Karlskron
Alles offen bei Scherm

Wegen Erweiterung: Solidarität der Mitarbeiter, Volksbegehren der Grünen, Kompromiss des Rathauschefs

20.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:02 Uhr

−Foto: Pehl, Bernhard, Ingolstadt

Karlskron (DK) Eigentlich wollten Bayerns Grüne den gestrigen Ortstermin bei Scherm für ein Volksbegehren gegen den Flächenverbrauch nutzen. Am Ende gab es Unterschriftenlisten, eine Gegendemo sowie heftige Diskussionen - und alles unter den Augen der Polizei.

Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bayerischen Landtag, wollte sich persönlich ein Bild von der geplanten Erweiterung von Scherm machen. Doch das rief den Protest einiger Scherm-Mitarbeiter hervor, die sich zu einer Gegendemonstration formierten. "Der Erhalt unserer Arbeitsplätze geht nicht ohne Erweiterung", sagt Johann Popp. Schließlich lebe die gesamte Region von der Autoindustrie. Bei Scherm herrsche extremer Platzmangel, ein Parkdeck rentiere sich nicht, eine Umgehungsstraße dauere 20 Jahre und der Bahnanschluss kann offenbar nicht ausgebaut werden. "Was sollen wir jetzt machen?", fragt ein anderer: "Wir haben Angst um den Standort Probfeld." Das Gespenst einer möglichen Verlagerung schwebt über dem Donaumoos, von Hemau als Alternative ist die Rede.

Wie mehrfach berichtet, will die Logistikfirma ihr 43 Hektar großes Gelände im Karlskroner Ortsteil Probfeld um 25 Hektar erweitern. Es sollen ein Bürogebäude, eine Logistikhalle und vor allem Pkw-Abstellflächen dazukommen sowie 30 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Kehrseite: noch mehr Lkw-Verkehr und Flächenfraß. Dagegen wollen Bayerns Grüne ein Volksbegehren starten. Sie sind zuversichtlich, bis Jahresende die erforderlichen 25 000 Unterschriften zu sammeln.

"In puncto Flächenverbrauch ist der Freistaat deutschlandweit auf Platz eins: 13 Hektar am Tag", sagt Martin Wendl, der die öffentlich bekannt gemachte Versammlung nachträglich anmelden musste - deswegen auch die Polizeipräsenz. "In der Region herrscht zusätzlich ein enormer Siedlungsdruck und ein unvermindert fortschreitender Kiesabbau", so der Grünen-Kreisrat. "Wir brauchen eine Politik, die denkt, bevor der Bagger kommt", fordert Ludwig Hartmann von der Landtagsfraktion. Die "Asphalt- und Betonflut" müsse eingedämmt werden. Deswegen wollen die Grünen mit der ÖDP und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) die Fixierung einer Höchstgrenze von fünf Hektar pro Tag für den bayernweiten Flächenverbrauch. "Das lässt genug Raum für weitere Entwicklung, verhindert aber, dass Bayern sein Gesicht verliert." Hartmanns Vorschlag für Probfeld: ein Parkdeck, was die Scherm-Mitarbeiter aber als nicht finanzierbar bezeichnen.

Eine Kompromisslösung strebt Karlskrons Bürgermeister Stefan Kumpf (CSU) an: ein Parkdeck, aber nicht über die gesamte Fläche, sondern nur auf einem Teil. "Dann käme man auch mit weniger als 20 Hektar Erweiterung aus." Kumpf will nicht von einem Riss in der Gemeinde sprechen. Er zeigt Verständnis für die Argumente beider Seiten und rechtfertigt die Beratungen im Gemeinderat. "Wir müssen jede Firma gleich behandeln." Davon will Inge Jakob aber nichts wissen. "Wieso sollen wir kritischen Bürger einen Kompromiss schließen?", fragt sie. Lärm, Verkehr und Flächenverbrauch bleiben. Dem Gemeinderat gibt sie den Rat, sich seine Entscheidung gründlich zu überlegen.

Kommentar von Bernhard Pehl

"Nun sag, wie hast du's mit der Scherm-Erweiterung?" möchte man in Anlehnung an Goethes "Faust" fragen. Argumente für und wider hat jede Seite gesammelt - und natürlich die richtige Antwort für sich gefunden. Wer bei Scherm arbeitet, aber in ruhiger Lage wohnt, ist in einer ganz anderen Situation als der Lichtenauer, der nur Lärm und Verkehr, aber sonst nichts von Scherm hat. Und jetzt? Beschluss des Gemeinderats? Noch ein Bürgerbegehren? Es geht schon wieder los mit den Behauptungen, wer angeblich was wann gesagt haben soll oder nicht. Das hilft nicht weiter, genauso wenig wie mediale Inszenierungen. Nicht übereinander, miteinander reden! Kompromissvorschläge wie den von Bürgermeister Kumpf ausloten. Ein Parkdeck rechnet sich nicht? Dann kostet es eben, davon geht Scherm nicht unter. Und wenn ein ICE mit 300 km/h in vier Stunden von München nach Berlin rast, wird es doch möglich sein, den Bahnanschluss in Probfeld auszubauen.