Ingolstadt
"Sie können nichts kaputtmachen"

In der "Woche der Wiederbelebung" veranstaltet das Klinikum ein Reanimationstraining - Ein Selbstversuch

17.09.2019 | Stand 24.04.2023, 9:20 Uhr
Übung für den Ernstfall: Martina Nowak-Machen (l.), Direktorin der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, erklärt Veronika Königer die Herzdruckmassage. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) "Ah, ha, ha, ha, stayin alive", dröhnen die Bee Gees in meinem Kopf.

Ich befinde mich allerdings gerade nicht auf einer 70er-Jahre-Party, sondern versuche, einen Menschen wiederzubeleben. Der Disco-Hit gibt dabei den Rhythmus an, 120 Schläge pro Minute, denn so oft muss bei einer Reanimation der Brustkorb eingedrückt werden. Eigentlich nicht so schwer zu merken - trotzdem habe ich seit dem obligatorischen Erste-Hilfe-Kurs zum Führerschein fast alles wieder vergessen, was ich je über Wiederbelebung gelernt habe. Gut, dass also gerade kein echter Mensch mit Herz-Kreislauf-Stillstand auf meine Hilfe angewiesen ist, sondern nur eine Übungspuppe im Klinikum Ingolstadt.

Aktuell läuft gerade die bundesweite "Woche der Wiederbelebung", an der sich eben auch das Klinikum mit Reanimationstrainings beteiligt. Gestern bauten Ärzte und Pflegekräfte dazu einen Stand mit Übungspuppen im Foyer des Krankenhauses auf, heute ab 11 Uhr veranstalten sie die Aktion im Westpark. Offensichtlich mangelt es nicht nur mir an Kenntnissen über die Wiederbelebung: "Viele Leute haben ihren Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein gemacht und sich dann nicht mehr damit beschäftigt", berichtet Martina Nowak-Machen, Direktorin der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin. "Man sollte seine Kenntnisse über Reanimation aber so oft auffrischen, wie es nötig ist, dass man sich in der Lage fühlt, zu helfen! " Viel zu wenige Leute würden im Ernstfall tatsächlich etwas machen, dabei sei es so einfach, Leben zu retten - wenn man weiß, wie es geht.

Das bekomme ich erklärt und werde gleich einmal sehr überrascht, denn seit meinem letzten Erste-Hilfe-Kurs hat sich etwas Entscheidendes geändert: Für Laien besteht die Reanimation nur noch aus der Herzdruckmassage, die Mund-zu-Mund-Beatmung wird weggelassen. "Da ist bei den Leuten einfach die Hemmschwelle zu groß, die meisten ekeln sich davor", erklärt Nowak-Machen. Dementsprechend lautet die Merkregel im Notfall: Prüfen - Rufen - Drücken. Bewusstsein und Atmung überprüfen, den Notarzt alarmieren, und dann die Herzdruckmassage starten, wenn der Patient nicht ansprechbar ist und nicht oder nicht normal atmet.

Mein neues Wissen soll ich an der Übungspuppe ausprobieren. Ein bisschen albern komme ich mir schon vor, als ich ihr die Plastikwangen tätschle, sie anspreche und dann mein Ohr über ihren Mund halte, um zu prüfen, ob sie noch atmet. Gleichzeitig kommt aber ein etwas mulmiges Gefühl dazu: Was wäre, wenn da jetzt ein echter Mensch vor mir liegt und nicht reagiert, vielleicht sogar ein Freund oder ein Familienmitglied? Würde ich dann die Nerven haben, eine Herzdruckmassage durchzuführen? Ich zögere kurz, und Martina Nowak-Machen motiviert mich: "Im Zweifelsfall einfach mit der Wiederbelebung beginnen! Sie können nichts kaputtmachen. "

Selbst wenn kein Herz-Kreislauf-Stillstand vorliegt, kann die Reanimation laut Nowak-Machen nicht schaden. Also öffne ich die Jacke der Puppe und suche den richtigen Druckpunkt: Zwei Fingerbreit über dem unteren Ende des Brustbeins - das hat sich seit meinem Erste-Hilfe-Kurs nicht geändert. Dort setze ich den Handballen an und beginne, fest im Rhythmus zu "Stayin alive" zu drücken. Ich brauche viel Kraft, um so tief zu kommen, wie es notwendig ist: Der Brustkorb sollte ein Drittel seiner Breite eingedrückt werden.

Insgeheim frage ich mich: Hätte ich auch den Mut, so fest zu drücken, wenn vor mir ein echter Mensch läge und es vielleicht sogar dabei knackst? Denn während der Reanimation kann es durchaus passieren, dass eine Rippe oder das Brustbein bricht. Davon darf sich ein Ersthelfer aber nicht aus dem Konzept bringen lassen, so Nowak-Machen: "Sie können nichts schlimmer machen! Wenn eine Rippe knackst, ist das überhaupt kein Problem, daran stirbt er nicht. Er stirbt, wenn Sie nichts tun! ", feuert sie mich an. Die Herzdruckmassage wird langsam anstrengend, aber es gilt, sie durchzuführen, bis der Rettungsdienst eintrifft.

Im Stadtgebiet kann das laut Nowak-Machen etwa 12 Minuten dauern, auf dem Land länger. So lange zu reanimieren, stelle ich mir hart vor, schon jetzt komme ich langsam ins Schwitzen. "Wenn mehrere Leute da sind, dann ist es natürlich auch erlaubt, zu wechseln", erklärt Martina Nowak-Machen. Das tue ich jetzt mit müden Armen auch und überlasse die leblose Übungspuppe dem nächsten, der an ihr die Reanimation trainieren will - für den Ernstfall, der jederzeit eintreten kann. Auf den fühle ich mich nun besser vorbereitet und nehme mir auch fest vor, die Herzdruckmassage im Notfall durchzuführen. Trotzdem hoffe ich natürlich, mein neues Wissen über die Wiederbelebung nie anwenden zu müssen.

Veronika Königer