Ingolstadt
Landschaftspflege auf vier Beinen

Nach 18 Jahren zieht wieder ein Wanderschäfer mit seiner Herde an der Donau entlang bis zur Staustufe

24.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:20 Uhr
Bis in die Gegend südlich von Gerolfing ist Lukas Baumann schon gewandert. Entlang der Dämme und Deiche an der Donau wird er weiterziehen bis zur Staustufe und nach Haunwöhr und wieder zurück. Höchstens zweimal im Jahr kann er die Strecke absolvieren. Edelziegen und Merinoschafe bilden seine Herde. Die Schippe mit dem Knauf und der Harke (unten) ist Marke Eigenbau. −Foto: Fotos: Eberl

Ingolstadt (DK) Wanderschäfer zogen einst mit ihren großen Herden durch Bayern, die durch den Tritt und den Verbiss der Tiere zur Landschaftspflege beitrugen. Nach vielen Jahren ist es gelungen, einen jungen Mann zu gewinnen, der mit seinen Geißen und Schafen wieder an der Donau bis zur Staustufe wandert.

Ältere Ingolstädter werden sich noch an den Schäfer-Sepp erinnern. 42 Jahre lang ist der freundliche Mann mit seiner großen Herde im Auftrag der Baumannschaft (Stadtbauern) durch die Fluren gezogen. Der letzte Ingolstädter Stadtschäfer starb im Alter von 71 Jahren im Jahr 2000.

18 Jahre später ist es dem Umweltamt der Stadt in Zusammenarbeit mit der Donau-Wasserkraft-AG und dem Wasserwirtschaftsamt als Eigentümerin der Dämme und Deiche an der Donau gelungen, wieder einen Wanderschäfer für die Landschaftspflege zu gewinnen. Lukas Baumann stammt aus Solnhofen und absolviert seine dreijährige Ausbildung an der Landwirtschaftsschule in Triesdorf. Der 20-Jährige ist einer der wenigen, die diesen Beruf noch erlernen - gerade einmal ein Dutzend Lehrlinge sind es in seiner Klasse. "Wir betreiben größtenteils Hütehaltung", erzählt der Spross einer Schäferfamilie. Mit seiner Herde von rund 200 Tieren wird er nun heuer zunächst mal probeweise von Solnhofen über Wellheim, Pietenfeld, Tauberfeld und Gerolfing zur Staustufe und nach Haunwöhr ziehen. Über Irgertsheim und Wellheim geht es dann wieder zurück.

Merino-Landschafe und Deutsche Edelziegen hütet er mit seiner altdeutschen Schafpudeldame - ein Hund langt bei einer Herde dieser Größe. Seine Herde ist gemischt: "Die Goaß frisst alles, auch Zweige, das Schaf selektiert das, was am Boden wächst." Reich werde man mit der Schafzucht nicht, aber man könne davon leben, erzählt er. Wobei die Familie das Geld mit dem Verkauf der Lämmer und Kitze erwirtschaftet. Ein paar Kilometer kann er am Tag zurücklegen, am Abend muss er wieder die lange Strecke heimfahren, weshalb er sich einen Wagen zum Übernachten kaufen will. Das größte Problem sind für ihn nicht die Straßen, wobei er auf möglichst wenig Verkehr hofft. Radler, Wanderer und Spaziergänger mit (oft frei laufenden) Hunden bereiten bisweilen Schwierigkeiten.

Beginnend bei den Magerwiesen in der Schleiferschütt südlich von Gerolfing beweiden die Schafe den nördlichen Donaudamm stromabwärts bis zur Staustufe und pflegen dort die Magerrasen am Donaupavillon. Beweidet werden außerdem die Hochwasserschutzdeiche in Haunwöhr sowie zwischen Westlicher Ringstraße und Mitterschüttweg am Baggersee mit der angrenzenden Fohlenweide. Um Schäden an empfindlichen Arten zu vermeiden, werden Bereiche mit bekannten Orchideenvorkommen auf allen Magerrasenflächen vor Beginn der Beweidung durch Auszäunen geschützt, erklärt das Umweltamt. Bei dem Beweidungsdurchgang handelt es sich um einen "Probelauf", der durch das europaweite Donauprojekt "Danube Parks connected" gefördert und finanziert wird.

Die Stadt bittet die Bevölkerung, bei Begegnungen mit der Herde Geduld aufzubringen. Denn diese Akzeptanz sei eine Voraussetzung für einen Erfolg dieser traditionellen Pflegemaßnahme in der Ingolstädter Kulturlandschaft. Der Verbiss sorgt für eine dichte Grasnarbe und fördert die Artenvielfalt auf Deichen, Dämmen und Magerrasen sowie den Biotopverbund. Die Tiere dienen als "Taxi" für Pflanzensamen und Insekten, die sie in ihrer Wolle transportieren und beim Rasten abstreifen. Und der Kot der Tiere ist Lebensraum für spezialisierte Käfer.

Bernhard Pehl