Ingolstadt
Reaktion auf Forsa-Umfrage: SPD-Kandidat Scharpf sucht schon Verbündete für Stichwahl

29.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:57 Uhr
Beste Stimmung bei der SPD, die guten Forsa-Ergebnisse beflügeln die Genossen. Hier OB-Kandidat Christian Scharpf am Samstag am Wahlkampfstand seiner Partei in der Fußgängerzone. −Foto: Hammer

Ingolstadt - Die Freien Wähler machen wieder am meisten her. Optisch zumindest. Sie setzen auf die Strahlkraft ihrer Farbe – Orange – und die Attraktivität ihrer Eimer.

Der FW-Klassiker in mehreren Wahlkämpfen. Ein großes Team mit orangefarbenen Schals verteilt die orangefarbenen  Eimer –  500 Stück haben sie am Samstag an ihrem Stand in der Fußgängerzone dabei – auf einem orangefarbenen Teppich;  auch so kann man auf sich aufmerksam machen. Die Kübel bieten zudem den  Vorteil,   dass man damit die Präsente der anderen Parteien gut einsacken kann, Petra-Kleine-Sticker von den Grünen etwa oder  mal  einen Ulrich-Bannert-Flaschenöffner  von der AfD. 
Alle Parteien und Gruppen, die in den Stadtrat wollen, sind  an diesem  milden Samstag mit Ständen  präsent.  „Wir werfen in die FW-Eimer  gern unser Wahlprogramm rein“, erzählt Jürgen Köhler, OB-Kandidat der  UDI.   Der Wahlkampf ist in vollem Gange. Zwei Woche noch. Ein Thema beflügelt die Gespräche an den Wahlständen und darüber hinaus: Forsa. Die neue Studie der Wahlforscher im Auftrag des DK ist da. Die Zahlen bergen einiges Debattenpotenzial. 

SPD

Die Ergebnisse der  Februar-Umfrage sind am Samstag erst seit wenigen Stunden   veröffentlicht, da geht Christian Scharpf, OB-Kandidat der SPD, schon auf die Suche nach Bundesgenossen    für  die Stichwahl. Die hält das Forsa-Institut für sehr wahrscheinlich – und auch er  rechnet fest damit.  Der SPD-Bewerber bat gleich am Vormittag die  OB-Kandidaten der kleineren Parteien um ein  gemeinsames Gespräch über eine mögliche Wahlempfehlungen für ihn.  Am Montag will man sich treffen. „Ich spreche mit allen, auch mit den Freien Wählern“,   sagt Scharpf am SPD-Stand.  „Ich möchte mit allen zusammenarbeiten.“   Das gereizte Klima und die Lagerbildung im Stadtrat müssten endlich aufhören. Und noch etwas: „Die CSU muss sich erneuern.“

Der  enorme Zuwachs für die SPD  in der neuen Forsa-Studie – 28 Prozent für OB-Kandidat Scharpf, 18 Prozent für die Partei –  „ist eine wahnsinnige Motivation  für uns“, sagt der Fraktionsvorsitzende Achim Werner. „Jetzt werden wir  um so mehr die Ärmel hochkrempeln und um jede Stimme kämpfen!“   
Die Forsa-Ergebnise passten zu dem, was er in Gesprächen  spüre, sagt Scharpf: „Wechselstimmung – immer mehr Ingolstädter wünschen sich  nach 48 Jahren unter Führung  der CSU einen Wandel.“ Auf   Spekulationen  darüber, ob er  womöglich Zweiter Bürgermeister wird, will er sich  gar nicht einlassen. „Die SPD setzt auf Sieg!“

FREIE WÄHLER

„Ich bin mit den Forsa-Zahlen zufrieden, aber nicht überschwänglich“, sagt OB-Kandidat Hans Stachel. „Aber so bin ich auch nicht.“ Die Freien Wähler werden sich in den  zwei Wochen bis zur Wahl ebenfalls treu bleiben „und keine künstlichen Themen setzen, das haben wir noch nie gemacht. Wir werden weiterhin ruhig,  sachlich und ordentlich mit den anderen umgehen“. Das Plus  im Vergleich zur Januar-Erhebung sowohl für ihn (Stachel liegt jetzt  bei 10 Prozent) als auch für die  FW (12 Prozent) freue ihn. Doch wie gesagt:  kein Überschwang. „Es sind nur Zahlen.“ Und noch keine Stimmen.

Eines kündigt Stachel schon jetzt an: Sollte es am  29. März zur Stichwahl zwischen Lösel und Scharpf kommen, „werden wir am Wochenende davor sicher nicht mit einem Stand in der Fußgängerzone stehen“.  Er selbst sei da ohnehin nicht da, „sondern mit der Familie beim Skifahren“. Lange ausgemacht. 

