Oberstimm
Das Ende ist da

29.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:08 Uhr

Fast 40 Hektar umfasst das Kasernengelände. Der Markt Manching will Gewerbe ansiedeln, die Stadt auf ihrem Teil die Kommunalbetriebe und Museumsdepots - Foto: Schalles

Oberstimm (DK) Wenn heute ein für alle mal auf dem Oberstimmer Kasernengelände die Fahne eingeholt wird, geht eine über 100-jährige militärische Tradition endgültig zu Ende. Die ersten Soldaten hatten 1878 das Vorgängergebäude Fort IX der ehemaligen Landesfestung bezogen, das genau an derselben Stelle stand. 80 Jahre später begannen nach archäologischen Grabungen die Arbeiten für den Bau einer neuen Kaserne in Oberstimm. Das frühere Fort wurde eingeebnet und teilweise gesprengt, das Gelände durch Grundstückskäufe von den Landwirten vergrößert.

1959 erhielt dann das kurz zuvor in Dienst gestellte Aufklärungsgeschwader 51 den Befehl zur Verlegung nach Manching, was nach einem Jahr abgeschlossen werden konnte: 1100 Mann, 42 Maschinen vom Typ RF 84 F und sogar einige einmotorige Propellermaschinen. Genau fünf Jahre nach dem Beitritt der jungen Bundesrepublik wurde am 5. Mai 1960 der erste direkt der Nato unterstellte Einsatzflugplatz der Luftwaffe an das Aufklärungsgeschwader übergeben. Anwesend waren Verteidigungsminister Franz Josef Strauß und der Inspekteur der Luftwaffe Generalleutnant Josef Kammhuber. Die Truppenunterkünfte befanden sich in Oberstimm.

„Ein großer Tag war der 24. April 1961: Anlässlich der Wiederkehr des Todestages des Rittmeisters Manfred Freiherr von Richthofen wurde dem Aufklärungsgeschwader der Traditionsname Immelmann verliehen“, schrieb damals der DK. Der Sommer 1965 brachte die Umrüstung auf den Starfighter. Mit der Benennung der Truppenunterkunft in Oberstimm in Max-Immelmann-Kaserne 1966 trugen Verband und Kaserne denselben Namen. Doch schon 1969 wurde die Einheit nach Bremgarten verlegt, wo sie bis zu ihrer Auflösung 1993 stationiert war.

Noch im Oktober des Jahres zog 1969 zog ein Vorkommando des Luftwaffenausbildungsregiments 4 in Oberstimm ein, im Januar 1970 folgten weitere Verbände dieses Regiments, das später mehrmals umbenannt wurde. Von Mitte 1986 bis Mitte 1987 wurden der Stab aufgelöst und die vier Kompanien verlegt. „Ab diesem Zeitpunkt konnten Wehrpflichtige und Soldaten auf Zeit ihre Grundausbildung in der Immelmann-Kaserne nicht mehr ableisten, während bis Einberufungsdatum 1986 und vorher jedes Quartal bis zu 600 Wehrpflichtige und zum Teil auch Soldaten auf Zeit ausgebildet wurden“, schreibt Erich Spitlbauer, der von 1969 bis 1989 in Oberstimm Offizier war und viel zu dieser Chronik beigetragen hat.

Bis etwa bis Mitte der 80er Jahre waren in Oberstimm noch weitere Einheiten untergebracht. Die 4. Staffel des FlugFlaRak-Bataillons 34 war im August 1969 nach Oberstimm gekommen. Die Raketenstellung war auf dem Truppenübungsplatz in Hepberg. 2002 wurde der in Staffel umbenannte Verband aufgelöst. „Nach der Auflösung gründete sich ein Traditionsverein. Die Traditionsräume lagen in Block 22 der Max-Immelmann-Kaserne – dort, wo jetzt die Asylbewerber untergebracht sind“, weiß Dieter Oberbeck, 1977 bis 1985 Chef der Staffel und Vorsitzender der Traditionsgemeinschaft.

Die Fliegerhorststaffel Ingolstadt/Ingolstadt ging Mitte 1986 in der neu aufgestellten Fliegerhorstgruppe Ingolstadt/Manching auf. Die Luftwaffenschleuse 11 kam laut Oberbeck 1973 von Erding nach Oberstimm und wurde zusammen mit dem Starfighter außer Dienst gestellt.

Die Einführung des Waffensystems Patriot machte eine Neuordnung der Flugabwehrraketenverbände erforderlich. 1987 wurde die FlaRak-Gruppe 23 nach Oberstimm verlegt, 2009 das FlaRak-Geschwader 5. Ab Mitte der 80er Jahre hat das Verteidigungsministerium die Kaserne ausbauen und erweitern lasen. Beide wurden im Januar 2013 endgültig aufgelöst und außer Dienst gestellt, Teile waren schon vorher betroffen. Seit 2013 wurden in Oberstimm nur noch Patriot-Systeme für den Verkauf aufbereitet.

Derzeit wird das knapp 40 Hektar große Gelände, das zu drei Vierteln auf Manchinger und zu einem Viertel auf Ingolstädter Flur liegt, als Erstaufnahmeeinrichtung genutzt. In sieben Kasernen sind mehrere hundert Asylbewerber untergebracht. Die Hallen auf dem Ingolstädter Teil sind noch gut erhalten, dorthin sollen die Kommunalbetriebe umziehen. Auch die Ingolstädter Museen wollen dort Depots errichten. Der Markt Manching will seinen Teil kaufen und Gewerbe ansiedeln.

Für so manche ehemalige Soldaten ist die Schließung ein herber Schlag. „Da geht ein Stück militärische Heimat verloren“, klagt beispielsweise Erich Spitlbauer. „Was da geschehen ist, kann ich nicht verstehen“, ärgert sich Baar-Ebenhausens Bürgermeister Ludwig Wayand, der mehrere Jahre in Oberstimm stationiert war: „Bald gibt es keinen FlaRak-Soldaten mehr in Bayern. Dabei hätten die Einheiten zu den besten in Deutschland gehört. So hat die FlaRak-Gruppe 23 beim ersten taktischen Schießen mit Patriot-Lenkflugkörpern 1997 auf Kreta mit hervorragenden Ergebnissen überzeugt. Eine Einheit des FlaRak-Geschwaders 5 war 2001 in Kunduz stationiert und konnte dort erstmals eine afghanische Einheit so weit ausbilden, dass diese Einsätze selbstständig durchführen konnte.