Ingolstadt
"Wir sind gekommen, um zu bleiben"

Primark-Geschäftsführer Wolfgang Krogmann über Ingolstadt, die neue Filiale und Nachhaltigkeit

17.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:51 Uhr
Er ist bei Primark Geschäftsführer für Deutschland und Österreich: Wolfgang Krogmann beim Redaktionsgespräch im Verlagsgebäude des DONAUKURIER. −Foto: Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Der Geschäftsführer von Primark, Wolfgang Krogmann, spricht im Interview mit dem Donaukurier über die anstehende Primark-Eröffnung und die Philosophie des Unternehmens.

Herr Krogmann, Primark wurde bereits 2015 als neuer Mieter der ehemaligen City-Arcaden vorgestellt. Warum hat der Umbau so lange gedauert?

Wolfgang Krogmann: Wir hatten darauf keinen Einfluss. Wir machen einen Mietvertrag, in dem steht, in welcher Form wir das Geschäft später übernehmen wollen, den Zustand muss der Vermieter entsprechend herstellen. Das ist, wie wenn Sie eine Wohnung mieten und sagen, die Wasserhähne müssen ausgetauscht werden. Bis das nicht getan ist, werden Sie nicht einziehen. So ähnlich ist es bei uns gelaufen. Nachdem wir das Gebäude dann in dem Zustand übernommen haben, ich glaube, das war im April, dann brauchten wir noch eine gewissen Zeit für unseren internen Ausbau. Das ist ja eine sehr große Fläche, eine sehr komplexe Gestaltung mit Rolltreppen, Aufzügen, Klimaanlagen. Das braucht einfach seine Zeit.

Sie saßen wahrscheinlich auch auf glühenden Kohlen. Wir haben mal von Anfang 2017 als Eröffnungstermin geschrieben.

Krogmann: Damals habe ich Wunsch und Hoffnung zum Ausdruck gebracht. Manchmal geht es schneller, manchmal dauert es eben länger. Aber es bewegt sich alles in dem Rahmen, den wir vertraglich vereinbart haben.

In Ingolstadt hat man sich schon Sorgen gemacht. Da hat man Gerüchte gehört, Primark käme gar nicht mehr.

Krogmann: Das war nie die Frage.

Auch in der Stadtpolitik hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass man München den Vorrang geben wollte, als erste Filiale in Bayern aufzumachen.

Krogmann: München ist ein Shoppingcenter. Da geht es in der Regel einfacher schneller, weil es keine alte Bausubstanz ist.

Die Anlieferung erfolgt über den Holzmarkt. Wie viele Lkw kommen in der Woche?

Krogmann: Viermal je ein Lkw. In der Eröffnungszeit wird fünfmal ein Lkw kommen, aber es sind keine 40-Tonner. Das sind Lkw, auf die 24 Paletten passen. Die Anlieferung wird in den frühen Morgenstunden zwischen 6 und 8 Uhr erfolgen. Die Lkw gehen auch nicht leer zurück, sie sammeln die Pappen ein, die mit den Kartons gekommen sind, sie nehmen leere Europaletten mit. Auch hier ist die Logistik so ausgeklügelt, dass die Belastung vor Ort so gering wie möglich sein wird.

Primark hat sich in Ingolstadt bewusst für die Innenstadt entschieden. Man hätte theoretisch ja auch in den Westpark gehen können. Warum Innenstadt?

Krogmann: Erstens wegen der Verfügbarkeit, zweitens finden wir die Innenstadt gut. Es ist eine schöne Innenstadt, ich glaube, dass wir uns da wohl fühlen werden und erfolgreich sein werden. Ingolstadt ist eine florierende Wirtschaftsregion. Eine Stadt mit großem Potenzial. Und sie hat bewusst die Entscheidung getroffen, die Fußgängerzone zu sanieren und neu zu gestalten.

Sie eröffnen mitten in einer Phase, in der die Innenstadt eine Baustelle ist. Leerstände ringsherum, macht Ihnen das Spaß?

