Ingolstadt
Muss der Brandstifter in die Psychiatrie?

27-jähriger Pfaffenhofener legt beim Prozessauftakt vor dem Landgericht ein Geständnis ab

18.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:31 Uhr

Ingolstadt (DK) Lukas M. (Name geändert) ist äußerlich nichts anzumerken. Der 27-Jährige ist zwar etwas blass im Gesicht, aber körperlich robust. Fragen, die ihm der Richter stellt, beantwortet er mit leiser, aber ruhiger Stimme. Seine Aussagen sind überlegt und klar. Bei den Opfern entschuldigt er sich demütig.

Dennoch ist Lukas M. krank, psychisch krank. Er leidet an paranoider Schizophrenie, von dissozialer Persönlichkeitsstörung ist die Rede. M. hat über mehrere Jahre Drogen genommen. Er sei zwar nervös, fühle sich aber gut, sagte er zu Beginn der gestrigen Verhandlung vor der 5. Strafkammer des Landgerichts Ingolstadt. Das mag an den Psychopharmaka liegen, die ihm dort, wo er seit seiner Tat untergebracht ist, verabreicht werden.

Verantworten muss sich M. wegen schwerer Brandstiftung, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, versuchter Nötigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung. Wobei "verantworten" nur teilweise richtig ist: Weil seine Schuldunfähigkeit zum Tatzeitpunkt auf der Hand liegt, hat die Staatsanwaltschaft nicht angeklagt, sondern ein Sicherungsverfahren beantragt. Anders als im Strafprozess ist dabei der Blick in erster Linie nach vorne gerichtet: Einerseits soll M. ein weitgehend normales Leben ermöglicht werden. Andererseits soll sich das, was sich in der Nacht auf den 13. Januar dieses Jahres in Pfaffenhofen zugetragen hat, nicht wiederholen. Um dies zu unterstreichen, sagte der Vorsitzende der Kammer, Richter Thomas Denz, zu M. : "Wir sehen Sie als kranken Menschen, nicht als Straftäter".

M. räumt ein, dass er morgens gegen 6.30 Uhr vor der Wohnungstür einer Familie, die mit ihm und seiner Mutter im selben Haus lebte, Spiritus verschüttet und angezündet hat. Weil sich deren Wohnung im Erdgeschoss befindet, konnte sich die dreiköpfige Familie, die das Feuer im Schlaf überraschte, mit leichten Rauchgasvergiftungen ins Freie retten. Der Schaden, der ursprünglich auf 20.000 Euro geschätzt wurde, beträgt tatsächlich etwa 85000 Euro.

Der Brandstiftung vorausgegangen waren Auseinandersetzungen mit der Polizei. Diese war von seiner Mutter um 3 Uhr früh gerufen worden, weil sie sich Sorgen machte, ihr Sohn werde sich das Leben nehmen. Als die Polizisten eintrafen, bewarf M. sie mit Flaschen. Sogar ein Monitor sei geflogen, berichtete ein Polizist. Getroffen wurden die Beamten nicht.

M. gab an, er habe die Polizisten provozieren wollen, "damit sie mich erschießen". Den Brand habe er ebenfalls mit Selbsttötungsabsicht gelegt: "Ich wollte so schnell wie möglichst bewusstlos werden". Er habe sich in einer schwierigen Lage befunden: Depressionen, keine Arbeit, soziale Isolation, Ersatzdrogen ohne Wirkung und kein Geld vom Jobcenter. "Ich fühlte mich als Versager", sagte M. bei seiner Einvernahme.

Da das Haus schlecht zugänglich ist, alarmierten die Polizisten vor Ort ein Sondereinsatzkommando und die Feuerwehr, mit deren Hilfe das Feuer gelöscht und M. in Gewahrsam genommen werden konnten.

Das Verfahren ist auf drei Verhandlungstage angesetzt. Neben einer Psychiaterin wird ein Brandsachverständiger des Landeskriminalamts gehört, von dem sich das Gericht wohl Aussagen dazu erhofft, ob nur Einrichtungsgegenstände brannten oder das Feuer bereits auf das Gebäude übergegriffen hat.

Dass M. weiter in der Psychiatrie untergebracht wird, ist nicht nur aufgrund des Antrags der Staatsanwaltschaft wahrscheinlich, sondern auch wegen seiner Stimmungsschwankungen, die ein Polizist mit den Worten "von Null auf Hundert" beschrieb. Nur schwer vorstellbar, wenn man den jungen Mann mit den dunklen Augen beobachtet, der ruhig und gefasst dem Prozessgeschehen beiwohnt, und dem anzusehen ist, wie leid ihm das alles tut.

Andreas Müller