Ingolstadt
Eine erste Vorstellung

Lob für die Architektur, Sorgen wegen der Kosten: Reaktionen auf Siegerentwurf für die Kammerspiele

17.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:26 Uhr
So könnte es eines Tages aussehen: Blick von der Terrasse des Stadttheaters auf die Kammerspiele. Dazwischen die Schutterstraße als "shared space", −Foto: Büro Blauraum (Grafik)

Ingolstadt (DK) Das Preisgericht hat gesprochen: Der Entwurf des Hamburger Büros Blauraum für die Kammerspiele des Stadttheaters ist der beste. Wie berichtet, hat die Jury am Freitag den vieleckigen Solitärbau auf Platz eins gesetzt. Der Stadtrat ist an dieses Votum aber nicht gebunden; er wird im Frühjahr eine Entscheidung fällen. In den ersten Reaktionen überwiegt jedoch Skepsis wegen der Baukosten. Die Freien Wähler sprechen von "Bauchschmerzen". Die negative Erfahrung mit dem neuen Kunstmuseum spielt hier eine große Rolle.

Selbstbewusst liegt er da. Lange, kühne Linien betonen die elegante Form des Baukörpers. Der Altstadt zugewandt, auf das Stadttheater gegenüber verweisend. Und dann glänzt das Modell der Hamburger Architekten auch noch so erhaben-gülden.

En miniature machen die Kammerspiele durchaus einiges her. Das Preisgericht hat den Entwurf des Büros Blauraum am Freitag unter 15 Beiträgen einstimmig zum Sieger erklärt. Die Architektur kommt bestens an. Wenn halt die befürchteten Kosten nicht wären. Mittlerweile ein Minenfeld. Da gerät der ästhetische Reiz rasch an eine Grenze.

Die Theatersanierung (sie wird Jahre dauern) und der Bau der Kammerspiele (als Ersatzspielstätte und danach als neues Kleines Haus), werden vom Freistaat mit mindestens 80 Millionen Euro üppig gefördert. Eine belastbare Kalkulation der Gesamtkosten gibt es noch nicht.

Die Freien Wähler eröffneten gestern mit einer Pressemitteilung die Reihe der Reaktionen. Stadtrat Markus Reichhart war Mitglied der Jury. Er berichtet: "Die kompakten Entwürfe, die Anbindung an die Donau und die Platzgestaltung vor dem Theater lassen erwarten, dass es durchaus möglich ist, in der Innenstadt einen weiteren positiven städtebaulichen Akzent zu setzen." Das Problem: "Die Baukosten bereiten der FW-Fraktion allerdings Bauchschmerzen, nicht zuletzt wegen der jüngsten Erfahrungen mit dem Museum für Konkrete und Kunst und Design"? heißt es. Die Baustelle auf dem Gießereigelände wird immer teuerer. Jetzt stehen statt 25 Millionen Euro fast 33 Millionen Euro im Raum (der Stadtrat hat die neue Projektgenehmigung indes noch nicht erteilt).

Der FW-Fraktionsvorsitzende Peter Springl warnt deshalb davor, "die Ergebnisse des Architektenwettbewerbs nur durch die rosarote Brille zu sehen". Der Bauverlauf beim Museum zeige, "dass die Folgen, die sich aus dem umzusetzenden Entwurf ergeben, erst offensichtlich wurden, als es nicht mehr möglich war, im Kern in die Baumaßnahme einzugreifen". Er kündigt an: "Die FW-Fraktion wird die weiteren Planungsschritte und die Bürgerbeteiligung positiv begleiten, wird dabei aber besonders die Kosten genau im Auge behalten, und zwar nicht nur die reinen Baukosten, sondern auch die zu erwartenden Folgekosten für Betrieb und Bauunterhalt."

