Ingolstadt
36-Prozent-Bewältigung

CSU-Delegiertenversammlung bringt Nachlese der Landtagswahl schnell hinter sich - Hans Wöhrl wird Europa-Kandidat

24.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:46 Uhr
Nach der Kreisdelegiertenversammlung der CSU am Dienstagabend in Ringsee: (von links) Patricia Klein (Noch-Bezirksrätin, Vorsitzende der CSU-Stadtratsfraktion), Bürgermeister Albert Wittmann, Europa-Kandidat Hans Wöhrl, Michael Kern (neu gewählter Bezirksrat), Hans Süßbauer (CSU-Kreisvorsitzender) und Alfred Grob, der künftige Ingolstädter Stimmkreisabgeordnete im Bayerischen Landtag. −Foto: Silvester

Ingolstadt (DK) Die Wahlnachlese der Ingolstädter CSU im Rahmen der Delegiertenversammlung am Dienstagabend war zügig abgehakt. Kreisvorsitzender Hans Süßbauer redete das unerfreuliche Ergebnis der CSU nicht schön, aber eine Erörterung möglicher Gründe für die zweistelligen Verluste ersparten sich die Parteifreunde. Es gab keinen einzigen Diskussionsbeitrag. Die 120 Delegierten kürten Hans Wöhrl zum Kandidaten für die Europawahl 2019. Der ermunterte zum Kampf gegen die AfD.

Manchmal sagt das Unausgesprochene mehr als eine komplette Rede. Und Bezeichnendes erfährt dadurch Ausdruckskraft, dass es nicht erwähnt wird - zumindest nicht im offiziellen Teil.

Die Delegiertenversammlung der Ingolstädter CSU bietet ein anschauliches Beispiel dafür, wie stark sich namhafte etablierte Parteien in ihren Konfliktstrategien und ihrer Außenwirkung unterscheiden. Deutsche Sozialdemokraten etwa neigen (spätestens seit den Zeiten der Weimarer Republik) konsequent zu tosender Selbstdemontage in aller Öffentlichkeit. Auch die Parteifreundinnen und Parteifreunde der Grünen lieben es seit ihrer Gründung vor bald 40 Jahren, sich auf großer Bühne gegenseitig vorzuführen. Bei der CSU dagegen werden Dolche und Messer traditionell nur in den Séparées gezückt. Dann freilich richtig. Bis Blut fließt. Aber nie in der Öffentlichkeit. Hier wahren die Mitglieder freistaatübergreifend das Bild von der harmonischen, starken Gemeinschaft.

15 Minuten braucht der CSU-Kreisvorsitzende Hans Süßbauer für seine "Wahlnachlese"; ohne die Erwähnung von Namen wie Horst Seehofer oder Markus Söder. Dann bietet er den Parteifreunden an, über alles zu sprechen. Fragen? Beiträge?

Nichts. Schweigen im Saal der Freien Turnerschaft. Und da sitzen immerhin 120 CSU-Mitglieder. Die möchten die Bilanz des 14. Oktober gewiss auch so zügig abhaken, wie es Süßbauer gerade getan hat. Er beginnt mit den Worten "Es bleibt nichts anderes übrig, als...", redet das Ergebnis dann aber nicht schön, sondern zählt tapfer alle Verluste auf. Er lässt schwarze und rote Balken projizieren, die tief nach unten wachsen. 10,4 Prozentpunkte hat die CSU landesweit verloren. In Ingolstadt kam sie auf rund 36 Prozent, ein Minus bei den Zweitstimmen von fast 18 Prozentpunkten; und das ist noch das beste CSU-Ergebnis in einer Großstadt. In München erreichte sie gerade mal 25 Prozent (hier eroberten die Grünen fünf der neun Direktmandate). "Eklatant!", sagt Süßbauer. "Es ist kein Grund, zu feiern. Viele fragen sich: Warum?" Die CSU müsse sich künftig "besser darstellen und mehr am Leben teilnehmen, denn nur dort, wo man mit den Menschen ins Gespräch kommt, wird man wahrgenommen - und dann auch gewählt." Auch die SPD habe "leider stark verloren", so Süßbauer. "Ich sage das ohne jede Schadenfreude. Wir hätten die SPD gern als starken Partner mit im Boot, aber das ist derzeit nicht möglich." Wählerwille. Für die Kandidatin der Grünen findet er ebenfalls ein Lob: "Steffi Kürten ist eine sympathische Frau." Dann an die CSU-Kandidaten gewandt: "Ich bin stolz auf Euch alle!"

Der eigentliche Anlass der Delegiertenversammlung ist die Kür eines Kandidaten für die Europawahl im Mai 2019. Bürgermeister Albert Wittmann schlägt "aus innerster Überzeugung" seinen ehemaligen Offizierskameraden Hans Wöhrl vor. Der ist im Hauptberuf Abteilungsleiter bei den Kommunalbetrieben und war lang Kreisgeschäftsführer der CSU. Wittmann schärft seinen Zuhörern die Bedeutung der Europäischen Union ein: "Wer glaubt, die kümmere sich nur um die Krümmung von Bananen oder darum, wie viel Salz auf die Breze kommt, liegt völlig falsch! Die EU legt zum Beispiel die Grenzwerte für Verbrennungsmotoren fest. Das ist für uns in Ingolstadt substanziell!"

Die CSU-Delegierten wählen Wöhrl per Handzeichen - bei nur einer Gegenstimme. In seiner Bewerbungsrede hat der bewährte Parteisoldat zuvor unmissverständlich die Marschrichtung vorgegeben: Attacke auf die AfD.

"Die Demokratie ist kein Geschenk", sagt Wöhrl. Man müsse immer wieder für sie kämpfen. "Wegen einer Alternative für Deutschland, die ich nie gewollt habe, herrschen erschreckende Verhältnisse!" Deshalb müsse die CSU "auch um die kämpfen, die diesmal die AfD gewählt haben". Jetzt gehe es darum, zu stehen. "Es geht momentan noch nicht darum, aufzustehen für dieses Land und diese Demokratie. Aber vielleicht sollten wir uns zumindest schon mal umschauen, wer mit stehen würde, wenn's darauf ankommt." Er habe seine Stiefel jedenfalls schon an, flicht Wöhrl ein. Und dem ist vermutlich wirklich so.
 

Christian Silvester