Ingolstadt
Machetenattacke im Klinikum: Psychisch Kranke muss in Entziehungsanstalt

Dauerhafte Unterbringung nach Angriff auf Polizisten

21.09.2020 | Stand 23.09.2023, 14:16 Uhr
Emotionales Ende: Die dauerhafte Unterbringung im Taufkirchener Bezirksklinikum zur gleichzeitigen Behandlung ihrer Suchterkrankung und ihrer Persönlichkeitsstörung nahm die Verurteilte irritiert auf. Sie hatte andere Pläne für ihre Zukunft. −Foto: Hammer/DK-Archiv

Ingolstadt -Ein sehr emotionales Ende hat der Landgerichtsprozess um die Zwischenfälle vom Neujahrstag am Ingolstädter Klinikum gefunden. Die 5. Strafkammer sprach die 39-jährige Angeklagte, die damals unter anderem in der Notaufnahme des Krankenhauses lebensmüde mit einer Machete auf zwei Polizisten losgegangen war, um diese zu Schüssen auf sie zu bewegen, am Montagnachmittag schuldig.

 

Die psychisch schwer angeschlagene Frau, langjährige Drogenkonsumentin, wurde zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt, die so nicht zum Tragen kommen dürfte: Die Frau wurde von der Kammer dauerhaft ins Bezirkskrankenhaus Taufkirchen eingewiesen, wo ihre Suchtprobleme und Persönlichkeitsstörung (Borderline-Syndrom) behandelt werden können.

Die Verurteilte hatte andere Pläne für ihre Zukunft als die stationäre Unterbringung und reagierte mit vielen Tränen auf den Urteilsspruch. Der ganze zweitägige Prozess verlief teils sehr emotional, da sowohl bei der Angeklagten als auch bei Mitarbeiterinnen des Klinikums die Erinnerungen an jenen folgenreichen Tag hochkamen – aber nicht nur an den. „Ihr Verhalten war immer wieder sehr impulsiv, für die Pflegekräfte herausfordernd, sehr belastend“, berichtete die zuständige Oberärztin von den vielen Aufenthalten der Angeklagten im Klinikum. Regelmäßig war die 39-Jährige dort freiwillig aufgetaucht, um sich einweisen zu lassen – meist „intoxikiert“, also umgangssprachlich „auf Drogen“. Hochemotionale Ausreißer, die oft mit Fixierungen („Man musste sie vor sich selbst schützen“, so eine Pflegerin vor Gericht) und Bedrohungen einhergingen, begleiteten diese Phasen. An Neujahr wollte die Frau ihrem Leben ein Ende setzen, indem sie die Polizei mit der Machete zu ihrer Tötung zwingt. Die Beamten konnten sie mit Tränengas abwehren. „Ich werde nicht mehr konsumieren, lieber sterbe ich“, so ihre Worte auch vor Gericht.

Die Einweisung schockte die Verurteilte nun geradezu. Sie ist seit Januar schon vorläufig im Bezirkskrankenhaus unterbracht. „Ihr wisst nicht, wie es in der Forensik zugeht“, jammerte sie. Die Urteilsverkündung begleitete sie mit fortwährendem Schluchzen, vergrub den Kopf auch unter den Händen oder kommentierte erregt die Worte des Richters. „Ich gehe nach Hause, richtig nach Hause, ich habe keinen Bock mehr auf diese Welt“, brachte sie mit tränenerstickter Stimme hervor. „Der Ort, wo sie gerade ist, ist der richtige Ort“, sagte Richter Gerhard Reicherl über die stationären Einrichtungen des Bezirkskrankenhauses. Die kombinierte Behandlung ihrer Suchterkrankung und der Borderline-Problematik sei nur dort möglich. Die vom Gericht bestellte psychiatrische Gutachterin hatte der Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung attestiert. Ihre Steuerungsfähigkeit und die Impulskontrolle seien eingeschränkt, aber nicht aufgehoben.

Sollten psychische Erkrankung und Sucht nicht (endlich) behandelt werden, sei auf alle Fälle wieder mit vergleichbaren Taten zu rechnen. Auch das Gericht ist überzeugt, dass der bisherige Weg mit immer wieder Kriseninterventionen im Klinikum „krachend gescheitert ist“, wie Reicherl sagte. Die Angeklagte hatte sich selbst vorgestellt, bald in einer betreuten Wohngruppe leben zu können und über ambulante Therapieangebote endlich eine Tagesstruktur zu bekommen, weg von der Drogenszene. „Für mich ist klar, ich konsumiere nicht mehr“, beteuerte sie. Ja, der Wille sei durchaus vorhanden, das wollte die Kammer ihr gar nicht absprechen. „Aber wenn sie hier rausgehen, irgendwo wohnen, alles angebunden ans Klinikum, wäre alles wie vorher“, so der Richter im Urteil. „Wenn Sie Ihr Suchtproblem nicht in den Griff bekommen, sehen wir keine Perspektive. Wir denken, es ist das Beste für Sie!“ Außerdem müsse die 39-Jährige auch einmal eine andere Perspektive als nur den eigenen Blick einnehmen – was sie den Betroffenen angetan habe. Die Angeklagte sei zwar subjektiv nicht in Verletzungsabsicht auf die Polizisten losgegangen, als sie mit der Machete in der Notaufnahme herumfuchtelte. „Aber die Polizisten hätten keine Chance gehabt. Sie hätten eigentlich schießen müssen!“, betonte der Richter. Und auch das Klinikpersonal, das mit Beleidigungen und Bedrohungen von der Frau überhäuft wurde, mache „nur seinen Job“. Nicht weiter verfolgten die Staatsanwaltschaft und das Gericht das Abbrennen des Feuerwerkskörpers an den Klinikumsaufzügen, da dort letztlich kaum ein Schaden entstanden ist. „Hat schlimmer ausgesehen, als es war“, hieß es dazu.

Christian Rehberger