Großmehring
"Die Bürger wollten neue Leute sehen"

Politisch aktive Großmehringer über den Wahlerfolg der Gruppierung WFG

08.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:32 Uhr
Eine kleine Gruppierung, die erst im Herbst zusammenfand, hat sich schnell etabliert: Innerhalb weniger Monate erkämpfte sich die WFG nicht nur drei Sitze im Großmehringer Gemeinderat, sondern mit Rainer Stingl (hockend) auch das Amt des Bürgermeisters. −Foto: WFG (Archiv)

Großmehring - Der Wunsch nach Veränderung war mit ausschlaggebend, dass Rainer Stingl von der überparteilichen Wählergruppierung Wir für Großmehring (WFG) die Stichwahl ums Bürgermeisteramt gewonnen hat. Darin sind sich politisch Aktive in der Gemeinde einig.

 

Als das Ergebnis am Abend des 29. März feststand, tauschten sich Stingl selbst und der unterlegene CSU-Kandidat Thomas Heindl vor dem Rathaus darüber aus, was ihnen in den vergangenen Jahren an der Großmehringer Gemeindepolitik nicht so gut gefallen hatte. Zu viel "die eine gegen die andere Seite", zu viele Entscheidungen, die nur auf Basis von "Parteinähe" gefallen waren. Stingl will dies ändern. "Deshalb haben wir uns ja gegründet."

Er hat damit Erwartungen geweckt, die Stingl SPD-Vorsitzendem Helmut Sielaff, der ebenfalls als Bürgermeisterkandidat angetreten war, aber bereits im ersten Wahlgang durchfiel, zufolge nun erfüllen muss: "Er sollte es schaffen, verfestigte Parteistrukturen im Gemeinderat endlich aufzuheben, damit dieser gemeinsam, wirklich gemeinsam, Entscheidungen zum Wohle der Bürger treffen kann."

Diese Motivation Stingls haben die Großmehringer offenbar erkannt und mit der Wahl des Bürgermeisters sowie dreier WFG-Gemeinderäte für gut geheißen. Vermutet jedenfalls Kathrina Preisinger, die als Listenführerin der Aktiven Bürger Großmehring (ABG) erneut in den Gemeinderat eingezogen ist. "Ich glaube, der Wunsch nach etwas Neuem war ganz groß", sagt sie. "Das hat man der WFG und speziell Stingl wohl am meisten zugetraut."

In dieselbe Kerbe schlägt Wolfgang Michelke, seit Oktober Vorsitzender der Unabhängigen Wähler (UW), deren Bürgermeisterkandidat Gerhard Lechermann im ersten Wahldurchgang am 15. März am wenigsten der Stimmen holen konnte. "Die Bürgermeisterwahl war für uns ein bisschen enttäuschend", sagt er. Auch den Verlust von zwei der sechs bisherigen Gemeinderatssitze bedauert Michelke. "Aber der Bürger hat entschieden, und mit der WFG hat sich ein neuer Roleplayer gut positioniert." Er zollt Stingl seinen "höchsten Respekt, dass er die WFG aus dem Boden gestampft hat und erfolgreich damit war". Die UW hätten mit Horst Volkmer und Ludwig Diepold 30 Jahre lang erfolgreich den Bürgermeister gestellt. "Den Wunsch nach Veränderung müssen wir jetzt akzeptieren."

Auch Albin Oberbauer, Vorsitzender der Freien Wähler (FW) und seit 24 Jahren im Gemeinderat, setzt nun auf einen Umschwung im Rathaus. Zwar zeigt er sich "ein bisschen frustriert, weil Gerhard Lechermann ein guter Kandidat war und ein dritter Gemeinderat für die FW nicht geklappt hat". Dennoch denkt auch er, dass "wir in einer Demokratie leben und die Bürger eben neue Leute sehen" wollten: "Die WFG ist unbeschadet, die sollen das probieren, ich finde das gut."

Die Gründe für diesen Wunsch nach Veränderung können einige Politiker aus eigenem Ermessen nachvollziehen. Obwohl die ABG während der gesamten Wahlkampfzeit den CSU-Mann Heindl unterstützt hatten ("Er hat als Fraktionssprecher immer eine gute Figur gemacht", so die Begründung), ist Preisinger "gespannt" auf Stingls Wirken: "Wir erwarten eine offenere Zusammenarbeit im Gemeinderat, dass die Gemeinderäte umfangreicher informiert werden, und mehr Miteinander." In der Vergangenheit habe dies ein Stück weit gefehlt. "Der offene Dialog ist zu kurz gekommen." Als Demlingerin habe sie dies insbesondere bei der Diskussion um das Baugebiet "Am Hochrain II" vermisst. "Wenn die Interessen der Bürger nicht wahrgenommen werden, dann ist das enttäuschend."

Auch UW-Vorsitzender Michelke will Stingl an seinen Wahlversprechen messen. "In seinem Programm steht eine Offenheit in der Gemeindepolitik, und er will keine Koalitionen eingehen. Wir sind offen für jegliche Vorschläge und freuen uns auf die Zusammenarbeit."

Auf ein konstruktives Miteinander hofft Oberbauer. "Es wird jetzt ein bisschen schwierig mit den Mehrheiten", sagt der FW-Vorsitzende im Hinblick auf die mittlerweile sechs Gruppierungen im Gemeinderat, die Stingl nun auf einen Nenner bringen muss. Auch zweiter Bürgermeister Sielaff meint: "Stingl wird jetzt versuchen müssen, die vielfältigen Gemeinderäte zusammenzubringen." Oberbauer ergänzt: "Vielleicht schafft er das." Der FW-ler hält den angehenden Bürgermeister für einen "fähigen Mann, er kennt die ganze Verwaltung" durch seine 17-jährige Tätigkeit als Sachgebietsleiter. Wichtig sei es jetzt, große Projekte wie das neue Rathaus abzuschließen und dann - vor allem wegen der Corona-Krise - zu sparen.

"Probleme mit der Gewerbe- und der Einkommensteuer" erwartet auch der SPD-Vorsitzende. "Deshalb müssen wir den Haushalt, den Stingl jetzt aufstellen muss, gemeinsam durchforsten." Bestimmte Projekte müssten zurückgestellt, wichtige vorangetrieben werden, fordert Sielaff. "Aber es wird sicherlich Einschnitte geben."

DK

Tanja Stephan