Pförring
Nach 50 Jahren ist Schluss

Heidi Pollinger schließt Ende Mai ihren Laden in Pförring - Caro Dunst übernimmt Lotto und Postagentur

24.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:46 Uhr
  −Foto: Kügel, privat

Pförring - Seit sie 13 ist, steht Heidi Pollinger in ihrem Laden am Marktplatz 13. Ende Mai sperrt sie nun nach 50 Jahren endgültig zu.

 

Die Postagentur und die Lotto-Annahmestelle übernimmt Caro Dunst, die im ehemaligen Elektro-Pollin-Laden schräg gegenüber eine Geschenkeboutique eröffnet. Einen Schreibwarenladen mit Schulbedarf wird es dann in Pförring nicht mehr geben.

Hans-Jürgen Dachauer wuchtet ein Retourenpaket auf die Waage, Religionslehrerin Rosi Stowasser rüstet sich mit einem Holzlineal und Schreibmaterial für die Wiederöffnung der Schule, eine junge Bäuerin versendet Großbriefe mit wichtigen Unterlagen an ihre polnischen Erntehelfer, Anita Kügel fragt nach einer Trauerkarte. Die allermeisten, die an diesem Morgen - einzeln und schön der Reihe nach - in den Laden von Heidi Pollinger kommen, sind Stammkunden. Sie alle schätzen das Angebot in der Ortsmitte. Am regelmäßigsten nutzen es Lottospieler wie Ralf Allendorf. "Wenn meine Zahlen gezogen würden und ich hätte den Eurojackpot-Schein nicht abgegeben, hätte ich keine ruhige Minute mehr", sagt der Neu-Pförringer, der "mit der Heidi", wie die bald 63-Jährige in Pförring nur genannt wird, ebenso per Du ist wie all die anderen Kunden.

Heidi Pollingers Eltern, Max und Walburga Buchner haben das Haus vis-à-vis vom Pfarrhof samt Laden 1970 von Pauline Weigl gekauft und sind von Marching, wo die Familie in einem Haus im Steinbruch wohnte und Walburga Buchner die Kantine betrieb, nach Pförring gezogen. Während Max Buchner als selbstständiger Fuhrunternehmer die ganze Woche auswärts unterwegs war, führte die Buchner-Walli das Vege-Lebensmittelgeschäft bis 1979 weiter.

In dem Kramerladen gab es auf 20 Quadratmetern alles von Nudeln und Gewürzen über frisches Obst und Gemüse bis zu Spirituosen und Zigaretten. Und natürlich auch Pfennig-Guatl und andere Süßigkeiten. "Wir fünf Kinder durften uns da freilich nicht einfach bedienen", sagt Heidi Pollinger, die von Anfang nach der Schule und samstags im Laden half: "Es ist eh grad so umgegangen! "

Gern erinnert sie sich noch an den feinen Joghurt, den sie so vorher nicht gekannt hat. Und an die Bratheringe aus der großen Blechdose, die offen verkauft wurden. "Da musste man schon aufpassen, dass man danach keinen Fleck auf den Lottoschein machte", sagt sie mit ihrem gewinnenden Lachen.

Zum Schluss haben die Leute nur noch Sonderangebote gekauft oder was im Supermarkt vergessen hatten: mal ein paar Eier, mal Semmelbrösel, ein Kilo Mehl. "Für den Tortenguss auf den Erdbeerkuchen klingelten manche am Sonntag an der Haustür", erzählt Heidi Pollinger ohne Groll. Anfangs war das Geschäft wie viele andere in Pförring auch sonntags nach dem Gottesdienst geöffnet. Da kauften dann die Familien aus den umliegenden Dörfern ein. Lange Zeit gab es auch keine Mittagspause. Bis sich irgendwann die Pförringer Händler auf eine Pausenzeit einigten und auch darauf, jeweils einen einen Nachmittag pro Woche zuzusperren.

