Ingolstadt
Kinder stürmen das Stadttheater

Intendant berichtet von "gigantischer Nachfrage" und "unbefriedigender Situation" wegen der Kammerspiele

03.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:30 Uhr
Inmitten erwartungsfroher Kinder: Intendant Knut Weber und Julia Mayr, die Leiterin des jungen Theaters, im vergangenen Dezember vor den Garderoben. In jeder Spielzeit besuchen rund 50000 Kinder und Jugendliche die Vorstellungen des Stadttheaters Ingolstadt. −Foto: Eberl /Archiv

Ingolstadt (DK) Knut Weber, der Intendant des Stadttheaters, hat gestern im Kulturausschuss den neuen Spielplan vorgestellt - und die Gelegenheit genutzt, eindringlich auf die "sehr unbefriedigende Situation" hinzuweisen. Die Besucherzahlen steigen immer weiter (allein 50000 Kinder pro Spielzeit), doch das erhöhe auch den Druck auf die beengten Verhältnisse in dem sanierungsbedürftigen Theater. Leider gehe beim Projekt Kammerspiele immer noch nichts voran, sagte der Intendant. "Wir haben keine klare Perspektive." Derweil setzt ausgerechnet der große Erfolg dem Stadttheater ziemlich zu.

Allein schon ein Blick auf die Titel der Werke, die in der Spielzeit 2019/2020 gegeben werden, steigert die Dramatik: "Fegefeuer in Ingolstadt", "Der kleine Horrorladen", "Hunger und Gier", "Der Revisor" oder (auch Furcht einflößend) "Furor" heißen einige der Stücke, die ab Herbst auf den Bühnen des Stadttheaters zu sehen sind. Eine Anspielung des Ensembles und seines meinungsfreudigen Intendanten auf die schwierige Situation in dem arg angejahrten Haus, dessen Generalsanierung einfach nicht in Sicht rücken will? Auch nicht nach Debatten und politischen Willensbekundungen, die schon seit zwei kommunalen Wahlperioden währen, sowie 80 Millionen Euro plus X Zuschuss von Markus Söder. Es passiert: nichts.

Vielleicht darf man die Werkauswahl als kleinen ironischen Wink interpretieren. Aber wohl eher nicht. "Der kleine Horrorladen" ist ein amüsantes Musical, das die Ingolstädter Theatergänger schon in der Spielzeit 1991/1992 begeisterte, "Hunger und Gier" ist ein Märchen, und Marieluise Fleißers "Fegefeuer" führt auch nicht in die Hölle. Nur nach Ingolstadt.

Die Lage ist wirklich paradox: Das Stadttheater wird ausgerechnet von seiner großen Beliebtheit unter Druck gesetzt. Denn ist gibt allen Grund, sich zu freuen: 150000 Besucher pro Spielzeit, "davon ein Drittel im Jungen Theater, das sich an alle Altersgruppen richtet", berichtet Weber im Kulturausschuss. "Das ist eine gigantische Nachfrage! Alle Schülervorstellungen sind ausverkauft. Wir könnten viel mehr spielen. Die Nachfrage steigt mit jeder Spielzeit." Kinder aus der ganzen Region freuen sich auf Karten.

Sehr stolz sind Intendant, Ensemble und alle weiteren Mitarbeiter auf die 5000 Abonnenten. Eine hohe Zahl. "Das pflegen wir! Denn wir sind eines der wenigen Theater in Deutschland, die das noch haben." Doch die Kapazität ist ausgeschöpft. "Wir arbeiten in sehr engen Grenzen." Auch die Werkstatt ist beengt, was daran liegt, dass das Stadttheater ursprünglich gar keine erhalten sollte, sondern nur einen größeren Raum, in dem die Gastensembles ihre mitgebrachten Bühnenbilder zusammenschrauben. Dass Ingolstadt ein eigenes Ensemble bekommt, beschloss der Stadtrat erst, als die Planungen bereits fortgeschritten waren.

Jetzt sehnt man dringend ein weiteres Theater herbei: Die Kammerspiele, Ersatzspielstätte für die Zeit der Generalsanierung (während der das Stadttheater samt Festsaal jahrelang geschlossen sein wird), und danach das neue Kleine Haus (das heutige Kleine Haus am Brückenkopf ist kaum noch präsentabel). Jedoch: "Wir haben immer noch keine klare Perspektive für die Weiterentwicklung der Kammerspiele. Das ist eine sehr unbefriedigende Situation", so Weber. Ohne die Ersatzspielstätte gäbe es während der Sanierung "auch keinen Ort für Gastspiele". Und für die eigenen Produktionen "brauchen wir einen Spielort mit einer Kapazität bis zu 300 Besuchern".

 

 


Eine Reaktion auf die Beliebtheit des Theaters bei den jüngsten Gästen: "Wir gehen mit einer Produktion für das Kinder- und Jugendtheater raus." Dann kommt "Moby Dick" im Kulturzentrum Halle 9 groß raus.

Weber erhält parteiübergreifend viel Lob. Barbara Leininger (Grüne) spricht von einem "Bürgertheater, das sich der gesamten Stadtgesellschaft öffnet". Georg Niedermeier (BGI) will wissen, wie es der Intendant geschafft habe, die Theaterlegende Claus Peymann für die Inszenierung von Fleißers "Fegefeuer in Ingolstadt" zu gewinnen. Antwort: "Wir kennen uns. Und da Peymann jetzt kein Intendant mehr ist, hat sich die Gelegenheit ergeben."

Albert Wittmann (CSU) schließt sich den Ovationen an. "Wirklich super! Macht's weiter so!" Dann überreicht der Bürgermeister, wenn auch erst auf Anregung Peter Springls, einen "Glückspfennig" (eigentlich ein Centstück), den er kurz zuvor vor dem Rathaus gefunden hat, an den Intendanten: "Als gutes Omen für die Finanzierung!"

Vielleicht hilft ja das was.
 

 

 

Christian Silvester