (Mittelschule Südost neben der Paul-Wegmann-Halle, d. Red. ) drüber diskutiert worden ist. Damals hat man auch gesagt: Man wird da wohl ein bisschen ins Grüne gehen. Das war eigentlich die gesamte Aussage. Bei uns in der Fraktion wurde dann schon sehr intensiv diskutiert. Wir haben uns aber nicht angeschrien, wie schon veröffentlicht wurde, und uns darauf geeinigt, die ganze Geschichte vor Ort anzugucken. Der Herr Mißlbeck hat den Herrn Engert um einen Termin gebeten, der hat die Frau Preßlein-Lehle mitgebracht, und Mißlbeck hat seinen Freund Schuhmann mitgebracht.

Umweltreferent Rupert Ebner war nicht dabei?

Werding: Der Umweltreferent war nicht eingebunden. Mag sein, dass das Informationsdefizit meine eigene Schuld war. Vor Ort gab's dann auch erst ein bisschen Differenz in der Beurteilung. Wir sind dann da hinten reingegangen und haben festgestellt, dass da Naturschutzgebiet ist. Dann haben wir geschaut: Gibt's keine anderen Alternative? Es hat sich herausgestellt: Wenn man das ganze Feld hier runterschiebt, geht's lediglich zu Lasten von Parkplätzen und der Stift-Hütte.

Der Umweltreferent hat von einer möglichen Variante ganz ohne Eingriffe in die Natur gesprochen, allerdings müsste man dann die Stift-Alm versetzen.

Werding: Das ist auch unsere Meinung. Für mich ist das Wesentliche, dass die Natur so weit wie möglich unangetastet bleibt. Wenn's darum geht, Bäume zu fällen und so weiter, könnte ich nicht mitmachen.

In der ersten Stadtratssitzung dieser Wahlperiode, die Sie als Alterspräsident im Mai 2014 eröffnet haben, hat der neu gewählte CSU-OB Christian Lösel angekündigt, die ,Kultur der Wertschätzung' von seinen Vorgängern fortzusetzen, weil sie der Stadt insgesamt gutgetan habe. Derzeit hat man eher den Eindruck, dass davon nicht viel übriggeblieben ist.

Werding: Den Eindruck kann ich durchaus bestätigen. Der Ton ist härter geworden, die gegenseitige Wertschätzung ist nicht mehr vorhanden. Es ist eine starke Polarisierung im Gange, die letztlich dazu führen wird, dass die Grundbegriffe der Demokratie - miteinander diskutieren und versuchen, eine Lösung zu finden - verloren gehen. Ich lese gerade ein ganz interessantes Buch von zwei amerikanischen Autoren, zwei Harvard-Professoren, wie Demokratien untergehen. Die sagen: solange im Kongress ein Konsens darüber bestand, dass man sich gegenseitig wertschätzt, war der Ton moderat, und man kam zu Lösungen. Mittlerweile hat eine Polarisierung dazu geführt, dass die Leute sich feindlich gegenüberstehen und die sachliche Diskussion gar nicht mehr im Vordergrund steht. So ähnlich empfinde ich es bei uns teilweise auch. Was mir völlig gegen den Strich geht, das sind die vielen Absprachen, die andere Leute ausschließen aus Entscheidungen oder Entscheidungen vorwegnehmen.

Welche Rolle spielt dabei die UDI-Fraktion?

Werding: Unsere Gruppierung ist ja nun wirklich wild zusammengesetzt, muss man sagen. Bei uns ist plötzlich eine Diskussion möglich zwischen einer sehr konservativen Kollegin, schwarz eingefärbt und sehr katholisch (Dorothea Soffner, d. Red. ), und mir, der ich weniger schwarz bin und ideologisch anders ticke. Dann haben wir den Bürgermeister, der in einer sehr unangenehmen Zwittersituation ist, einerseits Mitglied der Stadtkernverwaltung, andererseits Fraktionsmitglied. Last not least haben wir noch eine Kollegin bekommen (Simone Vosswinkel, d. Red. ), die etwas mehr grün und sozial eingestellt ist. Bei uns ist die Diskussion sehr kontrovers möglich, wir kommen eigentlich überwiegend noch zu Beschlüssen und Anträgen, die im Konsens getroffen werden. Ein paar Dinge gibt's natürlich, die nicht konsensfähig sind, dann kann jeder für sich abstimmen. Was ich nicht vorhatte, war eine Gruppierung zu gründen, um den Oberbürgermeister abzusägen. Ich bin nicht angetreten, weil ich eine andere Regierung haben will, ohne dass wir aber in irgendeiner Weise zur Koalition gehören. Wir gehören aber auch nicht zur vereinigten Opposition. Wir sind auf sachliche Lösungen aus, das ist uns bis jetzt gelungen.

Was hat sich denn in der Stadtratsarbeit - außer den Mehrheitsverhältnissen - geändert, seit Sie vor einem Jahr die Öffentlichkeit überrascht und die UDI-Fraktion gegründet haben?

Werding: Für uns persönlich hat sich eine ganze Menge geändert. Frau Soffner sagt, dass sie in der CSU kaum die Möglichkeit hatte, aktiv zu Wort zu kommen. Bei uns in der FW-Fraktion ging es genauso. Die wesentlichen Dinge, die ich haben wollte, wurden nicht beachtet. Jetzt hat sich für uns die Möglichkeit ergeben, uns wesentlich aktiver zu äußern und darzustellen.

Die UDI werden bei der Kommunalwahl 2020 sicher mit einer eigenen Liste antreten. Da Sie schon Erfahrung als Alterspräsident haben - wäre die Kandidatur noch einmal eine Option für Sie ?

Werding: Ich bin dann über 80. Ich glaube, dass ich im Kopf noch so klar bin, dass ich mir das noch sechs Jahre antun könnte. Aber es wird darauf hinauslaufen, dass wir eine Liste aufstellen und ich mit Sicherheit nicht mehr vorne draufstehe. Für mich ist eigentlich mit Ende dieser Wahlperiode meine eigene aktive Rolle zu Ende.

Die Fragen stellte Reimund Herbst.