Ingolstadt
Selbsthilfegruppe Krebs vor 20 Jahren gegründet - Eine Betroffene erzählt

18.02.2022 | Stand 21.02.2022, 3:34 Uhr
Leitet seit 20 Jahren die Selbsthilfegruppe Krebs: Christine Hauck - hier mit Hündin Amber. −Foto: Privat

Ingolstadt - Christine Hauck bekam vor zwei Jahrzehnten die Diagnose Brustkrebs - und leitet eine Selbsthilfegruppe.

Frau Hauck, der Beginn Ihrer eigenen Brustkrebs-Krankengeschichte ist jetzt über 20 Jahre her. Würden Sie heute sagen, Sie sind gesund?

Christine Hauck: Ja, ich bin gesund dahingehend, dass ich nicht mehr an Krebs erkrankt bin. Allerdings machen sich nach wie vor Spätfolgen der Erkrankung und der Therapie wie etwa Fatigue, also schnelle Erschöpfung und Müdigkeit sowie Osteoporose bemerkbar. Auch leide ich seit der Operation an einem Lymphödem und bin deswegen zweimal pro Woche in Behandlung.

Sie leiten seit 20 Jahren die Ingolstädter Selbsthilfegruppe Krebs. Heute vor 20 Jahren, am 18. Februar 2002, hat sich die von der Deutschen Krebsgesellschaft initiierte Gruppe gegründet. Was hat sie damals bewogen, sich zu engagieren?
Hauck: Ich war selbst schwer von Krebs betroffen. Ungefähr ein Jahr nach meiner Operation und der Therapie mit Chemo und Bestrahlung entstand der Wunsch,  mich mit Leuten zu treffen und auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass die Bayerische Krebsgesellschaft in Ingolstadt eine Selbsthilfegruppe für Krebskranke - nicht nur an Brustkrebs Erkrankte -  gegründet hatte. Nur wenige Monate nach der Gründung habe ich die Gruppe dann von einer ebenfalls an Krebs Erkrankten übernommen.

Viele - vor allem Männer - machen ja gerne alles mit sich selbst aus. Warum sollte man das bei einer Krebserkrankung gerade nicht tun?
Hauck: Tatsächlich ist das überhaupt nicht geschlechts-, sondern viel mehr typabhängig - sowohl Männer als auch Frauen tun sich oftmals damit schwer. Jedem, der an Krebs erkrankt ist, muss klar sein, dass mit dieser Erkrankung nichts mehr so ist wie vorher. Oft kann der Körper nicht mehr so viel leisten wie vorher oder auch die Familie oder der Partner tun sich schwer mit der Erkrankung. Dann hilft es, in den Austausch mit anderen Betroffenen zu gehen und sich gegenseitig darin zu unterstützen neue Perspektiven für das Leben zu entwickeln.

Bei Brustkrebs denkt man eigentlich immer an Frauen. Aber es gibt auch Männer, die diese Krebsart haben. Haben Sie dazu Zahlen?

Hauck: In Deutschland erkranken jährlich rund 700 Männer am eigentlich als Frauenkrankheit bekannten Brustkrebs. Das macht rund ein Prozent aller Brustkrebsfälle aus.

Sind Männer eigentlich auch von dem aktuellen Lieferproblem des Brustkrebsmedikaments Tamoxifen betroffen?

Hauck: Sogar besonders. Für Männer gibt es nämlich überhaupt keine Alternative zu Tamoxifen. Bei ihnen wirken die bei manchen Frauen infrage kommenden Aromatasehemmer nicht.

Was hat sich in den vergangenen 20 Jahren bei der Behandlung von Brustkrebs getan? Wie haben Sie die Entwicklung erlebt?
Hauck: In den letzten 20 Jahren hat sich sehr viel getan. Es gibt mittlerweile viel mehr zielgerichtete Therapien, weg von der standardisierten hin zur personalisierten Therapie.

Woran hatten Sie damals selbst bemerkt, dass etwas nicht stimmt?
Hauck: Ich hatte Schmerzen in der Brust und habe einen Leistungsabfall bemerkt.

