Kösching
Das Ende der früheren Gemeindekanzlei

11.03.2011 | Stand 03.12.2020, 3:04 Uhr

Dem ehemaligen Schulmeisterhaus an der Oberen Marktraße in Kösching droht demnächst die Abrissbirne. - Foto: Frühmorgen

Kösching (frj/khh) Das ehemalige Schulmeisterhaus am Ende der Oberen Marktstraße/Ecke Heinrichsgraben soll demnächst abgerissen werden und einem Wohn- und Geschäftshaus weichen. Mit dem Jurahaus, an dem der Zahn der Zeit arg nagte, verschwindet wieder ein Stück alten Köschings.

Das Gebäude, das auch einmal die Gemeindekanzlei beherbergte, steht laut Heimatpfleger Friedrich Lenhardt nicht unter Denkmalschutz. "Das Haus geht in seinen Grundmauern auf das Mittelalter zurück", weiß Lenhardt. Jahrhunderte lang war es das Schulmeisterhaus – also Wohnhaus und Lehranstalt in einem. Nach dem Abbruch plant Willi Kauf, der Besitzer des Gebäudes, den Bau eines Wohn- und Geschäftshauses.

Nach den Forschungen von Heimatpfleger Friedrich Lenhardt trat 1489 zum ersten Mal ein Lehrer urkundlich in Erscheinung, der dort unterrichtete. "Aber schon vorher muss die Elementarausbildung der Kinder zur Grundaufgabe des Markts gehört haben, sonst hätten sich nicht sechs Buben und Mädchen aus Kösching im Jahr 1472 bei der Gründung der Hohen Schule in Ingolstadt einschreiben lassen können."

Der Schulmeister musste früher versuchen, sein schmales Einkommen durch weitere Tätigkeiten wie das Musizieren, den Mesnerdienst oder die Schreiberei zu erhöhen. Dabei schickte es sich gut, dass das Gebäude neben dem Schulmeisterhaus die Marktschreiberei war. So waren in späterer Zeit die Ämter häufig in einer Familie vereinigt.

Der Unterricht fand in einem einzigen Raum statt. Der reichte aus, weil die Eltern ihre Kinder lieber aufs Feld oder zum Hüten der Gänse als in die Schule schickten. Das änderte sich mit der Einführung und Überwachung der Schulpflicht 1802 in Bayern. Jetzt waren 90 Schulkinder unterzubringen, wozu das alte Gebäude an der Marktstraße in keiner Weise mehr taugte. Die wirtschaftliche Not verhinderte aber einen Neubau – und so erweiterte man 1815 das alte Schulhaus nach Norden hin um einen Schulsaal. "Der drangvollen Enge konnte erst durch die Errichtung des Klosters und der Übernahme des Mädchenunterrichts durch die Armen Schulschwestern im Jahr 1850 begegnet werden", sagt Lenhardt.

Aber eine Generation später rügte die Schulinspektion erneut die unzureichende Unterrichtssituation bei den Knaben, deren Zahl auf 96 gestiegen war. Der herbeigerufene Maurermeister stellte fest, dass Aufstockung oder Erweiterung des Gebäudes unmöglich seien. Lenhardt: "Daraufhin wollte der Markt sein altes Rathaus am Marktplatz zurückkaufen, um dort die Knabenschule einzurichten. Das scheiterte aber an den Geldforderungen des Ratswirts. Ein Neubau musste her."

1877 konnte die neue Knabenschule am Heinrichsgraben gegenüber dem Schulmeisterhaus bezogen werden. Das stand nun leer. Fortan nutzte die Marktverwaltung das gemeindeeigene Haus als Kanzlei. Um das Jahr 1910 bekam der schlichte Giebel seine pompöse Zier. Das alte Schulmeisterhaus war laut Lenhardt eines der ersten Häuser in Kösching, das an die Wasserleitung angeschlossen wurde. Der öffentliche Pumpbrunnen vor dem Haus konnte aufgelassen werden. Der Gemeindeschreiber, der jetzt Marktsekretär hieß, zog ein. Bis 1957 wies das Schild "Marktgemeinde Kösching" auf die neue Funktion des alten Gebäudes hin.

1957 konnte die Marktgemeinde unter Bürgermeister Simon Diepold endlich ihr altes Rathaus am Marktplatz zurückkaufen, und die Verwaltung zog ein. In dem großen Gebäude gab es wieder Platz für den Bürgermeister.

Das historische Schulmeisterhaus wurde an Wenzel Werner verkauft. Dieser stammte aus Böhmisch Leipa und wohnte bereits seit seiner Vertreibung im Jahr 1945 mit seiner Frau und den drei Kindern im alten Schulmeisterhaus. In den Nachkriegsjahren richtete er dort – wie in seiner sudetendeutschen Heimat – ein Gemischtwarengeschäft ein. Nach dem Erwerb des Hauses gelang es ihm, einen Erweiterungsbau in Richtung Osten zum ehemaligen Polizeigebäude zu bauen.

"Das Kaufhaus Werner war jahrzehntelang ein Begriff in Kösching", betont Heimatpfleger Friedrich Lenhardt. Dort konnten die Bürger Lebensmittel und Textilien kaufen.

Die ehemalige Gemeindekanzlei erwarb 1988 der Steinmetzmeister Willi Kauf. Das alte Gebäude wurde zur Gastwirtschaft – bis 2008 das Bistro "Sowieso" dicht machte.