CSU

Ein anständiger Umgang miteinander – den vermisst OB Christian Lösel (CSU) mehr und mehr. Das bedrücke ihn, sagt er am Stand der CSU. „Die Angriffe auf mich und viele Parteimitglieder häufen sich, auch Angriffe unter die Gürtellinie.“ Das sei vor der Kommunalwahl  2014 nicht so gewesen. Es werde  immer schwieriger,   Leute zu motivieren, sich ehrenamtlich in der Politik zu engagieren, wenn sie  derart böse Attacken ertragen müssten, sagt Lösel. „Ich grenze mich da ab. Ich greife niemanden an. Ich  versuche weiter, die Probleme der Bürger zu lösen.  Ich betreibe auch keine ideologische Politik. Das habe ich noch nie gemacht. Und jetzt fange ich auch nicht damit an.“

Der OB liegt laut Forsa  bei 39 Prozent, die CSU bei 34 Prozent. „Das  entspricht dem CSU-Landestrend“, sagt Lösel.  „Die Erosion der großen Parteien geht weiter.“ Überall. Die CSU werde sachlich weiterarbeiten. „Wir  werden   verstärkt das Gespräch mit den Bürgern suchen und  auch von Haustür zu Haustür.“ 

GRÜNE

Ihren Optimismus kann keiner trüben, auch kein Meinungsforschungsinstitut aus Berlin. OB-Kandidatin Petra Kleine ist in der  Februar-Umfrage  mit 6 Prozent von Platz 3 auf Platz  4 gerückt, die  Grünen haben ebenfalls leicht verloren, sie stehen jetzt bei 13 Prozent. So viel hatten sie bei keiner Wahl. Deshalb  setzen sich alle zuversichtlich  für den möglichen Rekord ein. „Wir glauben, dass wir noch zulegen“, sagt Kleine. 15 Prozent  seien drin. Das wären  vermutlich acht Stadtratssitze.  2014 holten die  Grünen fünf. „Die Stadt ist seither grüner geworden, das sieht man auch an den Wahlprogrammen der anderen Parteien“, so Kleine. „Wir werden bis zur Wahl   noch mehr mit  Bürgern reden.   Persönliche Gespräch sind  immer das Beste.“

Am 13. März  kommt Grünen-Star Robert Habeck nach Ingolstadt. Sein Auftritt könnte noch mal  Schub geben,  glaubt Kleine.  Das große gemeinsame Thema: „Die Grünen wollen ein Signal für den Strukturwandel in der Autoindustrie geben. Dort können viele zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, wenn wir endlich auch hier grüner denken.“

BÜRGERGEMEINSCHAFT

Keiner kann behaupten, dass Christian Lange,   OB-Kandidat der Bürgergemeinschaft (BGI), mit seinen Ansichten herumdrucksen würde. Auch nicht am Samstag: „Die Tendenz für die CSU freut mich“, sagt er. „Immer mehr Bürger sehen die CSU kritisch – und bis zur Wahl werden es noch mehr.“ Die Freien Wähler seien „ein Anhängsel der CSU, auch wenn sie jetzt versuchen, sich zu emanzipieren – ob es zieht, bezweifle ich“.

Was sagt er zur Tendenz seines Bündnisses, die  auch nicht  nach oben schießt (6 Prozent für  Lange  wie  für die BGI)? „Wir haben einen Prozentpunkt  zugelegt. Wir hoffen auch  auf die Briefwahl. Da waren wir beim letzten Mal stark.“ Man müsse mit Blick auf die Forsa-Umfrage bedenken, so Lange, „dass viele Briefwähler ihre   Entscheidung schon getroffen haben“. 

FDP

Die FDP  kämpft  nicht auf verlorenem Posten. Sondern in ei-ner 1a-Lage: am Schliffelmarkt. Aus dem schlechten Ergebnis in der Umfrage (1 Prozent für OB-Kandidat Jakob-Schäuble, 2 Prozent für die FDP) haben die Liberalen sofort  Konsequenzen gezogen: „Wir haben heute eine Stunde früher angefangen“, erzählt Schäuble. Er bekennt: „Das ist nicht das, was wir uns erhofft haben.“ Stadtrat Karl Ettinger, Nummer 2 auf der Liste, reagiert nicht ganz so  gelassen: „Ich verstehe das nicht!  Was sollen wir denn anders machen? Wir sind immer präsent! Sechs Jahre saubere Arbeit,  kein  Skandal, kein  einziger  Ausrutscher. Und dann das.“ Auch die Ingolstädter FDP-Legende Siegfried Bauer weist darauf hin, „dass viele schon gewählt haben“, per Brief. Da fällt Ettinger   noch etwas Positives ein:  „Seit es Christian Scharpf gibt, sind CSU und SPD  viel netter zu uns.“ 

