Ingolstadt
Der lange Marsch in den Landtag

Nach 20 Jahren in der Bundespolitik peilt Eva Bulling-Schröter mit den Linken das Maximilianeum an

17.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:39 Uhr
Rot-grüne Harmonie im Stadtteilpark am Augraben: Die langjährige Bundestagsabgeordnete und derzeitige Landtagskandidatin der Linken, Eva Bulling-Schröter, wohnt ganz in der Nähe und weiß den Spazierweg ebenso zu schätzen wie ihr Hund Chico. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Chico hat schon eine recht beachtliche Medienkarriere hinter sich. Der betagte Jagdhundmischling von Eva Bulling-Schröter ist zumindest mit einer Nebenrolle in manchem Zeitungs- und Fernsehbeitrag über die Linken-Politikerin aufgetreten. Am Eingang der Oberhaunstädter Wohnung bellt er den klingelnden Eindringling lautstark an, als wäre der ein Agent des Verfassungsschutzes, der seiner Hausherrin Böses will. Dabei ist es in diesem Fall nur der Besucher vom DONAUKURIER, der sich mit der langjährigen Bundestagsabgeordneten unterhalten möchte.

Denn Eva Bulling-Schröter (62) hat sich 2017 entschieden, nach rund 20 Jahren in der Bundespolitik eher heimatnah politisch aktiv zu sein. "Mein Ziel war schon, für den Landtag zu kandidieren und auch einzuziehen." Die Chancen, dass es ihre Partei zum ersten Mal tatsächlich schafft, sind laut Umfragen gar nicht einmal so schlecht. "Die Menschen sehen in uns eine echte Opposition", glaubt die Ingolstädterin, "die anderen wollen alle koalieren."

Die Direktkandidatin der Linken im Stimmkreis Ingolstadt - "München ist näher als Berlin" - hat jetzt wieder mehr Zeit, Freundschaften zu pflegen, aber auch als Kreisvorsitzende politische Basisarbeit zu leisten. Dass sich die gebürtige Ingolstädterin jemals von der Basis weit entfernt habe, kann ihr ohnehin niemand vorwerfen. Die gelernte Schlosserin galt im beamtendominierten Bundestag lange als eine von wenigen, wenn nicht als einzige Arbeiterin.

"Mein Opa war Lehrlingsausbilder in der Gießerei, mein Vater war in der Gießerei, mein Onkel hat drin gearbeitet", die Aufzählung Bulling-Schröters sagt alles über die Familientradition, die sie selbst bei Rieter fortgesetzt hat. Mit den Kollegen aus dem Betrieb hat sie nach wie vor Kontakt. Über das baldige Ende dieses bedeutenden Ingolstädter Industrieunternehmens sei sie deshalb "persönlich sehr enttäuscht". Sie hätte sich schon gewünscht, bekennt die Politikerin, dass Rieter versucht, noch andere Produkte nach Ingolstadt zu bekommen anstatt alles ins Ausland zu verlagern. "Vielleicht waren auch die hohen Grundstückspreise in Ingolstadt ausschlaggebend, mit denen sich der Konzern jetzt eine goldene Nase verdienen kann."

Bodenspekulation und steigende Mieten, nicht das einzige Thema, bei dem der Anspruch aus der bayerischen Verfassung und die Wirklichkeit im Freistaat Bayern weit auseinanderklaffen. "Man könnte meinen", sagt die Landtagskandidatin, "die Verfassung wäre von den Linken geschrieben." Sie verweist etwa auf den Artikel 106 ("Die Förderung des Baues billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden"), den Artikel 123 ("Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern") und den Artikel 161 ("Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen").

Bayern sei eben, widerspricht die Wahlkämpferin der gängigen CSU-Rhetorik, durchaus nicht die "Vorstufe zum Paradies", zumindest nicht für die Mehrheit. Der hohe Leiharbeiter-Anteil, die vielen Arbeitsbefristungen, "das muss endlich aufhören", fordert Bulling-Schröter, denn es schaffe Unsicherheit und Angst - mit der Folge, dass Sündenböcke gesucht werden. Siehe Fremdenhass.

Gut möglich, dass die AfD nicht nur demnächst im Landtag mit Sitz und Stimme vertreten ist, sondern ab 2020 auch im Stadtrat von Ingolstadt. Zur Kommunalwahl, verkündet die Linken-Kreisvorsitzende, werde ihre Partei "natürlich mit einer eigenen Liste antreten". Dass ihr eigener Name auf dieser Liste stehen werde, sei "vorstellbar".