Ingolstadt
Sie freuen sich trotzdem

Die Grünen hätten gerne mit der CSU koaliert - und kritisieren ihren ewigen Gegner zugleich deutlich

14.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:39 Uhr
Prognose 18 Prozent um 18.03 Uhr: Die Grünen jubelten technisch bedingt leicht zeitversetzt. −Foto: Silvester

Ingolstadt (DK) Es ist ein großer Erfolg, der aber irgendwie in der Luft hängt. Die Grünen hätten in München gern mitregiert, das ist auf ihrer Wahlparty im Ingolstädter Parteibüro nicht zu überhören. Aber den Platz an der Sonne neben der CSU bekommen, wie es ausschaut, die Freien Wähler. Dennoch genossen die Grünen-Parteifreunde das Erreichte.

Wenn es einen echten Grund zu jubeln gibt, kommt es auf ein paar Minuten hin oder her auch nicht an. Die Grünen offenbaren am Wahlabend ein entspanntes Verhältnis zur Zeit. Bereits um 17.50 Uhr richtet Angelika Wegener-Hüssen den Prosecco her. Zwei Flaschen sollen für den ersten Siegesdurst reichen, aber die Grünen haben noch Alkoholika in Reserve. Dann hakt kurz der Beamer, der die Sendung des Bayerischen Fernsehens an die Wand wirft. Wenig später laufen die Bilder aus München wieder, doch das Signal hängt jetzt ein wenig zurück. Als die zur Wahlparty versammelten Parteifreundinnen und Parteifreunde im Angesicht der prognostizierten 18 Prozent zum Jubelsturm ansetzen, ist es schon 18.03 Uhr.

Wurscht. Die Grünen sind mit Abstand die zweitstärkste Kraft im Freistaat. Riesenstimmung im Parteibüro. Was Franz Josef Strauß wohl dazu gesagt hätte? Doch an ihn denkt jetzt vermutlich gerade niemand.

Kurz mal Stille. Markus Söder ist auf Sendung. Die Grünen sparen sich schadenfrohe Bemerkungen. Aber als der Ministerpräsident die Stärke Bayerns rühmt, rollen vor dem Fernsehbild viele Augen. "Etz fangt der scho wieder an", raunt eine Grünen-Politikerin und macht ein Gesicht, als habe sie in eine verdorbene Avocado gebissen.

Die Stimmung perlt nicht mehr so ganz, als sich andeutet, dass es wohl auf eine Koalition zwischen CSU und Freien Wählern hinauslaufen dürfte. Die Grünen hätten in München gerne mitregiert, daraus machen sie kein Geheimnis. Doch nun hängt dieser aus ihrer Sicht glänzende Sieg irgendwie in der Luft. "Jetzt setzen sich ausgerechnet die Freien Wähler vor uns", wehklagt es aus einer Ecke. "Und der Aiwanger sieht sich schon als Landwirtschaftsminister."

Aber nicht zu vergessen: 18 Prozent. Direktkandidatin Steffi Kürten ist in Feierlaune: "Der Erfolg ist vor allem mit zwei Punkten zu erklären: Erstens Haltung. Und zweitens Katha Schulze!" Die Grünen-Fraktionsvorsitzende. "Sie erklärt alles so, dass es jeder versteht. Deshalb kommt sie so toll bei den Leuten an." Besser noch: "Die Katha hat die Liebe der Bayern gewonnen!"

Christian Höbuschs Ergebnisanalyse fällt faktenorientierter aus: "Es hat daran gelegen, dass wir ganz klar auf Inhalte gesetzt haben und dass wir die Entwicklung in der Bevölkerung deutlich und ganz klar in unseren Positionen widergespiegelt haben. Und das, was wir am Samstag bei der Demonstration in Berlin mit über 400000 Menschen erlebt haben, steht schon lange in unserem Programm." Jetzt, resümiert das Stadtratsmitglied, "fahren wir wegen unserer Geradlinigkeit einen Teil der Ernte ein". Wie groß ist der Anteil der CSU am Erfolg der Grünen? Stadträtin Petra Kleine formuliert es so: "Die CSU hat die menschlichen Positionen in der christlichen Politik verlassen." Für Barbara Leininger war das auch "ein krasses Zeichen". Lauter CSU-Vorstöße "ohne Inhalt". "Die CSU hat die christlichen Positionen aufgegeben", bekräftigt Höbusch. "Wir sind jetzt mit die Wertepartei!"

Bleibt den Grünen womöglich eine Zerreißprobe erspart, wenn sie nicht mit der CSU koalieren? Leininger hält es da mit dem Veteranen Jürgen Trittin: "Er sagt: Niemals aufstehen vom Verhandlungstisch! Das finde ich unglaublich wichtig für die Demokratie." Vernünftige Gespräche seien immer gut. "Und beim nächsten Mal geht's weiter."

Christian Silvester