Krogmann: Das ist so. Stadtentwicklung ist gut. Stadtentwicklung hat manchmal auch ihren Preis, aber Vorteile, wenn alles fertig ist. Uns ist das ja nicht unbekannt. Ich finde es sehr erfreulich, dass hier so stark investiert wird. Das wird für uns auch gut sein. Und ich denke, dass wir auch einen Beitrag dazu leisten werden, dass die Innenstadt gut belebt wird. Wir wissen, dass wir mit unserem Geschäftsmodell viele Kunden anziehen werden. Davon profitieren auch unsere Nachbarn. Das wissen wir auch aus anderen Städten. Da sagen die Nachbarn, es ist klasse, dass ihr da seid, dann ist hier wieder was los. Und wir verhalten uns auch wie gute Nachbarn. Wir sind nicht wie eine Firma, die nichts mit der Stadt zu tun haben will. Wir sind eine global aufgestellte Firma, die aber lokal handelt und auch versucht, einen lokalen Bezug herzustellen. Dass ist schon allein durch unsere Mitarbeiter gegeben, die hier wohnen.

Mit wie vielen Kunden rechnen Sie denn?

Krogmann: Das ist immer schwer zu sagen. Wir zählen die Kunden nicht, die unseren Laden betreten. Wir wissen nur, wie viele Kassenabschlüsse wir machen, davon machen wir bestimmte Rückschlüsse. Aber wir rechnen damit, dass zwischen 20.000 und 25.000 Menschen pro Woche unseren Store betreten. Wie viele davon einkaufen, keine Ahnung. Wir sind gekommen, um zu bleiben. Wir haben ein Investment angeschoben und wollen hier Geld verdienen. Da braucht man manchmal auch ein bisschen Atem und Marathonqualitäten.

Wie lange läuft Ihr Mietvertrag?

Krogmann: Über viele Jahre. Wirtschaftlich macht es keinen Sinn, Räume anzumieten und nach drei Jahren zu verschwinden. So sind wir nicht. Wir machen keinen Onlinehandel, wir betreiben unser Geschäft in der Stadt, in den Wänden, die wir entweder besitzen oder angemietet haben. Und da wissen wir, da muss man einen guten Job machen. Wir müssen schöne Läden gestalten, unsere Mitarbeiter müssen die Läden toll herrichten, jeden Tag. Wenn wir das nicht machen, sind die Kunden unzufrieden und kaufen nicht bei uns ein. Deshalb haben wir ein sehr lebhaftes Interesse, jeden Standort, an dem wir sind, gut zu gestalten.

Mit welchem Einzugsgebiet rechnen Sie?

Krogmann: Ich kann es Ihnen wahrscheinlich in einem halben Jahr sagen, wenn wir unsere Kunden befragt haben, woher sie kommen. Wenn Sie fragen, was machen wir werbetechnisch zur Eröffnung, dann bleiben wir natürlich nicht nur in Ingolstadt. Wir haben uns alle anderen Städte angeguckt, die verkehrstechnisch gut an Ingolstadt mit Nahverkehr oder Autos angebunden sind. Dort werden wir auch einen Teil unserer Werbekampagne zur Eröffnung machen.

Es wird im Süden bis zum Münchner Umland gehen.

Krogmann: Zwischen München und Ingolstadt gibt es irgendwo eine Grenze. Wo, das ist sehr stark abhängig von Verkehrsmitteln und Verkehrsdichte. Man schaut sich Straßenverkehrspläne und Nahverkehrspläne an, aber wie sich dann der Kunde entscheidet, das weiß ich nicht. Manchmal ist ein Fluss oder ein Berg eine Trennung, wo man denkt, hm, das sind doch nur ein paar Kilometer auseinander und trotzdem ist es eine natürliche Trennung. Und die wird es auch zwischen Ingolstadt und München geben. Der eine fährt lieber dorthin, der andere dahin.

Woher kommt dieser Hype, was Primark anbelangt? Der Preis alleine kann es nicht sein. Es gibt viele Billiganbieter.

