Ingolstadt
Nachhaltigkeit in Holz und Stein

Kompetenzzentrum berät beim Bau von Gebäuden, die mehr Energie erzeugen als verbrauchen

14.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:25 Uhr
Ein Holzständerbau mit vorgefertigten Elementen auf einem betonierten Keller hält bei guter Pflege genauso lange wie ein Steingebäude. Das Plusenergiehaus ist ein Projekt von Bauherren, Vereinsmitgliedern und Energieberatern. −Foto: Pehl, Wasem Fotos: Pehl, Wasem

Ingolstadt/Pichl (DK) Ein Haus, das mehr Primärenergie erzeugt, als es selbst verbraucht?

Lange Zeit schien so ein Unterfangen unmöglich. Doch mittlerweile sind solche Plusenergiehäuser keine Hexerei mehr. Mit vergleichsweise geringen zusätzlichen Ressourcen können Gebäude, die nach dem heute üblichen Stand der Energieeinsparung errichtet wurden, entsprechend ausgelegt werden. Im Manchinger Ortsteil Pichl entsteht derzeit so ein Holzhaus. Das Kompetenzzentrum Plusenergie nutzte die Gelegenheit, um sich und seine Arbeit an einem konkreten Projekt vorzustellen.

Tobias und Beate Wasem sind die Bauherren, die sich ihrem Traum von den eigenen vier Wänden als Plusenergiehaus verwirklichen wollen. "Das ist viel zu wenig bekannt", ist die Überzeugung des Ehepaares. Auch bei ihnen stand die Entscheidung nicht über Nacht fest. Wie sie erzählen, war es ein längerer Prozess mit vielen Gesprächen und eigener Recherche, in dessen Verlauf die beiden schließlich zur Überzeugung kamen, künftig in einem Plusenergiehaus aus Holz wohnen zu wollen. Dabei schälten sich auch jene Firmen und Partner heraus, mit denen die Bauherren zusammenarbeiten wollten. Einer davon ist das Kompetenzzentrum Plusenergie.

Die Idee dazu geht auf ein Forschungsprojekt der TH Ingolstadt mit der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern aus dem Jahr 2015 zurück. Das daraus entstandene Netzwerk umfasst mittlerweile nach eigenen Angaben über 20 Firmen (Bauunternehmer, Ingenieure, Architekten, Händler, Hersteller) und öffentliche Einrichtungen aus der Region, darunter die Städte Neuburg und Schrobenhausen oder der Landkreis Pfaffenhofen, die jetzt im Beirat des Vereins mitwirken. Ziel ist es, das Wissen aus Forschung und Praxis zu bündeln, und zwar in allen Phasen des Gebäudebaus, von Fragen der Rohstoffe über Planung und Bau bis hin zur Verwertung nach Ende der Nutzungsdauer. Außerdem sollen Plusenergiehäuser optimiert, marktfähig und generell bekannt gemacht werden. Nach dem Auslaufen der Fördergelder bestand rasch Einigkeit darüber, das Netzwerk als eigenen Verein weiterzuführen, der derzeit in der Gründungsphase ist. "Wir wollen über den Tellerrand hinausschauen", sagt Energieberater und Vorstandsmitglied Hans Seitz. "Jeder kann ein Plusenergiegebäude bauen, das lässt sich auch wirtschaftlich darstellen. "

"Plusenergiegebäude sind ein Weg in eine nachhaltige Zukunft", davon ist Vorstandsmitglied Johannes Donaubauer überzeugt. "Und das ist keine Zukunftsmusik, es ist alles schon da", sagt der Spross eines auf Holzhäuser spezialisierten Zimmereibetriebs aus Etting. Der Verein diene als Plattform und wolle "Plusenergiehäuser in der lokalen Baukultur etablieren". Dabei dürfe man nicht nur die eigentliche Nutzungsdauer im Auge behalten, sondern müsse auch über die Zeit danach nachdenken. Als Beispiel nennt er die Zellulose, die im Fall des in Holzständerbauweise errichteten Hauses der Familie Wasem in die Zwischenräume eingeblasen wird: Das Material wird als Papier, Altpapier und dann nochmal als Dämmstoff genutzt.

Für Donaubauer sollten beispielsweise sämtliche neuen Kindergärten als Plusenergiehäuser gebaut werden. In dieser Richtung will der Verein auch die Kommunen ansprechen.

Wie die Fachleute des Vereins Kompetenzzentrum Plusenergie versichern, gebe es mittlerweile viele technische Möglichkeiten, den Standard von Gebäuden bis zum Energieüberschuss anzuheben: "Das beginnt schon bei der Planung", berichtet Architekt Michael Birnthaler, der Vorsitzende. Fotovoltaik, Wärmepumpen, Speichertechnologie, Lüftung mit Wärmerückgewinnung, sparsame Geräte mit geregelter Steuerung, LED-Beleuchtung und natürlich die Dämmung sind nur einige der wesentlichen Faktoren. Der Verein ist überzeugt, dass sich in einem Zeitraum von 15 bis 20 Jahren auch die zusätzlichen Investitionen wieder amortisieren - ohne Ausschöpfung der verschiedenen Fördermöglichkeiten. Und die stellt nicht nur die KfW-Bank bereit, sondern auch einige Kommunen.
 

WETTBEWERB FÜR BAUHERREN

Der Verein will neben einer Vortragsreihe auch einen Wettbewerb für Primärenergiegebäude in der Region ausloben. Es sollen drei Bauherrenpreise vergeben werden: Neubau, saniertes Gebäude und öffentliches Gebäude. Beim Neubau soll der Jahresertrag des auf dem Grundstück mit erneuerbaren Energien produzierten Stroms multipliziert mit dem Faktor 1,6 den verbleibenden Jahres-Energieprimärbedarf um mindestens 1500 kWh/a übertreffen. Bei einem sanierten Gebäude fallen die 1500 kWh/a weg, bei einem öffentlichen Gebäude liegt der zu übertreffende Wert bei 500 kWh/a. Bewerbungen unter Angabe von Daten wie Stromrechnung oder Energieausweis an das Kompetenzzentrum Plusenergie, Wackerstraße 51, 85051 Ingolstadt, Telefon (0841) 95679220, E-Mail kontakt@plusenergie-kompetenz. de. Einsendeschluss ist Ende Juli.

Bernhard Pehl