AfD

Neben den  erwähnten Ulrich-Bannert-Flaschenöffnern gibt es am Stand der AfD Oskar-Lipp-Feuerzeuge und ein Wahlprogramm, auf dem – wie AfD-Stadtrat Bannert findet –  auch Forderungen stehen, die nicht jeder  mit seiner Partei in Verbindung bringe, etwa ein kostenloses letztes Kindergartenjahr. Es ärgere ihn, dass ihm dauernd Ideologiearbeit  unterstellt werde, sagt Bannert. „Wir  machen Kommunalpolitik. Wir wollen für die Bürger da sein.“ 

Dem Forsa-Ergebnis traut er nicht recht. „Fragwürdig“ findet er das  Minus von 2 Prozentpunkten; die AfD käme nun auf  5 Prozent. Einen OB-Bewerber  gibt es nicht; Bannert hat die Altersgrenze überschritten, er wird bald 70. „Unser Ziel ist die Fraktionsstärke“, also mindestens drei Mandate. „Erst dann  legen wir die Zukunft fest.“ Zum  Beispiel Fragen wie: Für welche Referenten- und Bürgermeisterkandidaten wird die AfD stimmen?  „Aber jetzt warten wir erst mal das Ergebnis ab.“

UDI

Die Stimmung am Stand: gelöst. OB-Kandidat Jürgen Köhler: gelassen-heiter wie gewohnt, und die Suppe der  Unabhängigen Demokraten Ingolstadts (UDI) geht auch gut weg. Alles prima. 3 Prozent für Köhler, 3 Prozent für die UDI, das sei doch schon mal „sehr positiv“, sagt Köhler.  Er freut sich schon auf die Stichwahl. „Denn wir hoffen auf den Wechsel.“ Er persönlich werde empfehlen, Scharpf zu wählen. Am Montag wird er an dem Gespräch teilnehmen, um das der SPD-Bewerber gebeten hat. Ob die UDI auch eine gemeinsame Empfehlung für Scharpf abgeben , entscheide  kurz vorher die Mitgliederversammlung.

ÖDP

Raimund Köstler verteilt am Stand unermüdlich Parteiinformationen. Der OB-Kandidat der  ÖDP ist in bester Stimmung. „Wir haben bei Forsa ja  ein wenig  zugelegt.“ Die Entwicklungen bei den größeren Parteien gefallen ihm auch.  „Ich bin  klar für den Wechsel.“ Das   gereizte Klima im Stadtrat mache  ihm  zu schaffen. „Die Leute wundern sich, wieso das dort so ist. Sie fragen, warum wir nicht alle zusammenarbeiten“, sagt Köstler. Er werde seinen Wählern in einer  Stichwahl daher Christian Scharpf ans Herz legen.  

DIE LINKE

Am Stand der Linken lobt Roland Meier, Listenplatz 6, den OB-Kandidaten Christian Pauling (Listenplatz 2), der gerade nicht da ist. Der 29-Jährige hat sich in den Forsa-Befragungen von 2 auf 5 Prozent verbessert. So einen Sprung „hat sonst keiner geschafft“, sagt Meier.  Er vertraut den Forsa-Prognosen. „Das sind Profis.“   Bei den Linken gelte es, in der Statistik  ganz besonders die Zustimmung von Erstwählern  abzubilden, „denn wir haben viel Rückenwind aus der Jugend“. Nicht zu vergessen die  zahlreichen  Frauen; „Wir haben  26  Kandidatinnen auf der Liste.“ Das schaffen  nur wenige Parteien, sagt Meier.

JUNGE LISTE

Die Junge Union, die erstmals mit einer eigenen Liste antritt, muss   weiter  an ihrer Bekanntheit arbeiten. Weniger als 1 Prozent würde die Junge Liste laut Forsa  derzeit  wählen. „Das Ergebnis bestätigt unsere Wahrnehmung aus  Gesprächen, dass wir es noch schwer haben, als eigenständig anerkannt zu werden“, sagt Markus Meyer, CSU-Stadtrat und  Listenanführer.   „Ermutigt durch sehr positive Resonanz  gehen wir noch motivierter daran, den Rückstand zu den bekannten Parteien wettzumachen“. Die Junge Liste  hofft auf viele   Panaschierstimmen. Eines ihrer Angebote an die Wähler: „Verjüngung“.  DK

 

 

Christian Silvester