Krogmann: Das ist eine Mischung aus verschiedenen Puzzleteilen. Der Preis spielt eine Rolle, das Produkt, die Qualität, das Design der Produkte. Auch die Gestaltung unserer Geschäfte, das abwechslungsreiche Sortiment. Diese Mischung ist es, die dazu führt, dass man überwiegend gut über uns spricht und auch gerne zu uns zum einkaufen kommt. Der Preis alleine, da geb ich Ihnen Recht, ist es mit Sicherheit nicht. Die Kunden haben sehr schnell begriffen, dass man bei uns eine für den Preis überdurchschnittliche Qualität bekommt. Das hängt damit zusammen, dass wir, wie andere auch, unsere Ware in bestimmten Regionen der Welt einkaufen. 98 Prozent der Lieferanten teilen wir uns mit anderen Lieferanten. Viele Produkte kommen aus der gleichen Fabrik wie bei unseren Mitbewerbern. Dann obliegt es jeder Firma, zu sagen, ich habe ein T-Shirt herstellen lassen - wir alle werden es wahrscheinlich zu etwa dem gleichen Preis herstellen lassen - wie ist dann der Verkaufspreis. Der eine macht eine hohe Marge, der andere eine niedrige. Wir machen eine niedrige Marge, der Kunde erkennt, obwohl ich hier weniger zahlen muss, kriege ich die gleiche Qualität wie woanders. Das führt dazu, dass er gerne wiederkommt.

Aber es gibt auch immer wieder den Vorwurf, dass der niedrige Preis auf Kosten der Arbeitsbedingungen geht. Primark ist in einem Textilbündnis dabei, hat nach dem Unglück in Bangladesch (wo neben anderen auch Primark produzieren ließ, Anm. d. Red. ) einiges getan. Dennoch gibt es Firmen, die sagen, sie treten aus dem Bündnis aus, weil Billiganbieter wie Primark dabei sind.

Krogmann: Für andere Unternehmen und deren Beweggründe kann ich nicht sprechen. Wir lassen uns daran messen, was wir als Ziel in den sogenannten Roadmaps gesetzt haben, was wir erreicht haben, was wir nicht erreicht haben, was wir noch vorhaben. Das ist kein einmaliger Prozess, das ist ein längere Prozess. Wir waren eines der wenigen Unternehmen, die im letzten Jahr ihre Roadmap freiwillig veröffentlicht haben. Wir veröffentlichen auch die aktuelle. Man kann online genau einsehen, welche Ziele sich Primark gesteckt hat. Und jeder, der sich informieren möchte, kann das genau nachlesen. Was im Textilbündnis gefordert wird, ist für uns übrigens nicht neu. Wir sind schon seit über zehn Jahren in einem ähnlichen Bündnis in England. Wir legen dort unsere Ergebnisse vor, Teile unserer Lieferkette. Was wir erreicht haben, wird neutral gemessen. In dieser Organisation gibt es eine Rangliste, welche Firmen weit vorne sind. Wir gehören zu den fünf Prozent derjenigen, die das am weitesten entwickelt haben und gelten als Vorreiter - so genannte Leader. Denn wir gelten als besonders transparent und haben dazu beigetragen, dass sich die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern verbessert haben. Ich bedauere es sehr, dass Kritiker sich nicht die Mühe machen, mit uns in einen Dialog zu treten oder zumindest als Minimalanforderung sich durch unsere Website durcharbeiten. Da steht alles, was wir machen.

Was trägt Primark konkret zur Verbesserung der Produktionsbedingungen bei?