Gerd Werding, der Fraktionsvorsitzende der Unabhängigen Demokraten Ingolstadts (UDI), ist voll des Lobes für den Siegerentwurf: "Sehr gelungen! Ich habe ihn auch an erster Stelle gesehen." Er schätzt vor allem die Eigenständigkeit der Kammerspiele nach den Vorstellungen des Büros Blauraum, die "keine kopiehafte Erweiterung des Hämer-Baus" (also des von Hardt-Waltherr Hämer entworfenen, 1966 eröffneten Stadttheaters) bedeuteten. "Das Wettbewerbsverfahren war sehr qualifiziert", berichtet Werding. Natürlich habe es gegen diverse architektonische Aspekte Einwände gegeben, aber alles in allem sei das Urteil des Preisgerichts deutlich.

Jedoch: die Kosten. Da geht es dem UDI-Chef wie seinen ehemaligen Fraktionsfreunden von den Freien Wählern: "Ich kann verstehen, dass nach den Erfahrungen mit dem Reuchlin-Gymnasium und dem Kunstmuseum manche ein bisschen Bauchweh haben. Ich sehe das mit gewisser Skepsis. Es wäre leichtfertig, wenn wir über die Kosten locker drübergehen würden. Da haben wir eine Verantwortung!" Baukosten stiegen nun mal in der Regel, aber der Stadtrat, so Werding, müsse streng darauf achten, dass sie im Rahmen bleiben.

Für Hans Achhammer, Sprecher der CSU im Stadtentwicklungsausschuss, ist jetzt erst mal "die Öffentlichkeit gefragt". Die Bürger sind eingeladen, sich an der Diskussion über die Entwürfe zu beteiligen. Man werde die Projektkosten "selbstverständlich fest im Auge behalten", sagt er. Denn der Blick geht immer auch Richtung Museumsneubau auf dem Gießereigelände. "Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass wir noch andere Aufgaben haben als die Kultur." Sollte sich die Entwicklung bei Audi fortsetzen (der Absatz sinkt deutlich), könnte es passieren, dass der Spielraum der Stadt eines Tages stark eingeschränkt sein wird. Achhammer: "Wenn man sich allein die Kostenentwicklung der letzten Monate in der Baubranche anschaut, weiß man heute schon, dass wir mit den 80 Millionen Euro Förderung an die Grenze kommen."

Der Planungsexperte der CSU gibt noch etwas zu bedenken: Der Siegerentwurf basiere auf Eingriffen in die Theatertiefgarage West. Die ist gerade erst saniert worden. "Es würde niemand verstehen, wenn wir dafür Stellplätze opfern." Gleiches gelte auch für etwaige Zusatzkosten der von den Hamburger Architekten vorgesehenen Fundamentarbeiten in der Tiefgarage. Und ob der Kostendeckel der vom Büro Blauraum geplanten Überbauung des nördlichen Donauufers standhält, ist ebenfalls eine Frage, die Achhammer dezent in den Raum stellt.

"Die SPD steht voll hinter dem Projekt Kammerspiele", sagt Fraktionschef Achim Werner - ebenfalls mit der Betonung des "Kostenbewusstseins". Er warnt aber davor, die Probleme beim Museumsbau auf den Theaterbau zu übertragen. "Die Kostenentwicklung im Kunstmuseum wird dramatisiert!" Das Gebäude selbst sei gar nicht teurer geworden. Ursachen waren die an Komplikationen sowie archäologischen Funden reichen Erdarbeiten. "Außerdem steigen die Baupreise allgemein stark."

Man müsse die Kammerspiele jetzt entschlossen anpacken, fordert Werner. "Ingolstadt darf sich da nicht lächerlich machen! Hämers Theater - ob es einem nun gefällt oder nicht - war ein Leuchtturm. Wenn wir uns 50 Jahre später kleinmütig verhalten, ist das auf keinen Fall angemessen." Man dürfe auch nie die Wirkung "weicher Faktoren für den Wirtschaftsstandort unterschätzen". Attraktive Kulturstätten gehörten zweifellos dazu.
 

Christian Silvester