 

Von 1981 bis 1987 betrieb die Buchner-Walli eine Quelle-Agentur. Gängige Ware für den Haushalt wie Bettwäsche, Besteck und kleine Elektrogeräte, aber auch Geschenke gab es direkt im Laden. Der Rest wurde nach dem Katalog für die Kunden bestellt. "Das Zurückschicken machte einen Haufen Arbeit", erinnert sich Pollinger. Retouren kannte sie deshalb schon, bevor sie die Postagentur übernahm. Aber auch das Lotto-Geschäft sei damals sehr aufwendig gewesen: "Die Abrechnung musste aufs Fünferl genau stimmen, und dann mussten wir die Lottobox abwechselnd mit Nachbargeschäftsstellen zur Bezirksstelle nach Ingolstadt fahren. Einmal war Glatteis - da sind mein Bruder Horst und ich mehr gerutscht als gefahren", erinnert sie sich. Sie selbst hat nach der Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau bei Vege in Ingolstadt bis zur Geburt ihres Sohnes 1982 in Ingolstadt bei Bäumler als Näherin gearbeitet und später am Wochenende bedient. "Beim Streitberger in Altmannstein, beim Braun in Imbath und als Aushilfe beim Schapfl und im Jugendheim", zählt sie auf.

Ab 1993 führte Heidi Pollinger den Laden mit ihrer Mutter zusammen. Da nahmen sie die Schreibwaren ins Sortiment, nachdem Reithmeiers die nicht mehr führten. 1996 hat Heidi Pollinger den Laden dann auch offiziell übernommen und 1997 die Postagentur eröffnet. "Zuerst sollte die Einweisung drei Wochen dauern, schließlich waren es genau zehn Arbeitstage", sagt Heidi Pollinger mit leichter Empörung in der Stimme. Dabei gab's von Einschreiben bis Geldwäsche einiges zu lernen, denn anfangs war auch die Postbank noch dabei. "Die älteren Leute sind gern mit ihrem Sparbücherl zu mir gekommen", freut sie sich heute noch über dieses Vertrauen.

So lebt Heidi Pollinger seit Jahrzehnten für den Laden, der montags bis freitags von 7.30 bis 12.30 Uhr und - außer dienstags - von 14 bis 18 Uhr geöffnet ist. Samstags sperrt sie sogar schon um 7 Uhr auf. Die Arbeit ist damit freilich nicht getan: "Um 5.30 Uhr räume ich die Zeischriften rein, abends sind Abrechnungen und Bestellungen zu machen - das sind schon lange Arbeitstage", sagt Heidi Pollinger mit einem leisen Seufzer. Um aber gleich zu betonen, dass sie immer gern im Verkauf gearbeitet habe: "Der Kontakt zu den Menschen macht mir einfach Spaß! " Gerade für Alleinstehen war sie oft auch "der Kummerkasten", erzählt Heidi Pollinger. Dabei hat sie vieles erfahren, es aber nie weitererzählt. Neuigkeiten für Kunden gibt es dennoch: Die Ladentür ist immer vollgeklebt mit Vereinsinformationen: "Wie ein Anschlagtafel! "

Und natürlich kennt sie nach all den Jahren die Wünsche der Stammkunden. "Oft heißt es es nur: ,Heidi, meine Zeitung'! " Als ihr wieder einmal ihre Schwester Gabi ausgeholfen hat, damit sie mit ihrem Mann Sepp übers Wochenende in den Bayerischen Wald fahren konnte, habe Gabi tatsächlich mal anrufen müssen, welche Zeitung denn gemeint sei, weil es der Kunde selbst nicht wusste, erzählt sie lachend.

Große Pläne hat Heidi Pollinger für den Ruhestand nicht: "Wir sind keine Leute für Weltreisen, wir fahren jetzt höchstens öfter mal in den Bayerischen Wald. " Außerdem will sie mehr Zeit mit ihrem Enkel Tobi verbringen. Und schließlich wird sie ja noch ihre Nachfolgerin Caro Dunst ins Lotto- und Postgeschäft einarbeiten, weil es ja jetzt keine Seminare gibt.

Auch wenn Heidi Pollinger jetzt nicht mehr 46 Stunden pro Woche im Laden steht - der Kontakt zu den Pförringern wird nicht abreißen. Denn ein paar Jahre will sie einmal pro Woche bei ihrer Nachfolgerin aushelfen: "Damit's nicht von 100 auf Null geht". "Und ich glaub', das Bedienen im Jugendheim bleibt mir auch", sagt sie deshalb mit einem zufriedenen Lächeln.

DK

 

Sebastian Kügel