Kösching
"Arbeitsverhältnisse zweiter Klasse bekämpfen"

IG-Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner sprach beim DGB-Heimatabend in Kösching

24.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:17 Uhr

Foto: Norbert Schmidl

Kösching (DK) "Sicher, gerecht und selbstbestimmt" - so müssen in Zukunft wieder verstärkt Arbeitsverhältnisse aussehen, geht es nach Jürgen Kerner. Das geschäftsführende Vorstandsmitglied der IG Metall war vor etwa 150 Zuhörern der Hauptredner beim traditionellen Heimatabend des DGB-Ortskartells Kösching, der am Samstag erstmals im Saal des Gasthofs Amberger stattfand.

Den Arbeitgebern gehe es nur um den Abbau von Arbeitnehmerrechten, so Kerner. Doch das sei zu vergleichen mit dem Aderlass im Mittelalter, der als Allheilmittel galt, wodurch aber alles nur schlechter geworden sei. Leider habe man sich in Deutschland immer noch nicht vom Neoliberalismus der 80er- und 90er-Jahre verabschiedet. Es sei aber höchste Zeit, diesen "Ungeist" einzugrenzen.

Ein Negativbeispiel seien die Werksverträge, die ursprünglich nur für Sonderaufgaben gedacht gewesen, heute aber "der Inbegriff für Zergliederung" in kleinere Einheiten seien. Demgegenüber sei für ein sicheres und gerechtes Arbeitsleben wieder eine "Tarifbindung als zentraler Hebel" nötig. Um zu einem "neuen Normalarbeitsverhältnis" zu kommen, sei ein neuer Weg nötig, so Kerner, denn in den vergangenen Jahren habe er in eine falsche Richtung geführt. Es sei höchste Zeit, "Arbeitsverhältnisse zweiter Klasse zu bekämpfen", forderte der Gewerkschafter und rief nach einer "vernünftigen Arbeitszeitpolitik" sowie einer Verteilungs- und Gerechtigkeitspolitik. Denn derzeit betrieben die Arbeitnehmer zunehmend "Selbstausbeutung durch zeitliche und räumliche Ausweitung ihrer Verfügbarkeit".

Kerner merkte dabei durchaus kritisch an, dass die Gewerkschaften hier die Handlungshoheit verloren hätten, was "nicht hinnehmbar" sei. Man dürfe "die Zukunft nicht anderen überlassen". Angesichts zahlreicher Überstunden sagte er: "Geleistete Arbeit muss wieder erfasst und vergütet werden." Denn wenn Tausende von Stunden verfallen würden, sinke der Wert der Arbeit, und das dürfe nicht sein. "Zeitliche Flexibilität der Arbeitnehmer, ja - aber nur mit Gegenleistung," so Kerner. Zudem müssten der freien Verfügbarkeit der Arbeitnehmer Grenzen gesetzt werden, denn sonst sei man schnell bei Ausbeutung angelangt. Als positives Beispiel nannte Kerner Dänemark, denn dort sei "nicht der der Held, der am längsten im Büro sitzt".

Kerner plädierte dafür, die "neue Arbeitszeit selbstbestimmt an Lebensphasen anzupassen". Denn dann könnten Arbeitnehmer - beispielsweise wenn kleine Kinder im Haus seien oder ein Hausbau anstehe - weniger, in anderen Phasen eben mehr arbeiten.

Als "Frage der Zukunft" bezeichnete der Referent die Fachkräfteproblematik. Um diese zu lösen, seien eine strategische Personalentwicklung und -planung, Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der Firma sowie "alters- und alternsgerechte Arbeitsplätze" nötig.

Nach den Grußworten des Köschinger DGB-Ortskartellsvorsitzenden Jörg Huber und von Bürgermeisterin Andrea Ernhofer hatte vor Kerners Rede bereits Erich Seehars, Vorsitzender des DGB-Kreisverbands Eichstätt, über den Mindestlohn und das Flüchtlingsthema gesprochen. Der seit einem Jahr geltende Mindestlohn von 8,50 Euro habe nicht - wie von Arbeitgebern und Wissenschaftlern vorhergesagt - zum "Untergang der deutschen Wirtschaft" und zum Verlust von Arbeitsplätzen geführt, so Seehars. Er sei vielmehr notwendig gewesen, "um der grenzenlosen Ausbeutung in vielen Bereichen ein Ende zu setzen". Und in Bezug auf die Integration von Flüchtlingen forderte der Gewerkschafter den Ausbau von Bildungsangeboten, speziell von Deutschkursen. Denn "nur wer die Sprache beherrscht, bereitet den Weg einer Integration vor."