Schrobenhausen
Der drahtlose Draht zu Gott

25.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr

Selfies gehören in ihrer Arbeit dazu: Der Jugend- und Diözesanreferent Marco Böhm (links) leitet die katholische Jugendstelle in Ingolstadt, sein Kollege Hubert Solfrank ist seit einem Jahr der Jugendseelsorger im Dekanat. Von der Dachterrasse des Hauses der Stadtkirche haben sie den besten Blick auf das Alte Rathaus und die Moritzkirche. - Foto: Rudi Schmidt

Ingolstadt (DK) Der Wanderweg an der Mosel entlang bietet nicht nur einen herausragenden Ausblick auf eines der schönsten Flusstäler im ganzen Land. Wer hier läuft, der befindet sich auch auf einem Pfad zu Gott, der wie viele nach Santiago de Compostela führt - dem Ziel des Jakobswegs.

Mit einer Gruppe junger Erwachsener ist Hubert Solfrank in diesen Tagen an der Mosel auf Pilgerreise. Und wenn die innere Einkehr nicht ohnehin auf dem Programm steht, garantiert die entlegene Gegend doch, dass zwar die Verbindung zu Gott geknüpft wird, aber nur selten ins Mobilfunknetz, wie der Jugendseelsorger (durchaus zu schätzen) weiß.

Solfrank, 33, und sein Kollege Marco Böhm, 35, von der katholischen Jugendstelle in Ingolstadt sind zwar auch aus der Generation, die mit den Neuen Medien problemlos umzugehen weiß. Aber dennoch aus einer anderen Generation natürlich als die Jugend, mit der sie beruflich hauptsächlich zu tun haben. Deren Gedanken kreisen in sozialen Netzwerken. Da fällt es immer schwerer, zumindest zeitweise auf den digitalen Anschluss zu verzichten und das Handy aus der Hand zu legen oder abzuschalten. "Die Jugendlichen immer wieder rauszuziehen", sagt der Pastoralreferent und Jugendseelsorger Solfrank. Das sei die wiederkehrende Aufgabe.

Nun sind Solfrank und Böhm für einen Arbeitgeber unterwegs, der nicht sofort im Verdacht steht, den modernen Entwicklungen gleich hinterherzueilen. Als Kirchenleute kämpfen sie auch gegen sinkende Mitgliederzahlen. Durch Druck oder Überfrachtung gehe es aber nicht. Weder in der digitalen noch in der realen Welt. "Man kann niemandem einen Glauben aufzwingen", sagt Marco Böhm. "Es geht nur, durch die Freiwilligkeit ein Angebot zu schaffen."

Dabei helfen den Jugendbetreuern natürlich die Neuen Medien in der Kommunikation. Mit einer E-Mail-Nachricht noch einen kirchlich engagierten Jugendlichen zu erreichen sei aber fast aussichtslos, weiß Böhm. "Viele Bilder, wenig Text", lautet inzwischen die Losung. Eine Facebook-Seite für die direkte Ansprache und sogar als Ergänzung beziehungsweise Ersatz für die gute alte Webseite brauche es auf alle Fälle. "Wobei die ganz Jungen inzwischen Facebook meiden, weil da Mami und Papi schon drin sind." Für sie sind Twitter und Instagram aktuell in. "Aber warten wir mal 10 oder 15 Jahre", sagt Böhm, "dann sind die bestimmt auch längst nicht mehr in."

Wie die Lage in zehn Jahren, also um 2025, generell aussehen wird? "Das kann ich beim besten Willen nicht sagen, keine Ahnung", gibt Marco Böhm lachend zu. Wer hätte gedacht, sagt er, dass seit rund zwei Jahren die Outdoor-Welle und der Weg zurück in die Natur (siehe auch die Pilgerreise) im Trend lägen. "Das Leben wird in der digitalen Welt voranschreiten", darüber sind sich Böhm und Solfrank natürlich für die Zukunft im Klaren. Sie hoffen dabei, dass den Menschen nicht das Gespür für die Welt ohne diese Medien abhandenkommt. "Dass Freundschaften auch offline gepflegt werden müssen." Und sie spekulieren mit einer Gegenbewegung: Je schneller sich die digitale Welt dreht, wächst das Verlangen nach einer entschleunigten Welt. "Dort sind die Werte wie Familie und Hobbys beheimatet", sagen die Jugendbetreuer. Und dort sind in erster Linie auch der Glaube und die Religion zu finden.

Irgendwann lande man hier zwangsläufig offline - zum Beispiel für seelsorgerische Gespräche. "Glaube ist etwas sehr Intimes für die Menschen", sagt Böhm. Viele der Jugendlichen würden gar nicht so gerne darüber sprechen und in Diskussionen ihr Innerstes nach außen kehren, sich vielleicht angreifbar machen. Streit sei für die heutige Generation gar nicht mehr vorgesehen, meinen die Jugendbetreuer erkannt zu haben. "Um die Sache ringen, mit Argumenten arbeiten und auch mal verlieren" - das sei weniger und weniger zu beobachten. Die Konfrontationsfähigkeit und auch die Sozialkompetenzen leiden durch die Digitalisierung. "Eine vernünftige Diskussion in WhatsApp geht nicht." Da brauche es Mimik und Gestik, die man beim Gegenüber wahrnehmen können müsse. Der Ansatz der Jugendbetreuer lautet: "Wir entwickeln unsere Jugendlichen zu mündigen Christen, zu mündigen Staatsbürgern." Online wie offline.