Ingolstadt
Da kommt was auf die Schulen zu

Die Zahl der Kinder steigt, zugleich fehlen immer mehr Lehrer - Entlastende Maßnahmen laufen

10.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:02 Uhr
Auch sie kommen heute in die Schule: Kinder aus dem Hort der Bürgerhilfe in Kothau mit Einrichtungsleiterin Nadine Dunsche. Die Zahl der Erstklässler in Ingolstadt liegt im neuen Schuljahr bei 1181. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) 1181 Ingolstädter Kinder erleben heute ihren ersten Schultag. Die Gesamtzahl der Grund- und Mittelschüler ist leicht gestiegen. Das Kultusministerium hat den Schulen heuer aber etwas weniger Lehrerstunden zugewiesen: wegen Personalmangels. Hier werden große Herausforderungen sichtbar, die das Staatliche Schulamt bewältigen muss: Die Zahl der Kinder steigt, immer mehr Lehrer gehen in Pension, doch es kommen zu wenige junge Lehrer nach.

Ein Jahr noch. Dann erreicht die erste Generation des Ingolstädter Babybooms die Grundschulen. 2013 begann die Zahl der Geburten markant zu steigen. Seither kommen jedes Jahr immer noch mehr Ingolstädter auf die Welt - heuer werden es wohl über 1600 sein. Vor sechs Jahren, als die meisten der heutigen Erstklässler geboren wurden, waren es noch 1200. Da kommt was auf die Schulen zu!

Die Kitas und deren Träger können schon lebendig vom Ingolstädter Kindersegen erzählen. Diese erfreuliche Entwicklung stellt auch den Freistaat vor große Aufgaben: Er muss die nötigen Lehrer herbringen.

Doch das wird immer schwieriger. Denn der Geburtenboom fällt mit zwei problematischen Entwicklungen zusammen. Das führt zu ernsten Herausforderungen: Die Zahl der Lehrer, die in Pension gehen, steigt. Ebenso steigt die Zahl der Kinder. Doch die Universitäten bringen zu wenige Grund- und Mittelschullehrer hervor, um den wachsenden Personalbedarf zu decken. "Ja, das ist eine fatale Entwicklung", sagt Edmund Rieger, der Leiter des Staatlichen Schulamts Ingolstadt. Aber er und Schulrat Franz Wagner bleiben gelassen.

Beide vertrauen auf ihre langjährige Erfahrung und die engagierten Kollegien in den Grund- und Mittelschulen. Rieger weist auch gerne auf den "großen Beitrag der Volkshochschule in den Sprachintensivklassen" hin - ein Zeichen für die "starke Unterstützung der Schulen seitens des Ingolstädter Stadtrats".

Der Blick auf die Statistik führt mitten hinein in die Problematik: Die Zahl der Grundschüler ist im Vorjahresvergleich nahezu gleich geblieben: 4607 Kinder in 218 Klassen. In den Mittelschulen werden jetzt 2327 Schüler unterrichtet (plus 25). Aber das Kultusministerium hat die Zahl der Lehrerwochenstunden reduziert: auf 12990. Im Vorjahr waren es 13146. Das sind ungefähr sechs Vollzeitstellen weniger. "Die Verteilung des Personals muss gerecht bleiben", erklärt Rieger. "Das heißt nicht, dass sie vorher ungerecht war, aber es gibt eben auch anderswo in Bayern starken Bedarf ." Ohne die vielen Lehrer aus Gymnasien und Realschulen, die an Grund- und Mittelschulen wechseln, "würde es nicht mehr gehen", sagt er ganz deutlich. Wagner bekräftigt: "Wenn wir die nicht hätten, wäre an unseren Grund- und Mittelschulen die Lehrerversorgung nicht möglich!"

Ein ernstes Problem, das mit einem anderen Problem korrespondiert, der paradoxen Situation nämlich, dass Grund- und Mittelschullehrer verzweifelt gesucht werden, während zugleich Hunderte examinierte Gymnasial- und Realschullehrer nicht gleich - oder nie - eine Planstelle bekommen; oft trotz bester Noten. Also entscheiden sich viele für die "Zweitqualifizierung" zu Grund- und Mittelschullehrern. Die Umstellung vom Fachlehrer (der etwa nur Biologie und Chemie unterrichtet) zum Klassenlehrer (der alles draufhaben muss) falle "nicht immer leicht", erzählt Wagner. Doch die Maßnahme bewähre sich. In Ingolstadt sind es insgesamt schon 35 solcher Umsteiger, die unterrichten oder auf dem Weg dahin sind. "Eine wahnsinnige Zahl", sagt Rieger. "Aber die Erfahrungen sind sehr gut. Es gibt keinen einzigen Ausfall. Die neuen Lehrer werden in den Kollegien bestens aufgenommen."

Der Aufgaben nicht genug: Auch die Zahl der Schüler mit Migrationshintergrund steigt enorm. Ihr Anteil nähert sich der 60-Prozent-Marke. Zu dieser Kategorie gehört jeder, auf den mindestens eines von drei Kriterien zutrifft: Geburtsort nicht in Deutschland; keine deutsche Staatsangehörigkeit; gesprochene Sprache in der Familie nicht Deutsch. - Dieser Berechnungsmodus ergibt eine beachtliche Zahl: 3425 Schüler mit Migrationshintergrund. Der größte Teil benötigt Zusatzförderung im Deutschen. Dafür sind 435 Lehrerwochenstunden vorgesehen, das entspricht etwa zwölf Lehrern. Ebenfalls bemerkenswert.

Es gibt auch ermutigende Entwicklungen. Beispiel: "Die Zahl der Schüler ohne Abschluss ist um 80 Prozent gesunken!" Das bestärkt die zwei Schulräte darin, den wachsenden Herausforderungen gelassen und pragmatisch zu begegnen. Wie bisher.

 

Christian Silvester