Ingolstadt
Politik ohne Publikum

Ausnahmen von der Regel: Welche Stadtratsgremien die Bürger von ihren Debatten ausschließen

14.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:21 Uhr
Zutritt verboten für interessierte Bürger: Wenn dieser Schriftzug am Sitzungssaal des Rathauses leuchtet, dürfen nur Mandatsträger und Verwaltungsmitarbeiter rein. −Foto: Hauser

Ingolstadt - Die Demokratie lebt von öffentlicher Diskussion, vom öffentlich ausgetragenen Wettbewerb um die beste Position.

Deshalb sind die Sitzungen des Stadtrates und seiner Ausschüsse in der Regel auch für jeden zugänglich, der sich dafür interessiert - ob das Stadtoberhaupt nun Christian Lösel heißt oder Christian Scharpf. Doch einige Gremien bleiben lieber unter sich.

Dass bestimmte Ausschüsse und Beiräte unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammentreten, ist in der Bayerischen Gemeindeordnung für den Fall vorgeschrieben, wenn "berechtigte Ansprüche Einzelner entgegenstehen". Die Geschäftsordnung des Stadtrates nennt hier ganz konkret: Personal-, Grundstücks- und Sparkassenangelegenheiten sowie Leistungs- und Auftragsvergaben. Wenn etwa im Finanz- und Personalausschuss der Kauf eines Baugrundstücks von Privateigentümern beschlossen und über den Preis diskutiert wird, sind Presse und Zuhörer nicht mehr dabei. Auch eine Aussprache über die Qualifikation und den Lebenslauf von künftigen Amtsleitern sollte natürlich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes diskret und hinter verschlossenen Türen stattfinden.

Prinzipiell ohne Publikum treffen sich auch die Mitglieder des Ältestenrates, in dem jede der Fraktionen und Gruppen vertreten ist. Das Gremium hat nichts mit dem Alter der Stadträte zu tun, sondern kümmert sich besonders um Organisatorisches und die Abstimmung zwischen den einzelnen politischen Kräften, spielt aber auch bei der Vergabe von kommunalen Preisen und Auszeichnungen eine wichtige Rolle. Hier werden die Namen der aussichtsreichen Kandidaten zum ersten Mal genannt.

Eine von Berufs wegen zurückhaltende Gruppe unter den Verwaltungsleuten sind die Rechnungsprüfer. Dementsprechend tagt auch der Rechnungsprüfungsausschuss des Stadtrates immer nichtöffentlich. Die sieben Mitglieder des Gremiums befassen sich meist mit konkreten Berichten der Prüfer, die sich wiederum bestimmte Abteilungen oder Ämter vorgeknöpft haben. Dabei geht es, kurz gesagt, um die sparsame und wirtschaftlich sinnvolle Handlungsweise der Verwaltung. Von den Rechnungsprüfern kommen auch Vorschläge, wie die Verwaltung effektiver arbeiten kann. Die Beratung hinter verschlossenen Türen heißt natürlich nicht, dass brisante Prüfberichte mit politischem Sprengstoff sich nicht in der DK-Berichterstattung wiederfinden würden.

Ein besonders heikles Stadtratsgremium, das nur für eine einzige Aufgabe gebildet wird, ist der Konzessionsausschuss. Hier gelten nicht nur für die Auswahl der Mitglieder, sondern auch für die Verschwiegenheitspflicht strenge Anforderungen. Dieses Gremium hat ein einziges Ziel: Da die Konzessionsverträge über Gas und Strom 2020 auslaufen, sollen mit einem Netzbetreiber neue Konzessionen vereinbart werden. Wer den Zuschlag bekommt, darf die öffentlichen Straßen, Wege und Plätze nutzen, im Gegenzug muss er an die Stadt eine Konzessionsabgabe bezahlen. Bisher ist die Netze GmbH, eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke, der Konzessionär. Wohlgemerkt: Es geht nicht um den Energieverkauf, sondern ausschließlich um das Leitungsnetz. Deshalb muss die Stadt strikt auf die personelle Trennung der Aufsichtsgremien achten: Wer im Aufsichtsrat der Stadtwerke sitzt, darf nicht gleichzeitig Mitglied des Konzessionsausschusses sein, sonst riskiert man Anfechtungsklagen.

Ein Fall für sich ist der Gestaltungsbeirat, kein Stadtratsgremium der üblichen Art, sondern ein Kreis externer Architekturberater, der gemeinsam mit den Sprechern des Planungsausschusses aktuelle Projekte diskutiert. Dabei stehen meist Bauvorhaben im Mittelpunkt, die eine große Öffentlichkeitswirkung haben.

Die Beratungen in dem Gremium waren in Ingolstadt zwar einige Jahre öffentlich zugänglich, dann entschloss sich jedoch die Stadtratsmehrheit, nur noch im internen Kreis zu diskutieren, wohl weil sich betroffene Architekten über einen allzu aggressiven Umgangston beschwert hatten. Der bislang letzte Versuch, zumindest bei kommunalen Bauprojekten Publikum zuzulassen, scheiterte in der konstituierenden Stadtratssitzung vom 2. Mai 2014. Damals hatten die Grünen vergeblich eine teilweise Öffnung beantragt. "Der Beirat", erwiderte bei dieser Gelegenheit Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU), "tagt sehr bewusst nichtöffentlich. "

Sein Nachfolger Christian Scharpf (SPD) hat sich in dieser Frage noch nicht festgelegt, wie er am Donnerstag von der Pressestelle auf Anfrage mitteilen ließ. An der früheren Wirkungsstätte des Sozialdemokraten, in der Stadtverwaltung von München, heißt das entsprechende Beratungsgremium Kommission für Stadtgestaltung. Auf der Internetseite der Landeshauptstadt steht dazu: "Um einen möglichst transparenten Qualitätsfindungsprozess zu gewährleisten, sind die Sitzungen öffentlich und finden in der Regel im großen Sitzungssaal des Rathauses statt. "

DK