Ingolstadt
Unentschieden bei den Kammerspielen

Zahl der Gegner und Befürworter der Pläne für einen Neubau auf der Tiefgarage halten sich die Waage

20.01.2020 | Stand 23.09.2023, 10:08 Uhr
Platz für die Kammerspiele: Auf der Grünfläche südlich der Donaukaserne soll die Spielstätte nach aktuellen Planungen über der Theatertiefgarage errichtet werden. Befürworter und Gegner des Vorschlags halten sich laut Forsa-Umfrage in Ingolstadt die Waage. −Foto: Schalles

Ingolstadt - Der geplante Bau der Kammerspiele über der Theatertiefgarage an der Schutter und Tränktorstraße ist eines jener Themen, die im politisch interessierten Ingolstadt zuletzt besonders leidenschaftlich diskutiert wurden.

Da das marode Stadttheater dringend sanierungsbedürftig ist, soll der Theaterneubau zunächst als Ausweichstätte während der Renovierung und danach als neues Kleines Haus dienen. Kritiker des Projektes führen dabei immer wieder ins Feld, der Disput um die Kammerspiele sei ein reiner Elitendiskurs. Der "normale Bürger" interessiere sich gar nicht für Theater und Kultur, ein neuer Schauspielbau sei deswegen hinausgeschmissenes Geld, heißt es gerne in meinungsfreudigen Onlineforen. Die Forsa-Umfrage im Auftrag des DK belegt das Gegenteil.

Rund die Hälfte der Befragten (44 Prozent, siehe Grafik) haben sich für einen Neubau der Kammerspiele auf der Tiefgarage ausgesprochen. Etwa genau so viele (46 Prozent) sprechen sich dagegen aus. Die restlichen zehn Prozent wollten sich zu dieser Frage nicht äußern. Die Reaktionen auf dieses Ergebnis fallen völlig unterschiedlich aus. Patricia Klein, Fraktionsvorsitzende der CSU, findet es "wenig überraschend", dass sich Zustimmung und Ablehnung praktisch gleich verteilen. "Das stimmt mit meinem Eindruck aus den Gesprächen mit Bürgern überein", sagt sie. Es gebe bei dem Projekt noch so viele Unwägbarkeiten, dass es offenbar schwer falle, sich eine abschließende Meinung zu bilden. "Die Planer müssen zu Fragen der Machbarkeit erst einmal Fakten liefern. " Derzeit arbeiten die Architekturbüros der drei Siegerentwürfe detaillierte Planungen zum Bau auf der Tiefgarage aus.

Hans Stachel, der OB-Kandidat der Freien Wähler, räumt ein, "doch etwas überrascht" zu sein, wie viele Menschen sich für die Kammerspiele an diesem Ort ausgesprochen haben. "Das können nur Leute sein, die sich noch nicht wirklich mit dem Thema auseinandergesetzt haben", ist er überzeugt. Denn wer das täte, müsse zu dem Schluss kommen, dass man dem Plan - zumindest derzeit - nicht zustimmen könne. Zu vieles sei ohne die Expertise der Architekten noch offen. "Es ist so, wie für den Brexit zu stimmen, ohne zu wissen, was er für Konsequenzen hat", erklärt Stachel.

Er habe eher mit einer Ablehnung von zwei Dritteln der Befragten gerechnet, sagt der FW-Kandidat. Dieses Ergebnis ergab zumindest die Befragung unter jenen, die sich gegenüber Forsa als Anhänger der FW bezeichnet haben. Das wiederum überrascht Stachel nicht. Wie er betont, wurde die kritische Position der FW gegenüber den Kammerspielen an der Tränktorstraße intern mehrfach abgesprochen. "Ich weiß, dass die allermeisten meiner Kollegen diese Position teilen", betont er.

Etwas überrascht vom Ergebnis ist auch Petra Kleine, OB-Kandidatin und Fraktionsvorsitzende der Grünen. Das allgemeine Stimmenverhältnis 44 zu 46 Prozent sei zumindest "nicht erfreulich". Sie hätte sich ein deutlicheres Votum pro Kammerspiele an dieser Stelle gewünscht. Bei den Anhängern ihrer Partei ist die Zustimmung mit 53 Prozent höher als bei allen anderen Gruppierungen. Allerdings sprechen sich auch 38 Prozent der Grünen-Wähler gegen den Plan aus. Durchaus eine Überraschung für die Kandidatin, die mit mehr Zuspruch aus den eigenen Reihen gerechnet hätte. "Wir haben eine kultur- und architekturaffine Wählerschaft", erklärt Kleine. "Vielleicht hätte sich der eine oder andere einen der anfangs diskutierten Standorte gewünscht. Oder es ist der Wunsch nach einem noch spektakuläreren Entwurf an einer anderen Stelle", spekuliert sie.

Die SPD-Fraktion sei weiter "eindeutig für die Kammerspiele" am Standort Schutterstraße, sagt deren Vorsitzender Achim Werner, der aber auch anfügt, "dass das Thema bei uns kontrovers diskutiert wird". 50 Prozent der Anhänger der SPD sprechen sich gegen einen Bau der Kammerspiele hinter der Donaukaserne aus. Die SPD stehe aber "voll hinter unserem Stadttheater", die Situation im sanierungsbedürftigen Hämer-Bau und erst recht im Kleinen Haus am Brückenkopf sei "den Theaterleuten nicht mehr zuzumuten", sagt Werner. Der Bau der Kammerspiele am vorgeschlagenen Ort sei sehr geeignet, "weil er die Altstadt zur Donau hin öffnet".

Anders als Stachel, ist Kleine davon überzeugt, dass der Bau der Kammerspiele auf der Tiefgarage "technisch, statisch und verkehrsplanerisch" eine gute und realistische Lösung sei. Mit der Tiefgarage bestehe an der Stelle bereits ein sehr tiefes Gebäude. "Viele Fragen - etwa die nach dem Grundwasser - sind damit doch geklärt. " Ein finanzielles Debakel "wie bei der Elbphilharmonie" sei an dieser Stelle deswegen nicht zu erwarten. Es sei lediglich eine politische Frage, wie viele Parkplätze und Euro der Stadt die Kammerspiele wert seien, so Kleine sinngemäß.

Diese Zuversicht teilt man bei der CSU und den FW nicht. Für den Fall, dass sich das Projekt an der geplanten Stelle nicht - oder zumindest nicht in einem vertretbaren Kostenrahmen - realisieren lasse, schlägt Stachel vor, die Stadttheatersanierung dennoch zu starten und den Theaterbetrieb für die Zeit an andere Orte zu verlagern. "Man könnte den Saal im Kongresszentrum entsprechend anders ausstatten", überlegt er. Ein Ende der Planungen an der Tränktorstraße ist dagegen für Patricia Klein "nicht das prinzipielle Aus für einen Theaterneubau", allerdings müsse dann "noch einmal grundsätzlich überlegt werden".

Das wäre wohl eine Aufgabe des neuen Stadtrates. Davor stehen allerdings noch eine weitere Forsa-Umfrage im Februar, die Kommunalwahl am 15. März und eventuell eine OB-Stichwahl zwei Wochen später. Das Thema Kammerspiel dürfte also noch länger ein Diskussionsthema bleiben.

DK

Christian Silvester