Ingolstadt
Neue Anlaufstelle für Mehrfachbehinderte

In einer Woche startet das Medizinische Zentrum für erwachsene Menschen mit Behinderung

24.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:32 Uhr
Viel Platz und mehr Zeit als im Regelbetrieb der Medizin soll das MZEB im Medi-IN-Park für behinderte Patienten bieten. Betriebsleiterin Peggy Glaschke (v.l.), die therapeutische Leiterin Diane Rasch und der fachärztliche Leiter Rudolf Preger freuen sich schon auf den Start am 1. Juli. "Hier laufen keine Ärzte in weißen Kitteln herum", versichert Preger. Unten links sieht man das große Wartezimmer, unten rechts einen Behandlungsraum. Zum MZEB-Team gehören Fachärzte ebenso wie Therapeuten. −Foto: Hammer

Ingolstadt - Am 1. Juli öffnet am Audi-Kreisel eine Einrichtung, die für schwerbehinderte Erwachsene aus der Region eine gewaltige Lücke schließen soll: das Medizinische Zentrum für erwachsene Menschen mit Behinderung (MZEB) im Medi-IN-Park.

Es ist eines von bundesweit 81 Zentren und das neunte Zentrum in Bayern.

Bisher müssen schwerbehinderte Erwachsene, die akute gesundheitliche Probleme haben, einen normalen Allgemein- oder Facharzt zur genauen Diagnose aufsuchen. Aber oftmals wüssten die gar nicht so recht, was sie mit den ungewöhnlichen Patienten anfangen sollen, sagt Peggy Glaschke, die betriebliche Leiterin des MZEB. "Das lernt man auch nicht im Medizinstudium. " Es sei natürlich nicht leicht, darauf zu kommen, was einem Menschen fehlt, der nicht sprechen kann, oft unter komplexen Krankheitsbildern leide und sich ganz anders als die sonst behandelten Patienten verhalte. Heutzutage fehle es den Ärzten auch oft an Zeit, so dass die Behinderten letztendlich häufig stationär an ein Krankenhaus überwiesen würden - wo sie sich aber auch nur schwer verständlich machen könnten. Kein Wunder also, dass ein Arztbesuch für viele behinderte Menschen eine große Stresssituation darstelle. Hinzu komme, dass der Zugang zu vielen Arztpraxen nicht barrierefrei sei und die Patienten mit Behinderung im Wartezimmer häufig komisch beäugt würden.

Seit den 80er-Jahren gab es daher die Forderung vieler Sozialeinrichtungen und Behindertenorganisationen, da Abhilfe zu schaffen. 1989 wurden die Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) eingeführt, die speziell auf behinderte Kinder und Jugendliche ausgerichtet sind (ein SPZ befindet sich in Neuburg), doch ab dem Übergang zum Erwachsenenalter gab es noch lange kein entsprechendes Angebot. Erst 2015 schuf der Gesetzgeber "nach langem Kampf" (Glaschke) mit dem Versorgungsstärkungsgesetz die Grundlage für die MZEB.

Die ersten Zentren entstanden bald darauf. Inzwischen steuern auch viele Behinderte aus der Region mit ihren Angehörigen oder Betreuern die MZEB in Nürnberg oder München an. Ab Juli müssen sie nicht mehr so weite Wege zurücklegen. Dann startet das MZEB in Ingolstadt. Träger ist die ProNobis Ingolstadt gGmbH, eine Tochterfirma des Hollerhauses.

Das Angebot richtet sich an erwachsene mehrfachbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mehr als 70. Ein Allgemeinarzt, mehrere Fachärzte (Neurologie, Psychiatrie, Neuropsychologie, Innere Medizin, Reha-Medizin) sowie Therapeuten (Physio-, Logo- und Ergotherapie) und Heilpädagogen, Heilerziehungspfleger und Sozialpädagogen kümmern sich ambulant um die Patienten. "Wir sind die erste Instanz", sagt Rudolf Preger, der fachärztliche Leiter des MZEB, der als ehemaliger Leiter der Klinik Kipfenberg einiges an Erfahrung mitbringt. "Wir schauen dann, dass der Patient an den korrekten Facharzt gelangt. " Denn Ziel des MZEB ist zu erkennen, welches Problem beim Patienten vorliegt, um ihn dann wieder in die Regelmedizin zurückzubringen - nur eben mit einer klaren Diagnose. Dabei denken Preger und seine Kollegen natürlich auch an die enge Verzahnung mit den anderen Ärzten im Medi-IN-Park, dem Ärztehaus gegenüber vom Westpark. Auch mit der Ärztevereinigung GOIN arbeite man zusammen. Das MZEB sei keine Konkurrenz, betonen Preger und Glaschke. Sondern eine "maßgebliche Unterstützung".

Um ins MZEB zu kommen, muss auch erst ein anderer Arzt die Überweisung ausstellen. Ganz ohne Kontakt zu den regulären Ärzten wird es also auch in Zukunft nicht gehen. Durch das neue Angebot hoffen Preger und Glaschke aber, bei den Ärzten ein Bewusstsein für die besonderen Bedürfnisse der Behinderten zu schaffen und durch Schulungen auch Erfahrungen und Erkenntnisse weiterzugeben.

Start am 1. Juli ist mit zwei Ambulanzterminen pro Woche. Wer sich dafür interessiert, kann sich beim MBEZ Ingolstadt unter (0841) 138049-30 informieren. Auf der Homepage www. pronobis-in. de finden sich auch Anfahrtbeschreibung und Kontaktdaten zur notwendigen Terminvereinbarung. Auch alle, die dort arbeiten wollen, können sich beim MZEB melden, wie Glaschke erklärt.

DK

Thorsten Stark