Wie ging's dann weiter?
Hauck: Mein Frauenarzt hat mich sofort zur weiteren Abklärung und Behandlung ins Klinikum überwiesen. Dort ging es dann sehr schnell - ich wurde operiert und im Anschluss ging es direkt mit dem ersten Zyklus Chemotherapie weiter. Es folgten Bestrahlung und ein weiterer Zyklus Chemotherapie.

Was war für Sie schlimmer: die physische oder die psychische Belastung?
Hauck: Das kann ich nicht sagen, da sich beides die Waage hält. Der Körper war nach Operation und Behandlung nicht mehr so, wie er mal war. Wunden mussten erst heilen und die Zeit der Therapie mit all den Nebenwirkungen schwächt natürlich zusätzlich. Dazu kommen dann Ängste und Sorgen darüber, wie es weitergeht und ob man wieder gesund wird.

Da kommt jetzt wieder die Selbsthilfegruppe ins Spiel. Wie sehr hat der Austausch Ihnen geholfen?
Hauck: Der Austausch mit anderen Betroffenen hat mir Mut gemacht und neue Kraft gegeben - zu sehen, dass es nicht nur mir so geht. In der Gruppe wird offen über alles gesprochen, was dem Einzelnen am Herzen liegt. Man lernt sich wieder wohlzufühlen und Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen zurückzugewinnen.

Nun ist ja seit zwei Jahren das dominierende Thema Corona. Wie haben Sie diese fordernde Zeit erlebt? Sie gehören ja aufgrund der Vorerkrankung zu den gefährdeten Gruppen.
Hauck: Im Prinzip ist es mit Corona wie auch mit sonstigen Krankheiten. Zu Beginn der Pandemie und während des ersten Lockdowns war ich aufgrund meiner Vorerkrankung sehr verunsichert. Ich habe mich sehr eingeschränkt und Kontakte so gut es ging vermieden. Mittlerweile weiß ich natürlich mehr über Corona und bin geimpft und geboostert. Im Rahmen der geltenden Maßnahmen versuche ich daher - wie alle anderen - das Beste aus der Situation zu machen.

Gab es während der Zeit Gruppentreffen, oder wie hat der Austausch funktioniert?
Hauck: Leider konnten bisher keine regelmäßigen Gruppentreffen stattfinden. Wir haben über Telefon und WhatsApp Kontakt gehalten und haben es sogar letztes Jahr im Sommer geschafft, uns zumindest zu einem gemeinsamen Spaziergang am Baggersee und gemütlichem Kaffeeklatsch auf der Terrasse des Restaurants zu treffen. Das war sehr schön, und wir werden das im Frühjahr sobald wie möglich wiederholen. Wenn es die allgemeine Coronasituation zulässt, werden wir natürlich auch wieder mit den Gruppentreffen starten.

DK

Das Interview führte Ruth Stückle

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Kontakt zur Gruppe

Die Ingolstädter Selbsthilfegruppe Krebs der Bayerischen Krebsgesellschaft wurde am 18. Februar 2002 gegründet. Geleitet wird die Gruppe seit nunmehr zwei Jahrzehnten von der mittlerweile in München lebenden Christine Hauck, die im Interview über ihre eigene Brustkrebserkrankung spricht. Stellvertretende Gruppenleiterin ist Edith Schweiger aus Manching. Die Gruppe trifft sich normalerweise jeden zweiten Montag im Monat um 18.30 Uhr im Gemeindezentrum Friedrichshofen der   evangelischen Thomaskirche, Buchenweg 4, in Ingolstadt. Wegen Corona sind die Treffen zurzeit noch ausgesetzt. Für weitere Auskünfte über die Selbsthilfegruppe stehen die beiden Gruppenleiterinnen allen Interessierten gerne zur Verfügung: Christine Hauck ist erreichbar unter der Telefonnummer (089) 32604442, E-Mail: christine. hauck1@gmx.de, Edith Schweiger unter der Nummer (08459) 326997.

DK