Pilotprojekt für Audi-Leiharbeiter

27.02.2009 | Stand 03.12.2020, 5:10 Uhr

Präsentierten am Freitag den Vertrag (von links): Erdal Celik (Leiharbeiter bei Audi), Johann Horn (IG-Metall-Chef in Ingolstadt), Herbert Hansel (Transfergesellschaft GPQ), Raymond Opszalski (Personalchef Adecco-Gruppe) und Jörg Schlagbauer (IG-Metall-Chef bei Audi). - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Während die Stammbelegschaft von Audi am Freitag ihre Woche Kurzarbeit beendet hat, kann die Mehrzahl der 800 Leiharbeiter beim Autobauer in Ingolstadt auch wieder positiver in die Zukunft blicken. Sie müssen zwar gehen, werden aber überwiegend von einer Transfergesellschaft aufgefangen. [O-Töne]

Der von der Adecco-Gruppe mit der IG Metall geschlossene Vertrag ist eine beispielloses Pilotprojekt: "Wir haben heute den Beweis angetreten, dass auch in schwierigen Zeiten eine andere Lösung gefunden werden kann, als sie bundesweit praktiziert wird: Dass die Leiharbeiter als erste rausgeworfen werden", sagte Johann Horn, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Ingolstadt. Zwar habe Audi angedeutet, dass bis Ende April/Anfang Mai die derzeit rund 800 ausschließlich in der Produktion eingesetzten Leiharbeiter gehen müssten. Doch die große Mehrheit von ihnen bekommt eine Absicherung und eine Perspektive, wie Horn gestern erklärte.

Die über die Faschingstage ausgehandelte Vereinbarung steht auf vier Säulen: Rund 200 Arbeiter dürfen bei Adecco und Tuja bleiben und werden an andere Firmen weitervermittelt. Für zwei Monate, nachdem sie von Audi weggegangen sind, können sie nicht gekündigt werden.

Die Hälfte der Audi-Zeitarbeiter, also mehr als 400, darf für maximal viereinhalb Monate in eine Transfergesellschaft wechseln. Dort erhalten sie drei Viertel ihres letzten Nettoeinkommens und werden rundum betreut. Partner ist die gewerkschaftsnahe Nürnberger Gesellschaft für Personalentwicklung und Qualifizierung (GPQ), die seit 1996 rund 11 000 Menschen – unter anderem mehr als 1000 von AEG – betreut hat und davon rund zwei Drittel wieder vermitteln konnte, wie Geschäftsführer Herbert Hansel sagte.

170 Arbeiter gehen leer aus

In der Region ist die GPQ derzeit bei FM Systems (ehemals Rieter) aktiv. Früher auch bei Bäumler oder Leoni (Neuburg). Indem sie sich um Leiharbeiter kümmert, betritt sie wie alle Beteiligten Neuland.

Während die Mehrheit der Leihaudianer also eine Perspektive hat, trifft es etwa 170 Arbeiter hart: Sie haben ohnehin nur befristete Verträge bei den Zeitarbeitsfirmen und werden wohl arbeitslos, wenn die enden. "Die haben nichts von der Vereinbarung, die wir getroffen haben", gibt Horn zu. Er kritisierte die gesetzlichen Vorgaben, die solche befristeten Verträge in dieser Branche überhaupt erlaube. Manchmal würden die Arbeiter nur für ein einziges Projekt eingestellt. Horn: "Das ist überhaupt keine Perspektive für die Zukunft."

200 Leiharbeiter wurden in den vergangenen beiden Jahren aber auch von Audi übernommen. Ein Verdienst der IG Metall, sagten Horn und Jörg Schlagbauer, der Chef der IG-Metall-Vertrauensleute bei Audi. Die Zahl der Leihaudianer ist auf fünf Prozent der Gesamtbelegschaft begrenzt. Alles darüber muss fest eingestellt werden. Das hatte die Gewerkschaft vor Jahren herausgehandelt.

Warum Adecco den Deal eingeht, erklärte Raymond Opszalski, der Personalchef von Deutschlands größter Zeitarbeitsfirma: "Wir wollten Audi und der IG Metall zeigen: Hier ist eine Branche, die ein verlässlicher Partner ist." Man müsse ja auch nach der Bewältigung der Krise wieder zusammenarbeiten, sagte Opszalski. "Außerdem stellen wir uns unserer sozialen Verantwortung."

Die Verhandlungen waren aber alles andere als einfach, betonten die Teilnehmer. Schließlich geht es um ein Volumen im Millionenbereich. "Wir haben gestritten, sind aber dann doch durch die selbe Tür gegangen", so Opszalski, der aber den partnerschaftlichen Umgang lobte. Vor zwei Jahren hatten beide Seiten einen wegweisenden Tarifabschluss vereinbart, der die Leiharbeiter mit den Normalbeschäftigten beim Lohn gleichstellte.

Täglich Änderungen

Es sei aber durchaus Maßgabe der IG Metall gewesen, "in Zeiten der Krise die Partnerschaft auch mal auf die Probe zu stellen", sagte Schlagbauer. In guten Zeiten könne jeder Verträge aushandeln. Jeder Arbeiter habe Anspruch auf faire Behandlung – "und die Leiharbeiter machen einen super Job bei uns", so Schlagbauer.

Knapp zwei Drittel der Betroffenen sind aus der Region, der Rest aus Sachsen. Wann sie genau bei Audi aufhören müssen, ist offen. "Das ist flexibel", sagte Schlagbauer. Jede Woche bewerte der Autobauer den Bedarf neu. Auch in der Krise laufen neue Modelle an und kommen auf den Markt. Tagtäglich gibt es Änderungen: Wie Arbeitsagenturchef Zöllner verriet, arbeiteten zuletzt nur mehr rund 13 000 Audianer kurz.