Ingolstadt/Eichstätt/Pfaffenhofen/Neuburg
Das Bangen der Genossen

Regionale SPD-Chefs zum Berliner Sondierungsergebnis

15.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:57 Uhr

Ingolstadt/Eichstätt/Pfaffenhofen/Neuburg (DK) Wohin steuert die SPD in der Regierungsfrage? Nirgendwo in der Republik können sich die regionalen Parteichefs, sofern sie nicht selber zu den Kritikern einer erneuten Großen Koalition gehören, der ungeteilten Zustimmung der Basis zu den Berliner Sondierungsergebnisse zwischen Union und Sozialdemokraten sicher sein. Auch in der Region ist das Bild nicht homogen, wie eine Umfrage bei den Kreisvorsitzenden zeigt.

An der Entscheidung des SPD-Bundesparteitages über das Berliner Sondierungsergebnis von CDU/CSU und SPD werden die Ingolstädter Genossen keinen Anteil haben - mit 440 Mitgliedern liegt der Kreisverband unter der "Mitbestimmungsgrenze" von 500, ab der Delegierte entsandt werden können. Zwangsläufig ist das Verhandlungsresultat übers Wochenende aber auch in den örtlichen Parteikreisen debattiert worden.

Kreisvorsitzender Christian De Lapuente geht davon aus, dass durch den auf jeden Fall noch ausstehenden Mitgliederentscheid auch die Ingolstädter Parteibasis hinreichend in den Entscheidungsprozess für eine Regierungsbeteiligung einbezogen wird. Die Chancen für ein überwiegendes Ja schätzt er persönlich gar nicht mal so schlecht ein, denn er will erkennen, dass "an die 90 Prozent" der SPD-Forderungen Eingang in das Abschlusspapier der Koalitionssondierungen gefunden haben. Da, so De Lapuente, stimme er mit der SPD-Landesvorsitzenden Natascha Kohnen überein, die das bisherige Ergebnis am Wochenende bei einer Tagung der bayerischen SPD-Landtagskandidaten (der Ingolstädter Parteichef kandidiert im Eichstätter Wahlkreis) nach seinem Eindruck "sehr kompetent" vertreten habe.

Einzig die völlige Ausklammerung der angestrebten Bürgerversicherung bereite ihm und anderen Kummer, so der Ingolstädter SPD-Chef. Da habe sich gar nichts bewegt. De Lapuente nennt andererseits die geplante Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung einen wirklich vorzeigbaren Erfolg. Dies sei für ihn, der neuerdings Sprecher der Arbeitnehmerseite im Verwaltungsrat der regionalen AOK ist, ein enorm wichtiger Verhandlungserfolg der Sozialdemokraten.

Der Ingolstädter Kreisvorsitzende rät allen örtlichen Mitgliedern dazu, das Ergebnis der Sondierungen genau zu analysieren und sich nicht durch kritische Kommentierungen "in den überregionalen Medien" irritieren zu lassen. Sein Urteil: "Da ist viel, was zustimmungsfähig ist, und das wenige Negative muss man sich halt noch mal anschauen."

Der SPD-Unterbezirksvorsitzende im Landkreis Eichstätt, Sven John, würde, wenn er Delegierter wäre, für die Aufnahme der Koalitionsverhandlungen stimmen. Sein Gefühl sage ihm, dass im Landkreis Eichstätt die Zustimmung und Ablehnung in etwa 50:50 verteilt sind unter den Genossen. "Es wird nicht einfach werden, aber ich denke, es wird eine Mehrheit für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen geben," so John. Insgesamt glaubt er, dass "in Anbetracht unseres Bundestagswahlergebnisses" die SPD-Verhandlungsteilnehmer ein gutes Ergebnis erzielt hätten. Dafür sprechen laut John die Sicherung des Rentenniveaus von 48 Prozent bis 2025, die Entlastung der kleineren und mittleren Einkommen beim Soli, die Förderungen am Arbeitsmarkt, die Wiederherstellung der Parität bei den Beiträgen zur Krankenversicherung, die Milliarden für die Bildung, die Verständigung auf ein Einwanderungsgesetz inklusiv der Bekämpfung der Fluchtursachen und der nötigen Regeln zum Familiennachzug sowie die lange geforderte Aufwertung der sozialen Berufe.

Die Aussage von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, SPD-Chef Martin Schulz solle den "Zwergenaufstand" in seiner Partei in den Griff bekommen, nennt John "ungeschickt". Sie solle wohl nur provozieren, könne sich aber letztendlich auch negativ auf die Bildung einer großen Koalition auswirken.

Werner Widuckel, Chef der Sozialdemokraten im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, steht Koalitionsgesprächen mit der Union grundsätzlich positiv gegenüber - jedoch mit einem großen Aber. "Die Verhandlungsgrundlage muss erweitert werden", sagt der Karlskroner, den es beispielsweise gewaltig wurmt, "wie die Bürgerversicherung abgeräumt wurde". In den Bereichen Bildung und Digitalisierung vermisst er außerdem konkrete Zielsetzungen. "Das atmet doch ein Weiter so", findet der Kreisrat und Professor, betont aber: "So geht es aber in Deutschland nicht."

Dass die Parteispitze bei den Sondierungen nicht unbedingt geglänzt hat, ist Widuckel zufolge aber kein reines SPD-Problem. Seiner Ansicht nach gibt es auf beiden Seiten Defizite. Dazu zählt er bei der Union neben Kanzlerin Angela Merkel ("Sie hat bis heute nicht gezeigt, wie sie eine Regierung führen will") auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mit seinen Äußerungen über einen "Zwergenaufstand" bei der SPD. "Das fördert die Gespräche nicht gerade." Beim Parteitag der Sozialdemokraten am kommenden Sonntag in Bonn wird übrigens kein Mitglied aus Neuburg-Schrobenhausen dabei sein.

Der Vorsitzende des Kreisverbands Pfaffenhofen, Markus Käser, möchte das Ergebnis der Sondierungen nicht vorab kommentieren. "Ich will unsere Mitglieder nicht bevormunden." Das Papier sei allen zugesandt worden, sagte er. "Jeder kann sich nun selbst ein Bild davon machen." Am gestrigen Montagabend hat sich der Kreisverband in Vohburg getroffen. In diesem Rahmen ist ausführlich über das Ergebnis der Sondierungen diskutiert worden. Obwohl Käser die Inhalte nicht alleine bewerten wolle, spricht er doch von "Licht und Schatten". Dass Klima- und Umweltschutz ausgeklammert wurden, hält der Vorsitzende des Kreisverbands persönlich für dramatisch. Ein abschließendes Urteil möchte er nicht fällen - dazu verweist er auf den Bundesparteitag und letztlich auf die Entscheidung der Basis.

Fotos: AOK , Chloupek, Frank, privat