Ingolstadt
Mißlbecks Wolkenbügel

Kammerspiele: Heute werden die Sieger des Wettbewerbs gekürt - Der Bürgermeister hat eine andere Idee

13.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:23 Uhr
Kammerspiele in der Donau: So stellt sich Bürgermeister Sepp Mißbeck (unten links) die Ersatzspielstätte des Stadttheaters vor. Es erinnert ein wenig an den Wolkenbügel-Entwurf, den der Architekt Stephan Braunfels für das Museum für Konkrete Kunst und Design vorgesehen hatte. Mißlbecks Vision wird aber bei der heutigen Preisgerichts-Entscheidung für die Kammerspiele natürlich nicht berücksichtigt - der Wettbewerb ist ja schon längst abgelaufen. −Foto: Mißlbeck, Hammer

Ingolstadt (DK) Am späten Nachmittag wird heute ein Preisgericht unter 15 Entwürfen für die Kammerspiele die besten auswählen. Davon unbeeindruckt hat jetzt der dritte Bürgermeister Sepp Mißlbeck (UDI) seinen Vorschlag vorgestellt - außer Konkurrenz. Die Vision Mißlbecks wirkt, als hätte er alle über Jahre geäußerten Wünsche der Bürger in einen Plan packen wollen.

"Es ist kein ausgeklügelter Plan", räumt Mißlbeck ein. Und er wisse, dass er spät dran sei mit dem Vorschlag, einen Tag, bevor das Preisgericht unter den 15 Einreichungen renommierter Architektenbüros die Sieger kürt. "Ich kriege jetzt sicher Prügel. Aber es geht darum, dass die Idee rüberkommt, von der ich überzeugt bin."

Die Skizzen, die ihm jetzt ein Bekannter innerhalb weniger Tage nach seinen Vorstellungen gezeichnet hat, sehen einen markanten Bau, die Hinwendung der Altstadt zur Donau und dem Klenzepark, eine verkehrsberuhigte Zone ohne größere Einschränkungen der Autofahrer, die Schaffung weiterer Grünflächen und den Schutz der bestehenden Bäume vor. Der Entwurf stellt sich für den Neubau zwei auf Stelzen stehende, übereinander liegende und ineinander leicht verschobene Keile vor. Im oberen Keil verortet er die Kammerspiele, im unteren eine weitere Gastronomie mit Terrasse.

Zum größten Teil ragt der Bau in die Donau, mit dem Stadttheater ist er über einen gläsernen Übergang verbunden, eine Art zweiter Wolkenbügel. Mißlbeck nennt ihn "Querbügel". Ambitioniert ist auch der Plan für die Fläche zwischen den beiden Theaterbauten: Mißlbeck will dort einen Kulturpark bauen, in dem - bis auf einen Baum - die prächtigen Bäume bestehen bleiben, in dem Veranstaltungen stattfinden können - und der vor allem die Innenstadt mit der Donau verbindet. Der Verkehr der Schlosslände soll in einem fast 400 Meter langen Tunnel darunter verlaufen.

"Das ist wahrscheinlich schon schwierig, aber es lässt sich lösen, wenn ein guter Wille da ist", sagt Mißlbeck. Die Anbindung an die Tiefgarage und die Zufahrt zum Theater sollen gewährleistet bleiben.

Nicht nur Mißlbeck blickt ganz gespannt auf die heutige Entscheidung. Auch der Bund Naturschutz interessiert sich sehr für den Ausgang, vor allem wegen der Platanen rund ums Stadttheater, die je nach Entwurf auch abgeholzt werden müssten. "Selbst Bürger, die sonst nichts mit dem Bund Naturschutz zu tun haben, sprechen uns auf die Bäume an", sagt Lena Maly-Wischhof, die Geschäftsführerin des Kreisverbandes der Umweltschützer. "Die Platanen haben eine prägende Wirkung für die Stadt." In einer Pressemitteilung warnt der BN davor, die teilweise über 20 Meter hohen Bäume anzutasten, um Platz für die Kammerspiele zu schaffen. "Die stattlichen Bäume stehen hier schon seit der Zeit des Prinzregenten Luitpold und wurden von Hardt-Waltherr Hämer bei seinem Theaterentwurf, der sich organisch in das Stadtbild an der Donau einfügen sollte, bewusst mit einbezogen", heißt es in der Pressemitteilung.

Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle kann dazu wenig sagen. Schließlich kenne sie die Entwürfe bisher nicht. Als Mitglied des Preisgerichts werde sie diese erst morgen zu Gesicht bekommen. Für Mißlbecks Vorstoß habe sie keinerlei Verständnis, sagt die Stadtbaurätin verärgert. Sie nehme ihm nicht ab, dass es ihm um die Sache gehe. "Es geht ihm darum, sich wichtig zu machen", sagt sie. "Sonst hätte er sich im Vorfeld der Auslobung kundig gemacht." Dann hätte er auch Einfluss auf die Ausschreibung nehmen können. So aber diskreditiere er einfach den Wettbewerb. Denn in dem förmlichen Verfahren, das ja schon lange laufe, könne sein Entwurf - der vermutlich nicht einmal den Vorgaben des Wettbewerbs entspreche - gar keine Berücksichtigung mehr finden. Womöglich sei Mißlbecks Alleingang auch ein Fall fürs Rechtsamt. Schließlich ist der Bürgermeister stellvertretender Preisrichter. Sollte sein UDI-Kollege Gerd Werding erkranken, müsste Mißlbeck einspringen - und dann objektiv über die Siegerentwürfe mitentscheiden.

Thorsten Stark