Krogmann: Eines meiner Lieblingsbeispiele an Projekten ist das Cotton-Projekt. Wir haben in Indien in einer bestimmten Region vor fünf Jahren begonnen, indische Farmerinnen zu betreuen. Frauen, die teilweise von ihren Männern oder aus der Familie zur Verfügung gestelltes Land haben dort, wo Baumwolle angebaut wird. Wir haben mit Hilfe einer Organisation investiert und haben den Frauen gezeigt, wie man die Felder besser bewirtschaften kann, mit weniger Wasser, mit weniger Chemie, wie man die Effizienz der Ernte steigern kann, wie man das Einkommen steigert, bis hin zu, was kann man machen, damit die Baumwolle zu einem guten Preis verkauft wird. Und all das nachhaltig. Wir haben das mittlerweile auf annähernd 10.000 Frauen ausweiten können. Es wird dort nachhaltige Baumwolle produziert. Wir wissen von A bis Z, wie sie entstanden ist, was damit gemacht wird. Wir haben diese Baumwolle genutzt, um einen unserer best verkauften Artikel herzustellen, ein Damenpyjama. Dieser kostet sieben Euro und ist aus nachhaltiger Baumwolle hergestellt.

Wie viel Prozent Ihrer Kleidung ist aus nachhaltiger Baumwolle?

Krogmann: In der Roadmap kann man den prozentualen Anteil aus nachhaltiger Baumwolle produzierter Teile sehen. Man muss es so sehen: Es ist der Beginn einer Reise, wir haben damit erst angefangen, wir haben es ausgeweitet und wir werden es auch nicht wieder einstellen, sondern auf andere Länder ausweiten. Wir haben begriffen: Es ist uns wichtig, es ist den Kunden wichtig, es ist wichtig für die Menschen, die dort vor Ort arbeiten, für die übernehmen wir auch Verantwortung. Das ist ein Projekt. Es gibt auch noch andere. Wir geben auch den Kunden in Ingolstadt Informationen, wie unser Geschäftsmodell funktioniert. Da erklären wir unter anderem auch, was hat es mit den Papiertüten auf sich. Die Papiertüten entstehen aus den Kartons, in denen die Ware in die Läden geliefert wird. Die Kartons werden in den Produktionsländern direkt fertig gepackt und gehen dann direkt in die Stores, werden dort zusammengetragen, mit den Lkw in unser Zentrallager zurückgebracht und dann machen wir daraus diese Tüten. Rund vier Wochen, nachdem die Kartons angekommen sind, haben wir sie als Papiertüten.

Warum kann Primark so günstig verkaufen?

Krogmann: Wir sind in der Lage, unsere Preise niedrig zu halten, da wir die Dinge ein wenig anders machen als andere Einzelhändler. Wir machen sehr wenig Werbung, wir sparen, indem wir in großen Mengen für alle unsere Geschäfte einkaufen und haben keine teuren Kleiderbügel oder Anhänger oder Etiketten. Dazu kommen extrem schlanke Verwaltungsstrukturen, sowohl im Hauptquartier in Irland als auch in den Landesvertretungen. In der Deutschland-Zentrale in Essen arbeiten nur 40 Menschen. Wenn man manche Dinge einfacher macht, führt das auch dazu, dass man preiswerter wirtschaften kann.

Das Gespräch führten Ruth Stückle und Thorsten Stark.
 
Eröffnungsprogramm mit DJEs ist der 27. Primark in Deutschland: Am Donnerstag, 30. August, um 10 Uhr  öffnet die zweite Filiale in Bayern des irischen Textildiscounters in der Ludwigstraße.  Die Verkaufsfläche erstreckt sich über 3100 Quadratmeter auf zwei Etagen.  Das Geschäft verfügt über 42 Registrierkassen und 24 Umkleidekabinen.   Rund 200   Mitarbeiter werden  in der Ingolstädter Filiale  tätig sein. Für sie gibt es  in dem Gebäudekomplex  im sogenannten „Back of House“ modern ausgestattete Aufenthaltsräume und ein Mitarbeiter-Café.  Primark hat derzeit über 350 Läden in elf Ländern und beschäftigt über 73 000     Festangestellte. Am Eröffnungstag gibt es   ein   Unterhaltungsprogramm mit DJ und einem Fotoautomaten. Geöffnet hat der Primark von Montag bis Freitag von 9 bis 20 Uhr und am Samstag von 9 bis 19.30 Uhr.