Ingolstadt
"Sammelsurium von antikem Schrott"

Bis 2021 im Stadtmuseum, dann in der Staatssammlung: Der Schatzfund von Dünzlau ist der größte Süddeutschlands - und vor allem komplett

10.02.2019 | Stand 23.09.2023, 5:55 Uhr
Für den Schatz von Dünzlau hat das Stadtmuseum eigens eine Vitrine geräumt, was nur sehr selten vorkommt. Um den größten bronzezeitlichen Depotfund Süddeutschlands mit über 1800 Stücken mit einem Gewicht von 33 Kilogramm versammelten sich (von links) Jan Martin Skolaut, Uni Freiburg, Christoph Huth, Uni Freiburg, BM Sepp Mißlbeck, Sebastian Sommer, Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, Michael Ernst, der Finder, Norbert und Jutta Braun, die Grundbesitzer, sowie Rupert Gebhard, Archäologische Staatssammlung München. −Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Für Michael Ernst war es pure Entspannung, für die Archäologie ein Glücksfall, wie er nur sehr selten passiert: Im Jahr 2014 war der Sondengänger aus Gerolfing wieder einmal auf den Feldern und Wiesen rund um Ingolstadt unterwegs, als sein Detektor bei Dünzlau auf einmal anschlug.

Nach einer kurzen, oberflächlichen Suche traten zahlreiche kleine Fundstücke zu Tage, und Ernst war klar, dass er hier auf etwas Größeres gestoßen war. Im Gegensatz zu manch anderen Sondengängern tat der junge Familienvater dann genau das Richtige: Er grub nicht weiter, sondern verständigte die Fachleute. Und nachdem auch die Grundstückseigentümer Jutta und Norbert Braun viel Verständnis zeigten, konnten die Archäologen den Schatz von Dünzlau im Gegensatz zu den allermeisten anderen vollständig bergen, dokumentieren und restaurieren.

Bei der Präsentation am Stadtmuseum rühmte denn auch Bürgermeister Sepp Mißlbeck "das vorbildliche Verhalten des Finders" und "die Geduld der Familie Braun", die es möglich machten, diese "unschätzbaren Werte aus der Vergangenheit" zu erhalten.

Hochachtung auch von höchster Stelle: Landeskonservator Prof. Sebastian Sommer lobte die unmittelbare Meldung des Fundes und vor allem dessen Unberührtheit, was nicht nur eine schnelle Durchsicht und eine rasche wissenschaftliche Bearbeitung ermöglicht habe. "Mindestens genauso wichtig wie die Funde ist der Zusammenhang des Auffindens", so Sommer. Denn es gehe auch darum, die Zusammenhänge zu erfassen, die "Geschichten hinter der Geschichte". Dies macht auch die Bedeutung des Bronzeschatzes von Dünzlau aus, der am Freitag erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde und voraussichtlich bis 2021 im Stadtmuseum Ingolstadt gezeigt wird. Nach der Wiedereröffnung der aktuell in Generalsanierung befindlichen Archäologischen Staatssammlung soll der bedeutende Fund dauerhaft in München präsentiert werden.

Prof. Rupert Gebhard lobte die gute Zusammenarbeit zwischen dem Stadtmuseum und der Archäologischen Staatssammlung, die er leitet. Der Schatz von Dünzlau, dieses "Sammelsurium von antikem Schrott", sei ein "Schatz für die Wissenschaft". Denn die über 1800 Objekte dieses größten spätbronzezeitlichen Hortfunds Süddeutschlands mit einem Gesamtgewicht von mehr als 33 Kilo sind bis auf 54 alle kaputt. Die Archäologen fanden eine Ansammlung von Bronze- und Kupferobjekten aus verschiedenen Regionen Süddeutschlands, die typisch für die frühe Spätbronzezeit (13./12. Jh. vor Christus) sind. Die Funde reichen von alltäglichen Gegenständen, z. B. Sicheln, Beilen und Messern, über Schmucknadeln und qualitativ hochwertigen Arm- und Beinschmuck, Schwerter und Lanzenspitzen bis hin zu wertvollem Rohkupfer in Form von Gusskuchen. Die vielfältige Zusammensetzung, der Grad der Fragmentierung und Abnutzung sowie das Rohmaterial weisen den Hort als ein Metalllager der Spätbronzezeit aus, das für Recycling bestimmt war.

Der Archäologe Jan Skolaut bearbeitet den Depotfund an der Uni Freiburg und hat alle 1823 Objekte genau angeschaut. Das Ergebnis: Nur drei passen zusammen. Die defekten Objekte wurden absichtlich zerstört, wobei der Schmuck, der durchaus filigran gearbeitet ist, fast die Hälfte ausmacht. Skolauts weitere Arbeit besteht darin, Herkunft und Datierung der Stücke sowie des Metalls und den Abnutzungsgrad genauer zu bestimmen.

Hort- oder Depotfunde sind absichtsvoll und gleichzeitig verborgene Objekte, die weder Grabausstattungen noch Siedlungsreste darstellen. Wie der Freiburger Archäologe Prof. Christoph Huth im Barocksaal erläuterte, werden derartige Depots seit der Steinzeit angelegt - warum genau, weiß man nicht immer. Bekannte regionale Beispiele sind das Bernsteincollier im Stadtmuseum oder der 1999 entdeckte Goldschatz von Manching, der im Kelten- und Römermuseum gezeigt wird. Wie Huth den erstaunten Zuhörern im Barocksaal erzählte, gibt es sogar auf dem Mond ein Depot-Kunstwerk: Fallen Astronaut heißt die Skulptur mit einer kleinen Platte, die von der Apollo-15-Mannschaft zum Gedenken an alle im Einsatz gestorbenen Astronauten auf dem Erdtrabanten niedergelegt wurde.

Doch warum wurde gerade in der Bronzezeit (2200 bis 800 vor Christus) und vor allem in der späten Phase so viel Brucherz deponiert, zumal es ja damals nur sehr wenige Kupfer- und Zinnminen in Europa gab? "Es diente der Qualitätsbestimmung", lautete Huths etwas überraschende Antwort. Denn beim Brechen kann ein Schmied herausfinden, wie viel Blei oder Zinn in einem Bronzeobjekt steckt. Die Methode macht laut Huth nur bei Legierungen Sinn, denn Kupfer selbst lässt sich kaum brechen. Die Bronzestücke wurden also vergraben, um sie später wieder einzuschmelzen, und das Brechen diente der Feststellung der Zusammensetzung, um beim späteren Legieren das richtige Mischungsverhältnis zu finden.

Bernhard Pehl